Redecker, Niels von, Die polnischen Vertreibungsdekrete und die offenen Vermögensfragen zwischen Deutschland und Polen (= Studien des Instituts für Ostrecht 44), 2. Auflage. Lang, Frankfurt am Main 2004. 129 S. Besprochen von Dieter Kugelmann.

 

Das Buch beschäftigt sich mit mehreren Aspekten, die im deutsch-polnischen Verhältnis von Bedeutung sind und daher in einem losen politischen Zusammenhang zueinander stehen. Der Verfasser, der einige Jahre im Institut für Ostrecht zuständiger Referent für Polen war, scheut sich dabei nicht, heiße Eisen anzupacken. Er geht der Frage nach, welche der Dekrete, die Polen ab 1944 im Hinblick auf die deutsche bzw. deutschstämmige Bevölkerung erlassen hat, heute noch in Geltung sind. Auf dieser Grundlage untersucht von Redecker die offenen Vermögensfragen im Verhältnis deutscher Staatsangehöriger zu Polen und die Erfolgsaussichten jüdischer Restitutionsklagen nach polnischem Landesrecht. Die Zusammenstellung der von der polnischen Regierung erlassenen Dekrete und Gesetz in diesem Kontext ist äußerst verdienstvoll. Die nach polnischer Rechtslage noch in Kraft befindlichen neun Dekrete und Gesetze sind in deutscher Übersetzung im Anhang abgedruckt.

 

Zunächst geht von Redecker auf die polnische Rechtslage ein, sein Ausgangspunkt ist das polnische Recht. Jedes Dekret wird unter den Vorzeichen seines Inhalts, seiner heutigen Rechtswirkung und des Vorliegens einer ethnischen Diskriminierung untersucht. Diese historischen Dokumente entfalten überwiegend keine Wirkungen im polnischen Rechtsstaat des 21. Jahrhunderts, auch wenn sie nicht formell aufgehoben sind. Der Verfasser geht dann zu dem Thema des Erwerbs von Grundstücken durch Deutsche in Polen über und stellt schon für die Rechtslage vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union klar, dass ein Grundstückserwerb aufgrund der Vertragsfreiheit ohne weiteres möglich ist. Er stellt die These auf, deutsche Vertriebene könnten die Restitution von Grundstücken mit Erfolgsaussichten vor den polnischen Gerichten betreiben. Auch Restitutionsklagen jüdischer Grundeigentümer, die Eigentum in den Ostgebieten des Deutschen Reiches verloren haben, hätten Aussicht auf Erfolg. Dies folge aus dem polnischen Recht. Allerdings hat das polnische Hauptverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Legalenteignungen festgestellt und damit der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen jüdischer Grundeigentümer den Boden entzogen.

 

Die Argumentation von Redeckers beruht ausschließlich auf dem polnischen Landesrecht. Da er die völkerrechtliche Seite ausblendet, sind Rechte deutscher Staatsangehöriger gegen die bundesdeutsche Regierung auf ein Geltendmachen von Ansprüchen im Verhältnis zu Polen nicht Gegenstand der Arbeit. Solche Rechte, die in einen Entschädigungsanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland münden könnten, sind im Ergebnis ohnehin abzulehnen. Umstritten ist die rechtliche Einordnung von Erklärungen der Bundesregierung darüber, Ansprüche auf Entschädigung gegen Polen nicht geltend zu machen. Diese Erklärung wird in einem deutsch-polnischen Gutachten als völkerrechtlich bindende einseitige Erklärung bewertet, während andere Stimmen dies verneinen. Angesichts der politischen Rahmenbedingungen kommt ein Vorgehen der Bundesregierung insoweit nicht in Betracht. Daher unternimmt von Redecker den Versuch, betroffenen Anspruchstellern den innerstaatlichen polnischen Rechtsweg nahe zu legen. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob dies rechtlich tragfähig ist. Das innerstaatliche Recht kann grundsätzlich Entschädigungsansprüche, die sich auf Enteignungen in der Folge des zweiten Weltkrieges beziehen, ausschließen. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2005 im Hinblick auf Regelungen über die Bodenreform auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik entschieden, die der Einigungsvertrag von 1990 traf. Letztlich sollten die Mitglieder deutscher Vertriebenenverbände besser Grundstücke in Polen kaufen, als mit minimalen Erfolgsaussichten vor Gericht Entschädigung erstreiten zu wollen.

 

Mainz                                                                                                            Dieter Kugelmann