Die Protokolle des bayerischen Staatsrats 1799-1817. Band 1 1799 bis 1801, bearb. v. Stauber, Reinhard unter Mitarbeit von Mauerer, Esteban. Historische Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften, München 2007. 552 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Umschlag der repräsentativen Edition zeigt auf einem kleinen Farbfoto das große Sessionszimmer des Staatsrats Bayerns in der Münchener Residenz mit dem Thron und wohl zehn Stühlen im Halbrund. Allerdings wurde dieser Raum 1809/1810 eingerichtet, 1944 zerstört und erst 2006 für die Ausstellung Bayerns Krone 1806 auf der Grundlage des Residenzinventars von 1815 rekonstruiert. Dennoch wird man sich auch das Ambiente der Sitzungen des bayerischen Staatsrats von 1799 bis 1801, dessen Protokolle der vorliegende Band erfreulicherweise der Öffentlichkeit zur allgemeinen Nutzung bietet, vergleichbar vorstellen dürfen.

 

Die Edition geht in ihrem Werden auf das Jahr 2000 zurück, in dem die historische Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaft und der Generaldirektor der staatlichen Archive Bayerns beschlossen, die Protokolle des Staatsrats, der geheimen Staatskonferenz und des geheimen Rates Bayern in der Zeit des Ministers Maximilian Joseph Graf von Montgelas’ (* München 12. September 1759, † München 14. Juni 1838) zu publizieren. Die Kosten trägt vorwiegend die bayerische Landesstiftung. Die Investition lohnt sich, weil die Protokolle eine besonders wichtige Erkenntnisquelle für Bayerns Weg vom Ständestaat zur konstitutionellen Monarchie sind.

 

Allerdings war wegen des Umfangs der Quellen auch hier ein Mittelweg nötig. Nur die sich ausführlicher mit wichtigen staats- und gesellschaftspolitischen Fragen befassenden Protokollteile konnten im Wortlaut wiedergegeben und durch Kopfregesten aufgeschlossen werden. Weniger bedeutsame Tagesordnungspunkte konnten nur durch Kurzregesten oder Stichworte widergespiegelt werden, sind aber in die Register aufgenommen.

 

Die Protokolle zeigen die schon durch feste Grundsätze geleiteten, in der tatsächlichen Umsetzung aber noch unsicheren Schritte der Neugestaltung des Landes, die Entlassung ungeeigneter und unfähiger Diener der vorangehenden Epoche, die Festsetzung neuer Anforderungen, die Gleichbehandlung der Konfessionen, den Kampf um die Einberufung des Landtags, die Vorbereitung eines neuen Strafrechts und das Bemühen um zusätzliche Rechtssicherheit. Sichtbar werden Tendenzen zur Einordnung des Adels in die Gesellschaft, zur Aufhebung der Zensur und zur Liberalisierung der Wirtschaft. Bereits vor Preußen trifft Bayern als drittgrößtes deutsches Gebiet des heiligen römischen Reiches dabei Maßnahmen, denen sich viele andere deutsche Herrschaften in der Folge anschließen.

 

Im Wesentlichen ist der durch einige Abbildungen aufgelockerte Band von Reinhard Stauber bearbeitet, dem nach dem Wechsel nach Klagenfurt im Jahre 2003 Esteban Mauerer nachfolgte. Vermutlich stammt deswegen auch die anscheinend nicht ausdrücklich zugeordnete Einleitung im Wesentlichen von dem Hauptbetreuer. Sie legt nacheinander dar den Archivbestand und die editorischen Leitlinien, die neuen Institutionen des Jahres 1799, die Ministerialreform des Jahres 1801, den geheimen Rat von 1808, die archivalische Überlieferung, die sich zu 43 Prozent auf den geheimen Rat, zu 31 Prozent auf die Staatskonferenz und zu 26 Prozent auf den Staatsrat verteilt, Regierungswechsel und Kontinuität, wobei meist drei Minister und etwa ein Dutzend geheime Referendäre einbezogen sind, Beobachtungen zur Arbeitspraxis sowie die Themen und Arbeitsfelder (mit im Einzelnen bis zu 40 Tagesordnungspunkten pro Sitzung).

 

Erfasst sind insgesamt 145 Protokolle. Sie reichen vom 8. März 1799 bis 30. Dezember 1801. Mit ihrer Hilfe wird sich nicht nur die militärische Lage in der Pfalz aus Münchner Sicht im  März 1799, sondern auch die Frage der Besoldung der Beamten am Ende des Jahres 1802 und vieles andere im montgelasisch geprägten Bayern von jedem Interessierten unmittelbarer und besser beurteilen lassen.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler