Die Protokolle der Regierung von Baden. Band 1 Die Landesverwaltung Baden und das Staatssekretariat Wohlleb 1945-1947, bearb. von Hochstuhl, Kurt (= Kabinettsprotokolle von Baden, Württemberg-Baden und Württemberg Hohenzollern 1945-1952). Kohlhammer, Stuttgart 2006. XCIX, 240 S.

 

Der nördlich der Autobahn Karlsruhe-Stuttgart gelegene Teil Badens kam nach dem Zweiten Weltkrieg zur amerikanischen Zone und bildete zusammen mit (Nord-)Württemberg das Land Württemberg-Baden. Der südlich der genannten Autobahn gelegene Teil Badens bildete unter französischer Besatzung mit der Hauptstadt Freiburg im Breisgau das Land (Süd-)Baden, das zwar knapp zwei Drittel des badischen Gesamtterritoriums, aber nur knapp die Hälfte der badischen Bevölkerung umfasste (mit nur 38% der gesamtbadischen Wirtschaftsleistung [1938]). Der vorliegende erste Band der Edition der Kabinettsprotokolle des Landes Baden umfasst die Zeit zwischen der ersten und wohl einzigen gemeinsamen Sitzung der Landesverwaltung für Nordbaden und Südbaden am 9. 10. 1945 in Karlsruhe und der letzten Sitzung der Vorläufigen Badischen Regierung in Freiburg am 25. 4. 1947. Die Einleitung K. Hochstuhls, des Leiters der Abteilung Staatsarchiv Freiburg im Landesarchiv Baden-Württemberg, bringt zunächst eine Darstellung der unmittelbaren Nachkriegszeit im französisch besetzten Baden (S. IXff.), des Aufbaus der französischen Militärverwaltung in Baden und der französische Besatzungspolitik (S. XVff.), die trotz massiver Wahrnehmung ihrer Interessen auch eine „Politik der Erneuerung, der grundlegenden Reformen und einer ernst- und dauerhaften Demokratisierung“ (S. XXI) betrieben hat. Die genannte gemeinsame Sitzung der beiden Landesverwaltungen bekräftigte zwar den Willen, an der Einheit des Landes Baden festzuhalten; jedoch musste die von Frankreich eingesetzte (süd-)badische Landesverwaltung nach Freiburg umziehen, wo diese bis Ende November 1946 29 Sitzungen abhielt. Vom Dezember 1946 an bis zum 26. 6. 1947 trat nach dem Zusammentritt der „Beratenden Landesversammlung“ an die Stelle der „Landesverwaltung Baden“ das „badische Staatssekretariat“ als Vorläufige Badische Regierung, dessen Präsident Leo Wohlleb (1888-1955) wurde. Wohlleb war erster Vorsitzender der Badischen Christlich-Sozialen Volkspartei und später bis zur Bildung des Südwest-Staates Baden-Württemberg badischer Staatspräsident.

 

Die Protokolle dokumentieren u. a. die Eröffnung der Gerichte und die Justizbeförderungen, die Beratungen über das Säuberungs- bzw. Denazifizierungsgesetz, die Gemeindeordnung, den Verfassungsentwurf, das Landeswahlgesetz, ferner die Ernährungslage, die Ministerialorganisation sowie Haushaltsfragen. Für das Justizministerium war zunächst Ludwig Ganter (Präsident des Oberlandesgerichts Karlsruhe), anschließend Paul Zürcher (S. XXVI) bis zu seinem (erzwungenen) Rücktritt im November 1946 und ab März 1947 Richard Streng (XXXIII) zuständig. Freiburg erhielt ein Oberlandesgericht (Eröffnung am 12. 3. 1946) mit vier Landgerichten. Die Arbeitsgerichte wurden entsprechend einem Kontrollratsgesetz vom 30. 3. 1946 von der ordentlichen Gerichtsbarkeit vollständig getrennt. Der badische Verwaltungsgerichtshof nahm bereits am 1. 10. 1945 seine Tätigkeit in Freiburg auf, während die erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte erst mit einer Landesverordnung vom 30. 3. 1947 etabliert wurden. Sehr umstritten war, ob Konstanz oder Siegen Sitz eines Verwaltungsgerichts sein sollte (S. 172f.). Das Badische Justizministerium behielt für die Notare die „alte badische Regelung“ (S. 10; Gerichtsnotare) bei und sah es als seine vorrangige Aufgabe, „den Wiederaufbau eines demokratischen Justizwesens und zugleich die strafrechtliche Verfolgung nationalsozialistischen Unrechts voranzutreiben“ (S. LXXf.). Außer den Protokollen enthält die Edition neun Dokumente zur französischen Besatzungspolitik (S. XXXVff.) sowie eine Übersicht über die obersten und oberen Landesbehörden in Baden von 1945-1952 (LXIIff.). Der Band wird abgeschlossen mit sehr detaillierten Registern (Personen-, Orts-, Sachregister). Darüber hinaus wäre es – insbesondere aus rechtshistorischer Sicht – nützlich gewesen, wenn die Edition für zentrale Gesetzgebungsvorhaben die Verbindung der Kabinettsberatungen mit den Entwurfsarbeiten und den Beratungen in der „Beratenden Landesversammlung“ nachgewiesen und detaillierter beschrieben hätte (vgl. hierzu „Verhandlungen der Beratenden Versammlung des Landes Baden“, Freiburg im Breisgau 1946/47, und das Werk von Paul Feuchte, Quellen zur Entstehung der Verfassung des Landes Baden von 1947, Teile 1 und 2, Stuttgart 1999, 2001). Dies gilt etwa für das Säuberungs- bzw. Denazifizierungsgesetz, die Gemeindeordnung (dazu die Beratungen über vier wichtige Punkte, S. 147ff., ohne dass dort der Wortlaut der diskutierten Bestimmungen wiedergegeben wird) und das Landeswahlgesetz. Auch in der Einleitung geht der Herausgeber nur selten auf die Beratungsgegenstände näher ein. Insgesamt sind die Kabinettsprotokolle in Verbindung mit den Protokollen der „Beratenden Landesversammlung“ und der Edition von Feuchte nicht nur von landesgeschichtlichem, sondern gleichzeitig auch von übergreifendem rechts- und verfassungshistorischem Interesse für die unmittelbare Nachkriegszeit Deutschlands. Es ist anzunehmen, dass die beiden angekündigten Folgebände für die drei Kabinette Wohlleb von 1947 bis 1952 noch inhaltsreicher sein werden, da nach den Landtagswahlen vom 18. 5. 1947 und dem Inkrafttreten der badischen Verfassung mit der Einschränkung bzw. des Wegfalls des Besatzungsregimes die Verantwortlichkeiten von Regierung und Landtag sukzessive erweitert wurden.

 

Kiel

Werner Schubert