Bandilla, Kai, Urheberrecht im Kaiserreich. Der Weg zum Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst vom 19. Juni 1901 (= Rechtshistorische Reihe 308). Lang, Frankfurt am Main 2005. 200 S. Besprochen von Gerhard Köbler

 

Die Arbeit ist die im Sommersemester 2004 von der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Saarbrücken angenommene, von Elmar Wadle angeregte und betreute Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich in eine kurze Einführung und sechs chronologisch geordnete Kapitel. Ihr geht es um die bislang wenig beachteten, auch von Martin Vogel nur auf wenigen Seiten angerissenen Wirkungszusammenhänge, die zum Erlass des Literatururhebergesetzes von 1901 geführt haben.

 

Dabei stellt der Verfasser nicht die kritische Auseinandersetzung mit den dogmatischen Ansätzen in den Vordergrund. Ebenso wenig untersucht er die Regelungen des Gesetzes nach dem heutigen Stand der Rechtslehre. Vielmehr will er den Entstehungsvorgang erhellen, um die Gründe zu erklären und das Gesetz in einen Zusammenhang mit der allgemeinen Entwicklung des Urheberrechts in Lehre und Rechtsprechung des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu setzen.

 

Das erste Kapitel betrifft den Weg zum Urheberrechtsgesetz vom 11. Juni 1870, der davon ausgeht, dass trotz des bereits im Altertum hoch entwickelten Schriftwesens das Geisteswerk lange Zeit nicht rechtlich als selbständiger, vom Überlieferungsmaterial unabhängiger Gegenstand anerkannt wurde, dass seit der Erfindung des Buchdrucks herrschaftliche Privilegien aus wirtschaftspolitischen und später auch zensurpolizeilichen Gründen den Nachdruck eines privilegierten Werkes durch Nichtprivilegierte für bestimmte Zeiten und gewisse Gebiete unter Androhung von Nachteilen untersagten und dass im Laufe des 18. Jahrhunderts unabhängig von der Stellung des Verlegers ein Recht des Urhebers an seinem Werk als ein naturrechtlich hergeleitetes geistiges Eigentum ausgestaltet und gegen Ende des 18. Jahrhunderts der Nachdruck als moralisch verwerflich eingestuft wurde. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts findet der Verfasser eine Vielzahl diffuser Ansichten zu Rechtfertigung und Inhalt des Urheberrechts, wobei die begriffliche Nähe des geistigen Eigentums zum römischrechtlichen Sacheigentumsbegriff eine tiefere dogmatische Durchdringung des Wesens des Urheberrechts eher erschwerte als erleichterte. Das herkömmliche Privileg widersprach im 19. Jahrhundert dem sich durchsetzenden politischen und wirtschaftlichen Liberalismus zutiefst.

 

Immanuel Kant, Leopold Josef Neustetel (1824) und Johann Kaspar Bluntschli (1854/1854) begründeten demgegenüber die neue Vorstellung vom Urheberrecht als eines persönlichen Rechts eigener Art, die Georg Beseler, Felix Dahn, Karl Gareis und Otto von Gierke festigten. Daneben erreichten die Deputierten der deutschen Buchhändler, dass in Artikel 18d der Deutschen Bundesakte von 1815 die Formulierung aufgenommen wurde, dass die Bundesglieder sich bei der ersten Zusammenkunft der Bundesversammlung in Frankfurt mit der Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck beschäftigen würden. Obgleich diese Planung nicht unmittelbar umgesetzt wurde, beschloss die Bundesversammlung immerhin 1832 auf Antrag Preußens die bundesweite Gleichstellung eigener und fremder Untertanen bezüglich der Autorenrechte und 1835 ein allgemeines deutsches Nachdruckverbot, während der erste Entwurf eines bundeseinheitlichen Gesetzes durch den Börsenverein deutscher Buchhändler von 1834 zunächst unverwertet liegen blieb..

 

Darüber hinausgehend schützte Preußen 1837 Schriftwerke, musikalische Kompositionen und Kunstwerke 30 Jahre über den Tod des Autors hinaus nicht nur gegen Nachdruck, sondern auch gegen Verletzungen des Veröffentlichungsrechts, des Bearbeitungsrechts und des öffentlichen Wiedergaberechts musikalischer und dramatischer Werke. Dem folgten andere Staaten. Preußen fügte 1841 Aufführungsrechte hinzu, verlängerte die Schutzfrist ab dem Tode des Schöpfers 1845 auf 30 Jahre und schloss 1846 mit Großbritannien einen Vertrag zum gegenseitigen Schutz der Autorenrechte.

 

Nach weiteren, vom Verfasser sorgfältig geschilderten Verhandlungen beschloss der Reichstag des Norddeutschen Bundes am 11. Juni 1870 das Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken zum 1. Januar 1871. Gemäß Art. 2 der Verfassung des 1871 gegründeten deutschen Reiches vom 16. April 1871 war dieses Gesetz Reichsgesetz. In ihm waren Werke der bildenden Künste und der Photographie wegen erheblicher, während des Gesetzgebungsverfahrens erhobener Bedenken nicht enthalten.

 

Wichtigstes Ziel des Gesetzes war die Herstellung der deutschen Rechtseinheit auf dem Gebiet des Büchernachdrucks. Eine theoretische Neuorientierung war nicht angestrebt, weshalb die Motive die Kontinuität zu bestehenden Regelungen und zu Entwürfen von 1857 und 1864 hervorhoben. Den Inhalt des Gesetzes stellt der Verfasser auf dieser Grundlage ausführlich dar.

 

Danach schildert er umsichtig den Reformbedarf, der sich aus der Industrialisierung, aus der Internationalisierung des Urheberrechts, aus der Entwicklung der Rechtsprechung und aus dem Verständnis des Urheberrechts als Persönlichkeitsrecht (Gareis, Gierke) bzw. als Immaterialgüterrecht (Kohler) ergab. Es folgen im dritten Kapitel der mit dem Ruf nach Reformen beginnende Anfang der Reformarbeiten mit Gesetzesentwürfen des Reichsjustizamts, des deutschen Schriftstellerverbandes und des Börsenvereins deutschen Buchhandels und im vierten Kapitel die Vorbereitungen für den einzelne Regelungen und viele Formulierungen abändernden Entwurf des Reichsjustizamts von 1899. Den Beschluss bilden die Verabschiedung des in den Grundzügen mit dem Vorgänger des Jahres 1870 übereinstimmenden, ebenfalls keine dogmatische Neuorientierung anstrebenden Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst vom 19. Juni 1901 mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Neuerungen und einem Ausblick.

 

Das Literaturverzeichnis listet die berücksichtigten Archivalien (Reichsjustizamt, Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Archivsignatur R 3001, Nr. 6349-6355, Nr. 6395) und gedruckten Quellen sowie das verwertete Schrifttum (mit nicht immer den neuesten Auflagen) auf. Im Anhang wird der Entwurf des Reichsjustizamts vom Juni 1898 (BArch, R 3001/6351, Bl. 111-124 abgedruckt. Ein Namensverzeichnis enthält die Namen der wichtigsten Akteure dieses sorgfältig und detailliert geschilderten, schwierigen Ringens um ein modernes befriedigendes Urheberrecht im zweiten deutschen Reich.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler