Graf, Gerda, Der Verfassungsentwurf aus dem Jahr 1787 des Granduca Pietro Leopoldo di Toscana. Edition & Übersetzung – Das Verfassungsprojekt (= Schriften zur Verfassungsgeschichte 54). Duncker & Humblot, Berlin 1998. 315 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Hans Schlosser angeregte, im Sommersemester 1997 von der juristischen Fakultät der Universität Augsburg angenommene Dissertation der Bearbeiterin. Dass sie nicht bereits früher bekannt gemacht wurde, liegt an einer trotz vieler Erinnerungen leider bisher nicht eingehaltenen Zusage Dieter Wyduckels. Zum Ausgleich muss auch hier der Herausgeber hilfsweise eintreten.

 

Gegliedert ist das Werk in zwei Teile. Der erste Teil betrifft die Edition und deren neuhochdeutsche Übersetzung. Im zweiten Teil verfolgt die Verfasserin das Verfassungsprojekt näher, obgleich das Werk erst die Frucht des Vorhabens ist.

 

Ihre knappe Einleitung beginnt die Verfasserin mit dem Hinweis darauf, dass Granduca Pietro Leopoldo (Peter Leopold) di Toscana das absolute Fürstentum als bankrottes Geschäft bezeichnet und bereits ein Jahrzehnt vor Ausbruch der französischen Revolution von 1789 die Ausarbeitung einer Verfassung mit unerhörten Neuerungen in Angriff genommen habe. Diesem Vorhaben blieb allerdings der Erfolg so sehr versagt, dass erst am 20. Mai 1805 grobe Züge des Projekts bekannt wurden. Ein Auszug einer Version vom 26. November 1781 wurde 1809 herausgegeben.

 

Zu einer vollständigen Edition kam es erstmals 1901 durch Joachim Zimmermann. Ihr liegt eine Fassung vom 8. September 1782 zugrunde. Wie zwei spätere Veröffentlichungen beschränkt sie sich auf Quellen des Staatsarchivs Florenzs.

 

Zusätzlich wurde später freilich bekannt, dass auch in Wien Hinweise für eine Arbeit an diesem Projekt nach 1782 bis zur Abreise Pietro Leopoldos aus der Toskana vorhanden sind. Aus ihnen ermittelte die Verfasserin im September 1995 eine im Státni Ústredni Archiv befindliche Version (RAT Nr. 53), die über Salzburg, Schlackenwerth (Ostrov) bei Karlsbad dorthin gelangt war. Sie verwendete sie für ihre Edition, der erstmals eine Übersetzung ins Deutsche beigegeben ist.

 

Im zweiten Teil beginnt die Verfasserin mit dem Initiator des Projekts, dem am 5. Mai 1747 als dritter Sohn Maria Theresias geborenen Peter Leopold, dem die als Entschädigung für Lothringen 1737 an Franz Stephan von Lothringen gelangte Toskana mit dem Tod Franz Stephans am 18. August 1765 zufiel. Er war seit 1761 von Karl Anton von Martini in den Rechts- und Staatswissenschaften ausgebildet worden. Die diesbezüglichen Vorlesungen sind ausgearbeitet und veröffentlicht.

 

Im Ergebnis kommt die Verfasserin nach Betrachtung der mit dem Verfassungsprojekt verbundenen Reformen, der Entwicklung des Projekts, des inhaltlichen Konzepts des Entwurfs, des Scheiterns der Verwirklichung infolge Abreise am 1. März 1790 sowie einer Bewertung von Inspirationen und Eigenständigkeit überzeugend zu der Ansicht, dass Pietro Leopoldo der Toskana eine Verfassung geben wollte. Die Zwischenzeit zwischen 1782 und 1787 kann sie einleuchtend mit einem umfassenden Reformprogramm begründen, zu dem auch eine Gemeindereform und dein Strafgesetzbuch gehören. Das letztliche Scheitern der Bestrebungen erklärt sie aus der Verbindung mit den einzelnen Reformprojekten und externen Umständen.

 

Inhaltlich ist der Entwurf geprägt von der Spannung von Tradition und Reform. Zum einen waren echte Beteiligungsrechte der Bevölkerung vorgesehen, zum anderen ist die Fassung aber ausschließlich aus der Perspektive des Großherzogs heraus formuliert, weshalb die Organisation der Exekutive, ihre Bindung an das Gesetz und eine Regelung der Stellung der Minister fehlen. Insgesamt ordnet die Verfasser in ihrem durch ein knappes Register abgerundeten Werk Pietro Leopoldo als klugen, frühzeitig die Erfordernisse der Zukunft erkennenden und darauf reagierenden Pragmatiker ein.

 

Innsbruck                                                                                                                   Gerhard Köbler