Fürst, Thomas, Karl Stützel. Ein Lebensweg in Umbrüchen. Vom königlichen Beamten zum bayerischen Innenminister der Weimarer Zeit (1924-1933) (= Mainzer Studien zur neueren Geschichte 19). Lang, Frankfurt am Main 2007. 524 S.

 

Die umfängliche Arbeit ist die von Peter Claus Hartmann angeregte und betreute Mainzer Dissertation des Verfassers. Sie schließt eine lange Zeit vernachlässigte Lücke in der Forschung zur Innenpolitik Bayerns in der Weimarer Zeit. Sie beruht auf einer Fülle an Archivalien, Notizen, Korrespondenzen und Akten, die der Verfasser mit Unterstützung seines Betreuers bewältigt hat.

 

Die Arbeit gliedert sich außer in Einleitung und Zusammenfassung in sechs Teile. Dabei beginnt sie mit der Musterkarriere eines königlich-bayerischen Beamten aus dem linksrheinischen Teil Bayerns. Über das humanistische Gymnasium, das Studium der Rechtswissenschaften in München, Berlin, Erlangen und Heidelberg und vorzügliche Prüfungsergebnisse gelangte Stützel in die Innenverwaltung Bayerns, die ihn nacheinander in Ebermannstadt, Neustadt an der Haardt, Landshut und Vilshofen einsetzte, ihm aber den Kriegseinsatz nicht ersparte.

 

Der zweite Teil sieht Stützel als hohen Beamtenfunktionär in der Weimarer Republik. Zunächst ist er Referent für Wohnungswesen im Ministerium für soziale Fürsorge. Er erlangt allgemeiner Bekanntheit als Leiter des Hilfswerks nach einem Explosionsunglück in Oppau, wird von der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei später jedoch in diesen Zusammenhängen scharf angegriffen.

 

1924 wird der der Bayerischen Volkspartei zugehörige Karl Stützel Innenminister in der ersten Regierung Held. In dieser Eigenschaft führte er vor allem eine Reform der Staatsverwaltung durch und erneuerte das Polizeiwesen. Das von ihm geprägte Kommunalwahlgesetz hat bis in die Gegenwart Bestand.

 

Zu Recht großes Gewicht teilt der Bearbeiter Karl Stützels Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus im vierten Teil zu. Er betrifft einerseits die Kommunistische Partei Deutschlands mit ihren Unterorganisationen. Mit den politischen Veränderungen wendet er sich aber andererseits gegen die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, wobei Stützels Rolle bei der Verhängung und Aufhebung des Redeverbots gegen Adolf Hitler und Stützels Bemühungen für eine Ausweisung und gegen eine Einbürgerung Adolf Hitlers im Jahre 1925 im Mittelpunkt stehen.

 

Dramatisch entwickelt sich die im fünften Kapitel geschilderte Lage zwischen Machtergreifung und Gleichschaltung. Stützel kämpft zwar für freie und demokratische Wahlen am 5. März 1933. Binnen weniger Tage wird er jedoch unter beschämenden Umständen seines Amtes enthoben und muss als „persona non grata“ seinen privaten Lebensabend außerhalb des politischen Lebens im Dritten Reich verbringen.

 

Die sehr ausführlichen Darlegungen enden in einer kürzeren Zusammenfassung, der auch eine knappe Übersicht über die wichtigsten Lebendaten hätte beigegeben werden können. Ein Quellen- und Literaturverzeichnis und ein knappes Personen- und Ortsregister (ohne Sachgegenstände wie etwa die Stichwörter Dissertation, Promotion) beschließen das verdienstvolle Werk. Es zeigt an der Biographie eines einzelnen bayerischen Juristen beispielhaft, wie der Einsatz aller staatlichen Mittel den politischen Aufstieg der nationalsozialistischen Bewegung im Deutschen Reich bzw. im Volk der Deutschen nicht zu verhindern imstande war.

 

Innsbruck                                                                                                                  Gerhard Köbler