De Kegel-Schorer, Catherine, Die Freien auf Leutkircher Heide. Ursprung, Ausformung und Erosion einer oberdeutschen Freibauerngenossenschaft (= Oberschwaben - Geschichte und Kultur 16). bibliotheca academica, Epfendorf/Neckar 2007. 379 S., 1 Karte, Tab. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Peter Blickle angeregte und betreute Berner Dissertation der Verfasserin, deren Anfänge nach dem kurzen Vorwort noch in der Zeit liegen, in der das Sowjetreich vor seiner Auflösung stand, und deren Abschluss durch den kleinen Bezugsrahmen der Familie mit den vielfältigen Verpflichtungen der verschiedenen Generationen und dem von Bibliotheken fernen Wohnsitz verzögert wurde. Sie stellt eingangs auf einer Karte die Dörfer, Weiler und Höfe im oberen Amt der Landvogtei Schwaben rund um Leutkirch und in den benachbarten Territorien mit nachgewiesenen Leutkircher Freien dar. Dabei weist sie ausdrücklich darauf hin, dass eine Zuordnung von Freien zu bestimmten Orten erst ab dem 15. Jahrhundert möglich ist und dass mit Überlieferungslücken gerechnet werden muss.

 

Gegliedert ist die Arbeit in vier Teile. Dabei werden in der Einleitung der Forschungsstand und das Forschungsziel der im Juni 1330 in Ergänzung einer Urkunde Kaiser Ludwigs des Bayern für Graf Hugo von Bregenz erstmals genannten fryen Lüth bei Leutkirch beschrieben. Da die freien Bauern in der altständischen Gesellschaft teils als frühmittelalterliche Gemeinfreie, teils als karolingische Königsfreie oder als hochmittelalterliche Rodungsfreie angesehen wurden, stand auch bei den Freien auf der Leutkircher Heide meist die Frage des Ursprungs ihrer Freiheit im Vordergrund und wurde dem weiteren Fortgang nur geringe Aufmerksamkeit gewidmet, während für die Verfasserin trotz des Beginns mit dem Frühmittelalter das Schwergewicht auf dem 15. und 16. Jahrhundert liegt.

 

In sorgfältiger Abwägung der wenigen Quellen vermutet die Verfasserin den Grundstein für die Entstehung des spätmittelalterlichen Verbandes der Freien auf der Leutkircher Heide in der kurzen Zeit des Landesausbaus unter den Karolingern. Allerdings hatte nach ihrer Ansicht zu dieser Zeit die Bevölkerung im Leutkircher Raum keinen einheitlichen Rechtsstand, sondern setzte sich aus einer heterogenen Gruppe Freier, aus unfreiem Gesinde und aus freigelassenen Kirchenzinsern zusammen. Für die weitere Entwicklung wurde wesentlich, dass - im unvorhersehbaren Zusammenspiel unterschiedlicher Kräfte - die Unabhängigkeit des Bodens (mutmaßlich 80 Prozent Allod) und der Person gewahrt werden konnte.

 

Die städtische Entwicklung und die zunehmende Verpfändung von Reichsgut veranlasste nach dem Ergebnis der Verfasserin den Freienverband im 14. Jahrhundert dazu, seine Stellung durch den Erwerb kaiserlicher Privilegien zu sichern. Diese verbürgten die Reichsunmittelbarkeit. Auf Grund der lückenhaften herrschaftlichen Durchdringung des Raums um Leutkirch musste die herrschaftliche Seite den Leutkircher Freien widerwillig eine berühmte Freiheit zubilligen.

 

Dies änderte sich mit der Festigung der Stellung Österreichs seit dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts. Zwar blieben die Freien als rechtlich privilegierter Personenverband bestehen, doch engte sich ihr Spielraum erheblich ein. In der Mitte des 18. Jahrhunderts schließlich gingen, als in den habsburgischen Erblanden eine grundlegende Verwaltungsreform eingeleitet wurde, auch die bis dahin verbliebenen Selbstverwaltungsrechte verloren, so dass der Kommissar Bayerns nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 die Freien als ein politisches non ens bezeichnen konnte, wenn auch die Geltungskraft der Freiheitsbriefe erst 1806 verfassungsrechtlich erlosch..

 

Im Anhang bietet die gut lesbare Arbeit Listen der Privilegien und Verträge, der Verpfändungen, der Burgrechte, der Steurer und Amtleute, Gesandten, die Steuerlisten von 1542 und 1544, die Gerichtsamtmänner des oberen Amts der Landvogtei Schwaben, Siegel, Vergleiche und Gerichtsurteile sowie Landrichter. Ein Quellen- und Literaturverzeichnis und ein Personen- und Ortsverzeichnis runden das sorgfältige, Bauern wie Güter chronologisch verfolgende Werk ab. Im Ergebnis sieht die Verfasserin in den Leutkircher Freien überzeugend einen eigenständigen, freilich in der frühen Neuzeit schwindenden Beitrag zur oberschwäbischen Vielfalt vorstaatlicher und staatlicher Einheiten.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler