Haas, Julia, Die Reichstheorie in Pufendorfs „Severinus der Monzambano“. Monstrositätsthese und Reichsdebatte im Spiegel der politisch-juristischen Literatur von 1667 bis heute (= Schriften zur Verfassungsgeschichte 76). Duncker & Humblot, Berlin 2006. 171 S., 2 Bildtaf. Besprochen von Walter Pauly.

 

Pufendorfs Verdikt, das Heilige Römische Reich deutscher Nation sei „irregulare“ und „monstro simile“, löste zeitgenössisch einen „Knalleffekt“ (B. Roeck) aus, dessen Voraussetzungen, Kontext und Wirkungen anzuzeigende Studie nachzeichnet. Nach einem biographischen Überblick wird die Entstehungsgeschichte der Reichsverfassungsschrift referiert, auf deren lateinische Erstveröffentlichung 1667 unter dem Titel „De statu imperii germanici“ bald eine deutsche, französische, englische und holländische Übersetzung folgen sollte; von allein 300.000 bis 1710 in Deutschland gedruckten Exemplaren ist die Rede (S. 15f.). Daß die 1706 erschienene, noch vom 1694 verstorbenen Pufendorf vorbereitete und das Pseudonym lüftende Editio Posthuma an einer von zwei Stellen auf das provokante „monströs“ verzichtete, wertet Haas als Beleg für das reichspatriotische Anliegen der Schrift, im Wesentlichen eine „empirisch-historische Analyse“ des verworrenen Verfassungszustandes zu liefern (S. 17). Haas selbst skizziert die Verfassungslage nach dem Westfälischen Frieden, um sodann Pufendorfs spektakuläre Monstrositätsthese, die sich sowohl im sechsten wie siebten Kapitel der Reichsverfassungsschrift findet, im Zusammenhang zu entfalten (S. 39ff.). Einmal geht es Pufendorf um die nicht gelingende Einordnung des Reichs in das Schema der aristotelischen Staatsformenlehre, da er weder mit Hippolithus a Lapide (Bogislav Philipp von Chemnitz) und zuvor schon Jean Bodin eine Aristokratie noch mit Dietrich Reinkingk eine Monarchie hinreichend ausgeprägt sah. An der zweiten, in der Editio Posthuma entschärften Stelle ist die Rede von zwei zusammenkommenden Übeln: einer schlecht eingerichteten Monarchie und einem ungeordneten Staatenbund. Reich und Stände, Haupt und Glieder, aber auch die Stände, die Glieder untereinander stünden sich argwöhnisch gegenüber, was die besagte „Körper-Metapher“ rechtfertige. In der anschließenden Analyse zeigt Haas, dass Pufendorf als Anhänger der Bodinschen Lehre von der ungeteilten Souveränität der Ausweg eines status mixtus verbaut war, wie ihn namentlich Johannes Limnaeus auf der Basis einer Unterscheidung zwischen maiestas realis und maiestas personalis prominent vertrat (S. 73). Spannungsreich entwickelt Pufendorf so auf der einen Seite eine rigide Formenlehre, während er auf der anderen Seite schonungslos die Zwitternatur, den „doppelten Dualismus“ (S. 141) des Reiches sowohl auf der durch Kaiser und Reichsstände gekennzeichneten horizontalen als auch auf der das Verhältnis von Reich und Territorien betreffenden vertikalen Ebene als Produkt eines verfassungsgeschichtlichen Degenerationsprozesses offenlegt, der von einer regulären Monarchie mutmaßlich in die Föderation unabhängiger Einzelstaaten führen werde, wie es dann auch nach 1806 gekommen ist (S. 79 und 146). Den letzten Schwerpunkt der Untersuchung bildet die Rezeption der Pufendorfschen Reichstheorie, einsetzend mit der heftigen zeitgenössischen Debatte, die Pufendorf umgehend zu der den „Monzambano“ ebenso verteidigenden wie präzisierenden Schrift „Disquisitio de republica irregulari“ (1669) veranlasste. Wichtig ist der Hinweis, dass die Monstrositätsthese vor allem im 18. Jahrhundert zu einer Diskussion über die Staatlichkeit des Reiches geführt habe, die Pufendorf selbst noch unfraglich war (S. 96 und 106). Die Rezeptionsgeschichte wird bis in die Forschungslandschaft nach 1945 untersucht. So weist Haas auf Grund der zwar „atypischen“, aber auch nach 1648 noch gegebenen Staatlichkeit des auf dem „Weg zur Staatlichkeit“ von den Territorien überholten Reiches (S. 135) am Ende auch noch die These Friedrich Berbers und Albrecht Randelzhofers vom Reich als nur noch staatenbündischer „Völkerrechtsordnung“ zurück (S. 128). Das Buch bietet so einen breiten Überblick über das neuzeitliche Reichsverfassungsrecht und seine Reflexion bis auf unsere Tage, klar strukturiert und gut geschrieben sowie stark der Sekundärliteratur verhaftet, die für den „Tiefgang“ unverzichtbar bleibt.

 

Jena                                                                                                               Walter Pauly