Hoffmann, Ronald, Die Domänenfrage in Thüringen. Über die vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen mit den ehemaligen Landesherren in Thüringen nach dem ersten Weltkrieg (= Rechtshistorische Reihe 334). Lang, Frankfurt am Main 2006. XVI, 347 XVII-LXXI S., 6 Abb. 1 Farbabb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Es gehört zu den Eigentümlichkeiten menschlichen Zusammenlebens, dass einem Herrscher über ein Gebiet in der Regel nicht das gesamte Gebiet in völlig gleicher Weise zusteht. Deswegen sind schon in der Antike imperium und dominium sowie Staat und Staatsgut sowie Privatgut des Herrschers unterschieden. Auch im Mittelalter hat der Herrscher zwar ein Reich, aber nicht alles Gut im Reich ist Reichsgut.

 

Diese Unterscheidung wirkt sich besonders dann aus, wenn der Herrscher die Herrschaft verliert. Augenfällig ist dabei der revolutionäre Übergang von der Monarchie zur Republik. Deswegen darf die von Gerhard Lingelbach in Jena angeregte und betreute Dissertation als Einzelfall eines solchen Vorgangs mit beachtlichem Interesse rechnen.

 

Bisher sind die Vermögensauseinandersetzungen zwischen den thüringischen Staaten und ihren Landesherren, wie sie bereits im 19. Jahrhundert einsetzen, in der juristischen Literatur noch nicht gründlich untersucht, wenn es auch bereits eine erste Darstellung der Ablaufs der Verhandlungen nach dem ersten Weltkrieg von 1921 gibt. Deswegen besteht eine Lücke, die der Verfasser, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Jena, auf Grund umfangreicher, bisher kaum berücksichtigter archivalischer Quellen umsichtig zu schließen versucht (umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis XVIIff.). Dabei beschränkt er sich auf den Zeitraum zwischen 1815 und 1945 und geht auf die Enteignungen des Jahres 1948 nur am Rande ein.

 

Ausgangspunkt der Untersuchung ist ein geschichtlicher Überblick über die thüringischen Staaten bis zum Jahre 1918. Dabei unterscheidet er naheliegenderweise zwischen Reuß, der ernestinischen Linie Sachsens und Schwarzburg. Vielleicht hätte er hier auch noch mehr Transparenz schaffen können.

 

Danach erläutert er Domäne, Kammergut, Kammervermögen, domanium, Zivilliste, Apanage, Paragium, Sustentation, Wittum , Schatullgut, Hausvermögen, Familienfideikommiss und Hausallodium und schildert die geschichtliche Entwicklung der Domänen. Zu Recht weist er auf die besondere Bedeutung der Waldwirtschaft ausdrücklich hin. Zum Abschluss dieses Kapitels legt er das Domänenwesen in Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar-Eisenach, Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sonderhausen im Einzelnen sorgfältig dar und gelangt zu dem Ergebnis, dass Vereinbarungen über die Domänen und ihre Nutzungsverteilungen in den thüringischen Staaten während des 19. Jahrhunderts (bis 1905) nur allmählich abgeschlossen wurden und sich inhaltlich stark unterscheiden.

 

Das zweite Kapitel betrifft die Neuregelungen über die Domänen in den Jahren 1918 bis 1921. In dieser Zeit erweist sich die Regelung der Staatsfinanzen des 1920 aus den vielen Kleinstaaten neu gebildeten Landes Thüringen als vordringlich. Deswegen werden sehr rasch Verhandlungen mit dem Ziel von Neuvereinbarungen aufgenommen, wobei in keinem Staat die bis 1918 bestehenden Vereinbarungen noch als dauerhafte Lösung angenommen wurden und es teils zu einer Übertragung des gesamten Domänenvermögens auf den Staat mit oder ohne Entschädigung, teils aber auch zu einer Aufteilung mit und ohne Entschädigung kam.

 

Trotz dieser Neuregelungen entstanden nicht zuletzt als Folge der Inflation des Geldwerts Auseinandersetzungen über die Vereinbarungen, die der Verfasser in seinem dritten Kapitel untersucht. Hierher gehören Aufwertungsprozesse mit den Häusern Sachsen-Meiningen und Sachsen-Weimar-Eisenach, der erfolgreiche Rechtsstreit Sachsen-Coburg und Gothas gegen das Enteignungsgesetz vom 31. Juli 1919, Anfechtungsprozesse mit Schwarzburg und Sachsen-Altenburg sowie der Sonderfall Reuß. Auch hier fallen die Abläufe, wie der Verfasser im Detail sorgfältig dokumentiert, erneut sehr unterschiedlich aus.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler