Garnett, George, Conquered England. Kingship, Succession, and Tenure 1066-1166. Oxford University Press, Oxford 2007. XVII, 401 S. Besprochen von Susanne Jenks.

 

Der Anspruch, designierter und einzig legitimer Nachfolger Eduards des Bekenners zu sein, diente Wilhelm, Herzog der Normandie, als Rechtfertigung für die Eroberung Englands. Diese Fiktion sollte, so die These des Buches, zwei weitreichende Konsequenzen haben: sie beeinflusste nicht nur die Thronfolgepraxis der folgenden Jahrzehnte, sondern auch das Lehenssystem, denn der Anspruch eines jeden Kronlehensträger (weltliche wie geistliche, mit Ausnahme des Bischofs von Rochester, der allein dem Erzbischof von Canterbury huldigte) und Aftervasallen wurde mit dem (Erb-)Recht des Königs auf das Königreich begründet: der König wurde zur Quelle aller Lehen. Die Betonung der Kontinuität als Erbe Eduards des Bekenners führte letztendlich zu einem dezidierten Bruch mit der angelsächsischen Tradition.

 

Da der Herzog der Normandie sein englisches Erbe faktisch erst nach der Schlacht von Hastings mit der Salbung und Krönung an Weihnachten 1066 antreten konnte, obwohl er schon vorher als König tituliert wurde, erhielt der Akt der Salbung eine größere Bedeutung, als sie in angelsächsischer Zeit gehabt hatte: erst sie machte den König zum König (analog der normannischen Tradition). Diese Neuerung wiederum bewirkte, dass 1100 und 1135 Anwärter mit weniger fundierten Ansprüchen sich den Thron durch eine rasch vollzogene Krönung sichern konnten. Dass allerdings der Thron niemandem sicher war, nach Garnett ein traditionell englisches Phänomen, war Folge der Entscheidung des Eroberers, seinen ältesten Sohn nicht rechtzeitig und planvoll als Nachfolger einzusetzen (dies geschah erst auf dem Totenbett) und die jüngeren Brüder nicht auf ihn als Nachfolger einzuschwören, was der normannischen Vorgehensweise entsprochen hätte. Wilhelm verzichtete darauf in England, weil er – trotz der Fiktion, legitimer Erbe zu sein – das Königreich als erobertes Land betrachtete, das er beliebig vererben konnte. Er wollte sich daher alle Optionen bis zuletzt offen halten (was wiederum Auswirkungen auf die Normandie hatte). Dass zunächst weder jüngere Brüder noch Kronlehensträger designierten Nachfolgern huldigen mussten, war ein Problem, das erst als Folge der Anarchie Stephans 1153 und mit dem Thronantritt Heinrichs II. sechs Wochen nach dem Tod Stephans gelöst wurde.

 

Obwohl die 1153 erzielte Einigung Heinrich zum Erben Stephans ernannte, distanzierte sich Heinrich II. bereits in seiner Krönungscharta hiervon: er berief sich ausdrücklich auf seinen Großvater Heinrich I., dessen glorreiche Zeiten er auferstehen lassen wollte. Folgerichtig wurde der letzte Tag der Regierungszeit Heinrichs I. zum Stichtag für die Legitimität eines Lehens deklariert: zu Zeiten König Stephans in Besitz genommenes Land war ipso facto unrechtmäßig erworben. Während der Todestag Heinrichs I. als Stichtag in den writs of right erscheint, kam in Novel Disseisin Fällen (widerrechtliche Vertreibung aus einem Besitz) ausnahmsweise ein anderer Tag zur Geltung: der Tag, an dem Heinrich II. England zuletzt verlassen hatte. Es wurde bewusst ein anderer Bezug gewählt, weil man ein rasches Verfahren für diejenigen schaffen wollte, die vor kurzem von ihrem Besitz vertrieben worden waren, ohne klären zu wollen, wer die ältesten und besten Ansprüche hatte.

 

Garnett hat ein fundiertes und gut geschriebenes Buch vorgelegt, auch wenn man sich gewünscht hätte, dass auf Wilhelms Beinamen (der Eroberer) eingegangen beziehungsweise erklärt worden wäre, warum in den frühen Chroniken von Eroberung gesprochen wurde. Offenkundig setzte sich die Fiktion, die Wilhelm ins Leben rief, nicht in allen Bereichen konsequent durch.

 

Obwohl Garnett auf einige der frühen Reformen Heinrichs II. eingeht, werden diese weniger unter rechtsgeschichtlichem als vielmehr verfassungsgeschichtlichem Aspekt analysiert. Daher ist dieses Werk für die Leserschaft dieser Zeitschrift nicht unbedingt einschlägig, wenn auch durchaus zur Lektüre zu empfehlen.

 

London                                                                                                                      Susanne Jenks