David Mevius (1609-1670). Leben und Werk eines pommerschen Juristen von europäischem Rang, hg. v. Jörn, Nils (= Schriften der David-Mevius-Gesellschaft 1). Kovač, Hamburg 2007. 294 S. Besprochen von Peter Oestmann.

 

David Mevius ist einer der bekanntesten deutschen Juristen des 17. Jahrhunderts. Selbst in kurzen biographischen Skizzen stößt man auf höchstes Lob. Er soll einer der genialsten deutschen Juristen überhaupt gewesen sein (Georg Beseler), einer der bedeutendsten Juristen nicht nur seines Jahrhunderts (Franz Wieacker). Wilhelm Ebel vereinnahmt Mevius sogar als frühen nationalen Kämpfer gegen das angeblich weltfremde Treiben der Romanisten. Angesichts derartiger Etikettierungen ist es verdienstvoll, dass sich die 2004 gegründete David-Mevius-Gesellschaft vorgenommen hat, das Werk des norddeutschen Gelehrten nicht nur zu loben, sondern zunächst zu lesen. Die erste Tagung der Gesellschaft ist im vorliegenden Sammelband dokumentiert, der zugleich eine neue Reihe eröffnet, die auch weiterhin interdisziplinäre Forschungsergebnisse zu Mevius und seiner Zeit präsentieren wird. Der Auftakt ist insgesamt gelungen und macht neugierig auf mehr.

 

Der Tagungsband ist in drei Teile gegliedert, die drei verschiedene Annäherungen an Mevius bezeichnen: Leben, Werk und Memoria. Die drei zentralen biographischen Stationen sind jeweils mit einem Beitrag vertreten. Die kurze Zeit als Professor in Greifswald, wo Mevius mit nur 26 Jahren in die Fußstapfen seines Vaters trat, beleuchtet Dirk Alvermann anhand zahlreicher bisher unbekannter Quellen aus dem Universitätsarchiv. Die langjährige Tätigkeit von Mevius als Syndikus der Stadt Stralsund (1638-1653) wird von Herbert Langer sorgfältig anhand ungedruckten Quellenmaterials dargestellt. Auch der schwedische Rechtshistoriker Kjell Å. Modéer zieht Archivalien heran, um die Rolle von Mevius bei der Entstehung der Wismarer Tribunalsordnung nachzuzeichnen. Der biographische Teil des Bandes bietet somit erheblich mehr als eine Zusammenfassung des bisherigen Forschungsstandes. Die immer noch ausstehende umfassende Werkbiographie zu Mevius, die mehrere Autoren des Bandes anmahnen, wird auf den hier vorliegenden Ergebnissen gut aufbauen können.

 

Schwieriger ist die rechtshistorische Annäherung an Mevius’ Werk. Seine Bedeutung und Originalität kann man nur nachweisen, wenn man die Behandlung zeitgenössischer Streitfragen nachvollzieht und mit der Methode und den Ergebnissen anderer zeitgenössischer Autoren vergleicht. Die reine Deskription kann hier zwar Wissen erweitern, berechtigt aber nicht zu Bewertungen über die Rolle von Mevius in seiner Zeit. Hier gibt es verschiedene Lösungswege. Stephan Buchholz greift zwei Detailprobleme heraus, nämlich Einschränkungen der Vindikationsklage und formlose Grundpfandrechte. Vor allem im ersten Teil zeigt sich, wie Mevius in seinem Kommentar zum Lübischen Recht den im Statutarrecht gar nicht erwähnten guten Glauben des Erwerbers einführt, um die Herausgabe auszuschließen. Ob man Mevius deswegen zum Urheber der heutigen §§ 932ff. BGB erklären muss (S. 77), mag dahinstehen. Das Beispiel, das teilweise auf den Ergebnissen einer Monographie von Hinz von 1991 aufbaut, zeigt aber, welch enorme Anstrengungen nötig sein werden, um die privatrechtliche Dogmatik des Usus modernus auch nur annäherungsweise näher aufzuhellen. Etwas einfacher haben es da Oliver Schihin und Marion Wiese, die beide auf der Grundlage eigener Qualifikationsschriften das Problem der Leibeigenschaft in Mevius’ deutschsprachiger Abhandlung über die Bauersleute aufbereiten, ein Thema, über das auch andere in den vergangenen Jahren schon gearbeitet haben. Erfreulich für den Leser sind vor allem die unterschiedlichen Wertungen, eher Skepsis beim Historiker, dagegen positive Würdigung durch die Rechtshistorikerin, die zur weiteren Beschäftigung mit der Materie anregen. Handfest geht dagegen Hans-Georg Knothe vor, der sich bei seinen Überlegungen zum Entwurf eines Mecklenburgischen Landrechts im wesentlichen mit einer Inhaltsangabe begnügt. Dogmengeschichtlich interessiert ist Christoph Schmelz, der Mevius’ Kommentar über wucherische Verträge mit § 138 Abs. 2 BGB vergleicht. Wenn man im Hinblick auf Mevius von einer „materialen Vertragsethik sozialer Verantwortung“ spricht (S. 155), deutet man aber wohl zu viel Modernität ins 17. Jahrhundert hinein. Eher dem äußeren Wirken von Mevius wendet sich Kjell Modéer in seinem zweiten Beitrag zu, der die Bibliothek des Wismarer Tribunals behandelt, die offenbar in ihrem Grundstock auf der von David Mevius hinterlassenen Privatbibliothek beruhte.

 

Der mit Memoria überschriebene dritte Teil des Bandes wartet mit einer Überraschung auf. Die Lebensbeschreibung von Mevius, die 1770 zu seinem 100. Todestag der Großneffe Augustin von Balthasar, ebenfalls Tribunalsassessor, verfasste, wird hier in der deutschen Übersetzung von Walter Jarecki erstmals einem größeren Leserkreis zugänglich gemacht. Noch besser wäre freilich ein zweisprachiger Abdruck oder zumindest eine kommentierte Edition gewesen. Gewisse Vorsicht vor frühneuzeitlichen Nachrufen ist jedenfalls angebracht, wie Nils Jörn überzeugend anhand der Leichenpredigt zeigen kann. Die typisierten protestantischen Erinnerungen enthalten viele feste, immer wiederkehrende Bausteine, die über den Verstorbenen oft nur wenig aussagen. Während der Versuch, die Heraldik des Mevius’schen Wappens zu deuten, eher bescheidenen Ertrag abwirft, ist der Brückenschlag zur Kunstgeschichte glänzend gelungen. Detlef Witt analysiert mit großer Sachkenntnis das Wismarer Mevius-Epitaph und kann vor allem das Schicksal des Kunstwerks wie auch der Wismarer Kirchen im 20. Jahrhundert eindrucksvoll nachzeichnen.

 

Der Tagungsband, vielleicht auch die Schriftenreihe insgesamt, wird das Interesse an Mevius hoffentlich erhöhen. Zu fragen wird sein, ob man angesichts eines vergleichsweise engen Themenfeldes dauerhaft Forscher in ausreichender Zahl gewinnt, die bereits sind, sich über einen längeren Zeitraum mit Mevius zu beschäftigen und regelmäßig hierzu zu veröffentlichen. Auch bleibt abzuwarten, ob man den europäischen Rang von Mevius, den der Untertitel verheißt, auch über den naheliegenden Schwedenbezug hinaus belegen kann.

 

Münster                                                                                                         Peter Oestmann