Ribalta i Haro, Jaume, Dret urbanístic medieval de la mediterrània (= Colleció d’estudis d’història del dret 1 = Memòries de la Secció Històrico-arqueològica 66). Universitat Pompeu Fabra – Institut d’Estudis Catalans, Barcelona 2005. 309 S. Besprochen von Filippo Ranieri.

 

Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine historische und rechtshistorische Monographie, die im Rahmen des ständigen rechtshistorischen interuniversitären Seminars der katalanischen Universitäten entstanden ist. Die Arbeit wird eingeleitet durch ein Vorwort von Tomàs de Montagut, Ordinarius für Rechtsgeschichte und Geschichte der Institutionen an der Universität Pompeu Fabra in Barcelona. Die Grundthese der Untersuchung lässt sich mit wenigen Worten zusammenfassen. Im Vordergrund des Interesses des Verfassers steht die Entwicklung des Nachbarrechts, und hier insbesondere der baurechtlichen Vorschriften bei der städtischen Gesetzgebung in Barcelona und darüber hinaus im Mittelmeerraum. Man möge hier erwähnen, dass die katalanischen Rechtshistoriker gerade im Nachbarrecht eine aktuelle Verbindung zur neueren Kodifikation des Privatrechts Kataloniens sehen. Darin verwirklicht man zugleich das Anliegen, katalanische Rechtsgeschichte und das moderne Zivilrecht Kataloniens zu verbinden (vgl. vom Verfasser, Nuisance and Negatory Action in Catalonia: a Historical and Comparative Reading of a Process of Legislative Modernisation, in: Zeit. für Europäisches Privatrecht 2003, S. 295–317). Der Verfasser ist überzeugt, dass gewisse strukturelle Verbindungen und Ähnlichkeiten zwischen den mittelalterlichen katalanischen Rechtsgewohnheiten aus Barcelona und den byzantinischen Rechtsquellen nachweisbar sind. In einem ersten Abschnitt werden die baurechtlichen Vorschriften kurz geschildert, die aus der Überlieferung der römischen Quellen zu gewinnen sind, hier insbesondere die Daten, die die römischrechtlichen Quellen zu den Aktivitäten der Agrimensoren überliefert haben. Anschließend wird der Einfluss dieser römischen Quellenüberlieferung auf die zwei frühmittelalterlichen Rechtstexte analysiert, die der Verfasser seiner Untersuchung zugrunde gelegt hat. Es handelt sich zum einen um einen byzantinischen Rechtstext, worüber in Hexabiblos des Harmenopolus berichtet wird: „Formae praefecti praetorio ab Ascalonita Iuliano architecto collectae ex legibus aut moribus Palaestinae“ [Hexa. 2. 4. 12, ed. Heimbach, 238-239]. Über das Werk von Julius aus Ascalon und dessen Quellen existiert bereits eine reichhaltige byzantinistische Literatur, welche der Verfasser umfassend und sorgfältig herangezogen hat (für Literaturhinweise vgl. S. 27 Anm. 9-10; vgl. insbes. Catherine Saliou, Le traité d’urbanisme de Julien d’Ascalon. Droit et architecture en Palestine au VIe siècle, Paris 1996). Bei der zweiten mittelalterlichen Rechtsquelle handelt es sich um die „Ordinacions d’en Sanctacília“. Sie sind eine mittelalterliche  Aufzeichnung von Gewohnheitsregeln der Stadt Barcelona aus der Mitte des XIV Jahrhunderts (bibliogr. Hinweise S. 33, Anm. 20), welche später in die katalanischen Rechtskompilationen von 1495-1704 eingeflossen sind. Der Verfasser analysiert nun (S. 106ff.) einige Aspekte der nachbarrechtlichen Bestimmungen in beiden Rechtstexten, um strukturelle Ähnlichkeiten aufzuspüren. Er glaubt in der Tat, Derartiges feststellen zu können. In einem fünften Abschnitt (S. 167ff.) wird anschließend die Frage aufgeworfen, ob es Verbindungen zwischen dem mittelalterlichen Recht Kataloniens und Byzanz gegeben hat. Beweise hierfür kann der Verfasser nicht anführen. Er spricht selbst von einer „probatio diabolica“ (S. 167). Der Rezensent ist zwar kein Spezialist der Materie, bleibt jedoch skeptisch. Möglicherweise ist für eine solche Grundannahme das herangezogene Quellenmaterial einfach zu dünn. Als Arbeitshypothese könnte man durchaus die Frage aufwerfen, ob es bei der frühmittelalterlichen Entstehung von urbanen Zentren an den Hafenstädten im Mittelmeerraum nicht gegenseitige Einflüsse, gerade was die Bewältigung und Regelungen von baurechtlichen Problemen und Nachbarbeziehungen angeht, gegeben habe. In dieser Hinsicht ist die Fragestellung des Verfassers sicher interessant. Zu berücksichtigen wäre allerdings dann vor allem auch die statutarische mittelalterliche Gesetzgebung der italienischen Hafenstädte oder der Hafenansiedlungen der Kreuzfahrer in Palästina in jenen Jahrzehnten. Die Stadt Barcelona ist in diesem Zusammenhang nur ein von vielen anderen, u. U. sogar weit bedeutsameren, Beispielen. Der Verfasser hat eine geradezu beeindruckende Masse an Sekundärliteratur bearbeitet (vgl. für die Bibliographie S. 227-265). Die Fußnoten nehmen in ihrem Umfang etwa zwei Drittel des gesamten Buchs ein. Sie beanspruchen zum Teil volle Seiten (vgl. S. 82-95), die praktisch ausschließlich aus einer einzigen Fußnote bestehen. Das erleichtert die Lektüre ebensowenig wie die offenbar so gezielt gewollte Verwendung der katalanischen Sprache. Ein Sachregister fehlt. Für den Spezialisten der frühmittelalterlichen Geschichte und Rechtsgeschichte des Mittelmeerraums ist das Buch dennoch recht interessant und enthält eine Vielzahl von Informationen und Hinweisen.

 

Saarbrücken                                                                                       Filippo Ranieri