Cooper, Alan, Bridges, Law and Power in Medieval England, 700-1400. Boydell & Brewer. Woodbridge/Suffolk 2006. XII, 185 S. Besprochen von Susanne Jenks.

 

Zentrales Thema dieses aus einer Harvard Dissertation von 1998 hervorgegangenen Buches ist die Finanzierung von Brückenbau und Brückenunterhaltung, das überwiegend aufgrund der Sekundärliteratur und gedruckter Quellen für einen Zeitraum von 700 Jahren analysiert wird. Nach einer knapp gefassten Literaturübersicht und Einführung in die Fragestellung beschäftigt sich das erste Kapitel (Bridge-work, but No Bridges: St Boniface and the Origins of the Common Burdens) mit einem vermeintlichen Paradox: obwohl es allem Anschein nach bis zum 10. Jahrhundert nur wenige Brücken in England gab, bestand dennoch zunächst offenbar eine allgemeine Verpflichtung, Brücken zu bauen. Diese Auflage, Teil der common burdens (trinoda necessitas), ist erstmalig in einer 749 auf der Synode von Gumley ausgestellten Urkunde nachzuweisen, mit der König Ethelbald Kirchenland von allen Abgaben und Leistungen befreite (allerdings nur für die Dauer seines Lebens, was Cooper nicht erwähnt); allein Brückenbau und Burgenverteidigung gegen Feinde waren ausgenommen (wenn ein königliches Edikt und Gemeinnützigkeit vorlagen, was ebenso unerwähnt bleibt). Dies wird als Zugeständnis gegenüber der Kirche gewertet, die eine klare Abgrenzung zwischen weltlicher und kirchlicher Sphäre wünschte. Beide Ausnahmen wurden zudem nach Cooper auf Drängen des Heiligen Bonifaz in die Urkunde aufgenommen, damit dieser seine Vorstellungen von Kirchenreform durchsetzen konnte (S. 29-30). Die Brückenbau-Verpflichtung war bis 871 allerdings zunächst mehr symbolischer Natur und wurde erst später (871-975) tatsächlich nachdrücklich eingefordert und auf die Reparatur von Brücken ausgedehnt, weil dies zur Landesverteidigung notwendig war. Bridge-work wurde dann in Friedenszeiten zum wesentlichen Bestandteil der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung: sie war eine gemeinsam zu erbringende Aufgabe, der sich niemand entziehen konnte (Kapitel 2: Viking Wars, Public Peace: The Evolution of Bridge-work). Als nach der normannischen Eroberung Englands Ausnahmen gemacht wurden, war das Ende eingeläutet (Kapitel 3: As Free as the King Could Grant: The End of Communal Bridge-work): aus einer gemeinschaftlichen, unumgänglichen Pflicht wurde eine dem König geschuldete Leistung, die dieser erlassen konnte. Zwar wurden weiterhin Brücken gebaut, doch fühlte sich offenbar niemand für deren Unterhalt zuständig. Dieses Problem versuchte man vom 12. Jahrhundert bis c. 1400 durch Einforderung von Verpflichtungen, durch die Sammlung von Spenden und durch die Einführung von Brückenzöllen zu lösen, was allerdings nur bedingt gelang (Kapitel 4: Three Solutions).

 

Bridge-work ist somit der rote Faden, der sich durch die vier Hauptkapitel des Buches zieht. Fünf Prinzipien werden dem Leser erkennbar: 1) Wer Brücken baute, war für deren Unterhalt verantwortlich; es sei denn, der Bau beruhte auf Wohltätigkeit. 2) Wer Brücken unterhielt, musste dies stets tun; es sei denn, er tat es ursprünglich nur aus Wohltätigkeit. 3) Wer Brücken zu unterhalten hatte, brauchte sie nicht zu erweitern oder anderweitig zu verbessern; es sei denn, das eigene Handeln machte eine Verbesserung der Brücke notwendig. 4) Wenn Brücken an einen anderen Ort verlegt wurden, endete die alte Verpflichtung. 5) Zum Brückenbau konnte nur verpflichtet werden, wer Brückenbau schon immer tun musste (Magna Carta § 23).

 

Zusätzlich enthalten die ersten beiden Kapitel noch Exkurse, die jedoch an diesen Stellen etwas deplaziert wirken: So wird im ersten Teil, der sich eigentlich mit der frühen angelsächsischen Zeit beschäftigt, auch ein Überblick über die Geschichte des Brückenbaus bis zum Hochmittelalter präsentiert: gab es anfänglich nur sehr wenige Brücken, änderte sich dies von 900 bis 1200 (great period of the building of bridges), da aufgrund von Veränderungen der Flusslandschaft (durch Abholzung sowie Begradigung und Ableitung von Flüssen) und der Transportmittel (Übergang von Lasttieren zu Ochsenkarren und Pferdewagen) viele Furten unpassierbar wurden und durch Brücken ersetzt wurden. Im zweiten Kapitel wird kurz der Sinn und Zweck der Brückenbau-Verpflichtung in Form einer Auseinandersetzung mit den in der Literatur kursierenden Theorien angesprochen, ohne allerdings eine konkrete Antwort auf diese Frage zu geben. Zudem wird – diesmal losgelöst von den anderen common burdens – nochmals auf den Ursprung der bridge-work eingegangen in Zusammenhang mit sechs so genannten county bridges. Gelegentlich werden darüber hinaus in verschiedenen Kapiteln Parallelen zur Geschichte der Straßen und Wege gezogen, und zwar mit dem Argument, dass ansonsten die Geschichte der Brücken nicht korrekt erfasst werden kann. Da stellt sich aber dann doch die Frage, wieso dieses Thema nicht gleich auch in diesem Buch (wie in der unveröffentlichten Dissertation Obligation and Jurisdiction: Roads and Bridges in Medieval England c. 700-1300) mitbehandelt wurde.

 

Die Ergebnisse werden kurz auf zweieinhalb Seiten zusammenfasst. Es folgen zwei Anhänge mit dem Text der Urkunde von 749 (mit englischer Übersetzung) und einer tabellarischen Auflistung der Brückenzölle von 1228 bis 1400 auf der Grundlage der Calendar of Patent Rolls sowie ein Index.

 

Der Schwerpunkt des Buches liegt eindeutig auf der Frühzeit, für die es verhältnismäßig wenig Dokumente gibt. Für das Hoch- und Spätmittelalter wird leider überwiegend auf gedruckte Quellen zurückgegriffen. Allerdings hat es zumindest den Anschein, dass das unveröffentlichte Material auch nicht viel zum Thema hergibt: von den sieben in der Bibliographie  erwähnten Quellengattungen (wobei der Hinweis gestattet sei, dass das Archiv schon seit geraumer Zeit nicht mehr PRO, sondern TNA heißt und man mit dem Nachweis KB kaum etwas anfangen kann, da es eine Reihe von Quellen unter diesem Kürzel gibt) erscheinen nur vier in den Fußnoten. Am ausführlichsten wird aus den C 66 (Patent Rolls) zitiert, während nur je ein Beleg aus den E 101 (Miscellaneous Accounts), JUST 1 (Eyre Rolls) und KB 27 (King's Bench Plea Rolls) stammt. Da der Autor nicht näher auf seine Quellen eingeht, weiß man nicht, ob die aufgeführten Archivalien überhaupt systematisch durchgesehen wurden oder eventuell nur Hinweisen nachgegangen wurde, die in der Literatur zu finden waren.

 

Überraschend ist, dass mitunter aufgrund einer einzigen Quelle weitreichende Aussagen getroffen werden. So zeigt zum Beispiel ein Fall aus dem Jahr 1318 wie „bridge-work was established by precedent and by litigation from the thirteenth century on“ (S. 83). Andere Quellen werden meiner Ansicht nach falsch interpretiert: Britton, Band 1, S. 78f. zeigt nämlich keineswegs, dass die bridge-work Verpflichtung in einem zweistufigen Prozess eingefordert wurde, wobei zunächst bestimmte Landbesitzer und danach andere Personen in die Pflicht genommen wurden (S. 83-84), sondern unterscheidet vielmehr zwischen Kronlehensträgern (tenants-in-chief), deren Land eingezogen, und anderen Landbesitzern, deren Fahrnis beschlagnahmt werden sollte, falls die Pflicht nicht erfüllt wurde. Auch werden Belege unterschiedlich interpretiert: So ist die Verpflichtung zum Brückenbau sowohl sporadisch (in der frühen angelsächsischen Zeit: S. 8; nach 749 für die nächsten 100 Jahre: S. 37) als auch oft (in den Urkunden des 8. und 9. Jahrhunderts: S. 37) bzw. in vielen Urkunden (vom 8. Jahrhundert an: S. 8) enthalten, während zugleich viele Urkunden aus dem 9. Jahrhundert „…. confer general immunity, presumably including freedom from the common burdens“ (S. 38). Weil für den Unterhalt von sechs aus der Römerzeit stammenden wichtigen Brücken (in Rochester, Chester, London, Huntingdon, Nottingham und Cambridge) eine ganze Grafschaft aufkommen musste, schließt Cooper auf einen angelsächsischen Ursprung der Brückenbau-Verpflichtung (S. 57), was nicht ganz nachzuvollziehen ist, zumal im ersten Kapitel auch noch argumentiert wurde, dass bridge-work „in its English origins an alien introduction“ war, „taken directly both from Francia and the archives of the see of Rome“ und eingeführt in England „through St Boniface as a means to place a strict definition on the sacred and profane spheres“ (S. 29-30). Charity wird sowohl als Möglichkeit aufgeführt, eine Verpflichtung zu begründen (durch zweckgebundene Schenkung, S. 94; aber vgl. S. 97: „general belief that obligations could not be created“) als auch eine Verpflichtung zu beenden (S. 95, wobei allerdings überhaupt nicht belegt wird, dass eine solche Verpflichtung jemals Bestand hatte) bzw. eine Verpflichtung zu ersetzen (S. 106ff). Zurück bleibt ein leicht verwirrter Leser.

 

Fürth                                                                                                                         Susanne Jenks