Einhundertfünfundzwanzig (125) Jahre Rechtsanwaltskammer Berlin. Jubiläumsschrift, hg. v. Jungfer, Gerhard/König, Stefan. Boorberg, Stuttgart 2006. 415 S. Ill. Besprochen von Werner Schubert.

 

Die Jubiläumsschrift erinnert an die Bildung der Rechtsanwaltskammer (RAK) zu Berlin aufgrund der Rechtsanwaltsordnung von 1878, die Preußen die freie Judikatur brachte (vgl. hierzu W. Schubert, Entstehung und Quellen der Rechtsanwaltsordnung von 1878, Frankfurt am Main 1985, S. 3ff.), so dass die Zahl der in Berlin zugelassenen Rechtsanwälte von gut 90 auf 250 bereits im Jahre 1880 stieg (1900: 1000, 1914 fast 2000 Rechtsanwälte). Der Band bringt außer der Festrede der derzeitigen Präsidentin der Rechtsanwaltskammer Berlin, M. Gräfin von Galen (S. 15ff.) als „Einleitung“ einen Überblick über die Geschichte der RAK Berlin und einen Ausblick bis 2030 (S. 21ff.). Hinzu kommen noch die Erinnerungen der ehemaligen Präsidenten Dr. h. c. Karlheinz Quack, Jürgen Borck, Dr. Bernhard Dombek und Kay-Thomas Pohl (S. 365ff.). Den Hauptteil des Werkes bilden vier dokumentarische Berichte über die Geschichte der RAK Berlin (S. 47-363), die für die Zeit von 1918 bis 2004 von zwei Historikern (für die NS-Zeit von A. Königseder; für die Zeit von 1945 an von Chr. Dirks) und einer Kulturwissenschaftlerin (Chr. Zahn für die Weimarer Zeit; S. 151ff.), während die Dokumentation für die Zeit bis 1918 von den Rechtsanwälten L. Kutzner und A. Bedenk stammt. Den Großteil der Beiträge bilden Faksimiles von Quellen aus der jeweiligen Zeit. Damit verfolgt die Dokumentation nicht den Anspruch, die in den letzten Jahren entstandenen Untersuchungen zur Berliner Anwaltsgeschichte um eine weitere wissenschaftliche Monographie zu ergänzen (König, S. 21). Die Kommentierung der einzelnen Dokumente durch die genannten Autoren ist allerdings vielfach sehr knapp, wenn sie auch mitunter interessante Einzelheiten enthält (Entwurf zu einem Statut für einen anwaltlichen Schieds-Gerichtsverein zu Leipzig von 1846; S. 55ff.; Statistiken besonders für die NS-Zeit S. 223, 251ff.; Details zu Ehrengerichtsverfahren, bes. 105ff.; über die Diskussion, ob Frauen zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden sollten, S. 152; Liste der im September 1938 aus der Anwaltschaft entlassenen 761 Berliner jüdischen Rechtsanwälte, S. 258-262). Auf der anderen Seite fehlen detailliertere biographische Daten über die Präsidenten der RAK bis 1945 (insbesondere über Ernst Wolf und Ernst Heinitz; die Wiedergabe der Gedenkrede dürfte hierzu nicht ausreichen). Aufschlussreich sind auch einige Abschnitte über die Zeit von 1945 an (Neubegründung der RAK 1945/46; „Linksanwälte“ [Sozialistisches Anwaltskollektiv]; Spaltung der Berliner Anwaltschaft erst 1953 seitens der DDR).

 

Es ist zu bedauern, dass die Jubiläumsschrift darauf verzichtet hat, die Geschichte der Berliner Rechtsanwaltskammer, der größten und bedeutendsten Kammer des Deutschen Reichs, detaillierter, als es durch die „Dokumentarischen Berichte“ möglich war, zu erschließen, zumal die Auswahl der Dokumente nicht immer zu überzeugen vermag. Einer umfangreicheren Darstellung steht auch nicht der Verlust der Akten der Berliner RAK im Zweiten Weltkrieg entgegen, da, wie die Dokumentationen zeigen, hinreichende Parallelüberlieferungen vorliegen. Insgesamt stellt die Jubiläumsschrift eine gute Grundlage für eine Geschichte der Berliner Anwaltschaft seit 1879 und deren Verbindung mit der gesamtdeutschen Entwicklung dar.

 

Kiel

Werner Schubert