Christian Thomasius (1655-1728) – Wegbereiter moderner Rechtskultur und Juristenausbildung. Rechtswissenschaftliches Symposion zu seinem 350. Geburtstag an der juristischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, hg. v. Lück, Heiner. Olms, Hildesheim 2006. 435 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Im Jahre 2005 jährte sich die Geburt des in Leipzig am 1. Januar 1655 als Sohn eines Professors der Eloquenz geborenen, nach dem Studium der Philosophie und des Rechts in Leipzig und Frankfurt an der Oder (Stryk) an seine Heimatuniversität zurückgelangten Christian Thomasius zum 350. Mal. Im gleichen Jahr konnte Rolf Lieberwirth, einer der bekanntesten Thomasiusforscher seinen 85. Geburtstag begehen. Beides wurde zum Anlass genommen, vom 20. bis 23. Januar in Halle eine wissenschaftliche Konferenz über Christian Thomasius abzuhalten, deren insgesamt 19 Referate im vorliegenden Sammelband von Heiner Lück herausgegeben sind.

 

In die Thematik führt der Herausgeber selbst zu Beginn des mit einem farbigen Bildnis des blühenden Thomasius geschmückten Werkes ein. Dabei beschreibt er zunächst die recht gut bestellten Felder der Thomasius-Forschung und die dadurch entstehende Zielsetzung eines betont rechtswissenschaftlichen Kontextes mit seiner fünfteiligen Gliederung. Als Christian-Thomasius-Stätten hebt er den Stadtgottesacker, das Fakultätsgebäude Thomasianum, das Löwengebäude, das Landgericht, die Thomasiusstraße, zwei Hallenser Porträts und das ehemalige Wohnhaus und das der Universität zur Verfügung gestellte Waagegebäude hervor.

 

Der erste Themenkomplex sieht Christian Thomasius im Licht der Philosophie bzw. Rechtsphilosophie. Dabei fragt etwa Marcel Senn mit Susanne Raas, ob Thomasius ein Spinozist war. Klaus-Gert Lutterbach richtet das Licht auf die neukantianische Rechtsphilosophie Gustav Radbruchs und Joachim Renzikowski untersucht die Notstandslehre des Thomasius.

 

Im zweiten Themenkomplex geht es um Fürstenrecht und Kirchenrecht. Dabei fragt Stephan Buchholz nach der Toleranz im Fürstenrecht in theologischen Streitigkeiten, während Heinrich de Wall Staat und Staatskirche als Garanten der Toleranz bestimmt. Michael Germann führt in die Cautelen des Thomasius ein, welche ein Rechtsstudent, der sich auf die Erlernung der Kirchenrechtsgelehrtheit sachgerecht vorbereiten will, beobachten muss.

 

Dem Verhältnis zwischen Juristenausbildung und Philosophie widmen sich zwei Beiträge. Frank Grunert – der Jurist als Philosoph – bezieht Stellung zur Disziplinendifferenzierung und Disziplineninterferenz bei Thomasius. Friedrich Vollhardt findet Abwege und Mittelstraßen in den höchstnötigen Cautelen zur Erlernung der Rechtsgelehrtheit.

 

Dicht besetzt ist das Verhältnis von Gesetzgebung und Rechtspraxis. Falk Hess behandelt einige Rechtsgutachten, Heinz Mohnhaupt Gesetz und Gesetzgebung im Rahmen einer zu konkretisierenden Rechtsquellenordnung bei Thomasius, Andreas Thier die Gesetzgebungslehre des Thomasius zwischen aristotelisch-scholastischen Traditionen und Aufklärung. Eva Schumann geht auf Thomasius’ Disputation von der Kebs-Ehe aus dem Jahre 1714 ein, während Bernd-Rüdiger Kern die Beziehung des Thomasius zum deutschen Privatrecht umsichtig beleuchtet.

 

Der fünfte Themenkomplex hat Christian Thomasius und das moderne Recht zum Gegenstand. In diesem Zusammenhang schildert Günter Jerouschek als Arbeit am Mythos die Verbindung zwischen Thomasius und der Gründung der Universität Halle, während Wladimir Abaschnick aus Charkow Thomasius im Rechtsdenken Russlands und der Ukraine verfolgt. Michael Kilian zieht Verbindungslinien von Thomasius zum modernen Völkerrecht und Georg Steinberg sucht und findet positives Recht im Naturrecht des Thomasius.

 

Im Anhang bietet Frank Grunert eine ältere Bibliographien ergänzende und weiterführende Bibliographie der Thomasius-Literatur zwischen 2002 und 2005. Heiner Lück setzt das Schriftenverzeichnis seines Lehrers Rolf Lieberwirths fort. Drei Verzeichnisse runden den vielseitigen und ertragreichen Jubiläumsband ab.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler