Obladen, Margret, Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau. Die güterrechtliche Absicherung der Ehefrau in der Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs (= Diss. jur. Freiburg im Breisgau 2004/2005 = Freiburger rechtsgeschichtliche Abhandlungen Neue Folge 48). Duncker & Humblot, Berlin 2005. 235 S. Besprochen von Reinhard Schartl.

 

Im Zuge der Ostsiedlung etablierte sich im westlichen Polen deutsches Recht. Kasimir III., genannt der Große, gründete 1356 oder in den folgenden Jahren auf der Burg der damaligen polnischen Königsresidenz Krakau einen Oberhof für deutsches Recht, um die Rechtseinholung durch polnische Gerichte in Magdeburg zu unterbinden. Der Oberhof bestand aus einem auf Lebenszeit bestellten Vogt sowie aus sieben Schöffen, die selbst Vögte und Schulzen des Krakauer Umlandes waren und im anzuwendenden Magdeburger Recht bewandert sein sollten. Zur Rechtsfindung stand den Schöffen das von Kasimir III. veranlasste Rechtsbuch Jus Saxonixum Magdeburgense zur Verfügung. In der von Karin Nehlsen-von Stryk betreuten Freiburger Dissertation befasst sich die Autorin als Beitrag zur Erforschung der Frauengeschichte mit der Stellung der Witwe im Ehegüterrecht. Für ihre Untersuchung wertete sie die wenige Jahre zuvor edierten Urteile und Rechtsweisungen des Oberhofs der Jahre 1456 bis 1481 aus. Die insgesamt 1629 Sprüche dieses Zeitraums sind noch überwiegend lateinisch verfasst.

 

Die besprochene Untersuchung würdigt eingangs die rechtshistorische Entwicklung, die ihren Schwerpunkt im 19. Jahrhundert mit den Werken von Martitzs, Agricolas und Richard Schröders zum sächsischen ehelichen Güterrecht hatte, denen im 20. Jahrhundert einige kürzere Abhandlungen folgten. Obladen unterzieht diese Arbeiten einer Methodenkritik, wobei sie vor allem den Versuch verwirft, das mittelalterliche Recht nach einem anachronistischen Pandektenmodell darzustellen. Folgerichtig strebt die Autorin nicht an, ein dogmatisches System des Ehegüterrechts zu finden, sondern die Quellen aus sich heraus zu interpretieren. Dabei geht sie jeweils vom sächsischen Recht (Sachsenspiegel, Weichbildrecht, einzelne Stadtrechten) und vom Magdeburger Recht aus.

 

Im Hauptteil wendet sich die Arbeit der Spruchpraxis des Krakauer Oberhofs zum Erbrecht und Güterrecht der Ehegatten zu. Ausgangspunkt ist die Grundregel, dass der Erblasser von seinen nächsten Verwandten, nicht jedoch vom überlebenden Ehegatten beerbt wurde. Als Besonderheit allerdings stellt die Verfasserin anhand eines Krakauer Oberhofspruches fest, dass durch gemeinsame Arbeit gewonnene bewegliche Güter abweichend vom Magdeburger Recht der Witwe zufielen. Nach dem Tod eines gemeinsamen Kindes erbte die Mutter ebenso wie nach dem Sachsenspiegel erst, wenn ihr Mann bereits vorverstorben war. Die Verfasserin zieht daraus die Folgerung, dass die Frau in dieser Konstellation ihren Mann auf dem Umweg über ihre Kinder beerbte. Im Unterschied zum Sachsenspiegel, aber wie im Magdeburger Recht erbten Söhne und Töchter gleichberechtigt. Obladen resümiert, dass nicht erbrechtliche Regeln der Absicherung der Witwe dienten, sondern ehegüterrechtliche Gewohnheiten (namentlich die Gerade) und Vereinbarungen, ferner Testamente und Vergabungen, die sie anschließend ausführlich behandelt.

 

Die Gerade als ein Inbegriff beweglicher Gegenstände (Kleidung, Schmuck und Hausrat) fiel nach dem Tode des Ehemanns als Witwengerade der überlebenden Ehefrau, nach ihrem Tode als Niftelgerade ihren nächsten weiblichen Verwandten zu. Obwohl nur die Witwengerade der wirtschaftlichen Absicherung der überlebenden Ehefrau diente, befasst sich Obladen ausführlich auch mit der Niftelgerade, was sich außer durch den engen Zusammenhang beider Einrichtungen damit rechtfertigen lässt, dass die Niftelgerade in der weiblichen Verwandtschaft blieb. Die Verfasserin trennt zunächst unter kritischer Würdigung der Literatur die Gerade von der Aussteuer. Dabei erkennt sie trotz teilweiser Überschneidung der von beiden Instituten erfassten Gegenstände aufgrund einiger Krakauer Oberhofsprüche den entscheidenden Unterschied darin, dass die Gerade als selbständiger Vermögenskomplex erst mit dem Tode des Ehemanns bzw. im Falle der Niftelgerade mit dem Tode der Ehefrau entstand. Bei der Frage, wann die zur Verschweigung des Anspruchs auf die Gerade führende Frist von Jahr und Tag begann, stellten die Krakauer Schöffen in einem Spruch von 1468 demgemäß –  anders als noch in einem Urteil von 1456 – auf den Erbfall ab. Zur Niftelgerade zeigt die Verfasserin, dass sie nach einem Krakauer Oberhofspruch und entsprechend dem sächsischen und Magdeburger Recht ausnahmsweise an einen männlichen Verwandten, nämlich an einen unversorgten Geistlichen fallen konnte. Die Krakauer Schöffen beachteten – wohl allein wegen ihrer Funktion als Königsgericht – aber auch königliche Privilegien, nach denen die Gerade dem Witwer und seinen Kindern zukam. Bemerkenswert ist ferner, dass in einem Krakauer Fall die Gerade einer Schwägerin der Verstorbenen zugesprochen wurde, obwohl die Empfängerin mit der Erblasserin nicht verwandt war. Über die Witwengerade findet die Autorin im Krakauer Spruchmaterial keine Streitigkeit, die Geltung dieses Instituts in Kleinpolen lässt sich jedoch indirekt erschließen. Zutreffend vermutet die Autorin, dass der Rechtsanspruch auf die Witwengerade keine Probleme aufwarf, so dass darüber wenig gestritten wurde.

 

Im umfangreichsten Abschnitt wendet sich die Abhandlung der Gabe zu, die der Ehemann seiner Frau zum Lebensunterhalt im Witwenstand machte und die in der untersuchten Krakauer Quelle als dotalicium bezeichnet wird. Zunächst geht die Arbeit ausführlich der Abgrenzung dieses Leibgedinges von der Morgengabe nach und findet in den sächsischen Überlieferungen des Land- und Stadtrechts unterschiedliche Begriffe der Morgengabe. Letztlich zeigt sich, dass als Leibgedinge entweder wie im Sachsenspiegel Grundbesitz mit Zustimmung der Erben vor Gericht bestellt oder eine Geldsumme versprochen wurde, während der Mann als Morgengabe bewegliches Gut gewährte oder ebenfalls Geld zusagte. Dabei stellt Obladen im Anschluss an die ältere Literatur fest, dass im 15. Jahrhundert Leibgedinge und Morgengabe nicht mehr klar von einander getrennt und beide Begriffe teilweise synonym verwendet wurden. Im Gegensatz zu Autoren des 19. Jahrhunderts lehnt sie es jedoch ab, eine dogmatische Gestalt dieser Rechtseinrichtungen zu konstruieren, sondern beschränkt sich darauf, den Umgang der Rechtspraxis mit den Rechtsstreiten über Gaben der Ehegatten zu untersuchen.

 

Aus den Krakauer Oberhofsprüchen lässt sich der Inhalt des dotalicium nicht genau bestimmen, sofern es sich nicht um einen Geldbetrag handelte, der der Witwe aus dem Nachlass zu zahlen war. Wie die Verfasserin indes aus einem Oberhofspruch herleitet, konnte der Ehemann von ihm selbst erarbeitete und gewonnene Güter und Besitzungen seiner Ehefrau in Anwesenheit seiner Kinder als dotalicium in das Gerichtsbuch eintragen lassen, worauf es den Kinder verwehrt war, gegen ihre Mutter vorzugehen. Die Ehefrau erhielt dabei offenbar nicht nur ein Nutzungsrecht, sondern frei vererbbares Eigen; die Autorin vermeidet hier mit Zurückhaltung die Verwendung des Eigentumsbegriffs, obwohl proprietas und Eigentum in Magdeburg schon im 13. und 14. Jahrhundert nachweisbar sind und in einem weiteren Krakauer Spruch (von 1474) ebenfalls die Formel proprietas et dominium erwähnt wurde. Bestand das dotalicium in einer Geldforderung, konnte der Ehemann diese durch ein Pfandrecht oder durch Bürgen sichern. Die Autorin findet Anhaltspunkte dafür, dass die Bürgen der Witwe nicht nur nachrangig hafteten. Hatte der Ehemann keine Sicherheiten bestellt, so konnte die Witwe die Gewährung des dotalicium wie nach sächsischem Weichbild- und nach Magdeburger Recht dadurch erzwingen, dass sie bis zur Mündigkeit der Kinder, die nach Krakauer Praxis für Jungen mit 17 Jahren und für Mädchen mit 14 Jahren eintrat, im Haus verblieb. Zum Rang des ungesicherten Anspruchs auf das dotalicium stellt Obladen fest, dass die Witwe wohl wie im Magdeburger Recht allen anderen Gläubigern nachging, wohingegen bei dinglicher Sicherung das Prioritätsprinzip galt. Eine als dotalicium einfach versprochene Geldsumme konnte die Witwe mit ihrem eigenen Eid beweisen, während die Magdeburger Schöffen in einem solchen Fall die beklagten Erben des Ehemannes zur eidlichen Leugnung zuließen. Die Verfasserin zieht aus zwei weiteren Krakauer Sprüchen, denen zufolge ein Nutzungsrecht oder eine gesicherte Geldforderung in das Gerichtsbuch eingeschrieben sein musste, den Schluss, dass für solche Rechte erhöhte Beweisanforderungen bestanden. Möglich wäre hier allerdings auch die Deutung als streitvermeidendes Formerfordernis. Mit dem Tod der Witwe fiel nach einer Oberhofentscheidung als Leibgedinge gegebenes Geld – möglicherweise aber nur bei unbekindeter Ehe – an die nächsten Verwandten des Ehemanns. Als Ergebnis hält Obladen fest, dass sich das dotalicium vermutlich aus Morgengabe und Leibgedinge entwickelt hatte und dem Lebensunterhalt der Witwe wie der Kompensation der Mitgift diente. Im folgenden Abschnitt handelt die Arbeit das Drittteilsrecht ab, das im deutschen Reich Morgengabe, Gerade und Leibgedinge ausschloss, im einzelnen aber unterschiedlichen Inhalt haben konnte. Die Krakauer Quelle bestätigt zunächst, dass das Drittteilsrecht auch in polnischen Städten praktiziert wurde und dort an die Stelle des dotalicium und der Gerade trat. Dabei wurde nicht das Vermögen des Ehemannes, sondern das gesamte Vermögen beider Ehegatten gedrittelt.

 

Den nächsten längeren Abschnitt widmet Obladen den ehelichen Vergabungen. Die Krakauer Spruchpraxis zeigt hierzu, dass die Ehefrau für Auflassungen an ihren Ehemann die Mitwirkung eines Vormundes benötigte. Da der Ehemann wie nach dem Sachsenspiegel mit der Heirat die Vormundschaft über seine Ehefrau erlangte, musste sich diese bei Geschäften zugunsten des Mannes einen weiteren Vormund bestellen lassen. Wie bei den Vergabungen der Ehefrau stand auch bei solchen des Ehemanns wiederholt zur Entscheidung, ob die nächsten Erben des Übertragenden ihr Einspruchsrecht spätestens nach Jahr und Tag durch Verschweigung eingebüßt hatten. Bei gegenseitigen Vergabungen der Ehegatten auf den Todesfall lässt sich eine Bindung an die Verfügung nachweisen. Die Autorin hebt zusammenfassend hervor, dass die ehelichen Vergabungen eine Änderung des erbrechtlichen Gefüges ermöglichten, während das dotalicium allein der Versorgung der Witwe diente. Schließlich geht die Verfasserin auf das Testament ein, das sich als einseitiges Rechtsgeschäft von der Vergabung als zweiseitigem Akt unterschied. Nach sächsischem Recht musste ein Testament, mit dem über ererbten Grundbesitz verfügt wurde, vor Gericht und mit Zustimmung der nächsten Erben errichtet werden. Diese Grundsätze findet die Autorin auch in Krakauer Oberhofsprüchen bestätigt. Sie führt dies auf das Bestreben zurück, das Familiengut zusammen zuhalten. Demgegenüber stand die Anerkennung des freien Willens, die sich in Privilegien zur Erleichterung der strengen Formvorschriften ausdrückte. Zuzustimmen ist der Beurteilung Obladens, dass sich die Krakauer Schöffen um einen Ausgleich dieser beiden Positionen bemühten.

 

In ihrer ausführlichen Schussbetrachtung resümiert die Autorin, dass die Witwe durch die vom Krakauer Oberhof anerkannten Institute der Vergabung und des Testaments nicht mehr wie bei Gerade und dotalicium außerhalb, sondern innerhalb der Erbengemeinschaft stand, wodurch erste Anzeichen des Ehegattenerbrechts sichtbar werden. Für den Leser unerwartet, wendet sich die Arbeit nunmehr noch dem Ehegüterrecht zu, was als mögliche Grundlage der rechtlichen Situation nach dem Tode der Ehegatten besser an den Anfang der Untersuchung hätte gestellt werden sollen. Nach einer kritischen Würdigung der Bemühungen älterer Autoren, ein gemeindeutsches Güterrecht aufzufinden, bespricht die Autorin das sächsisch-magdeburgische Recht, in dem nach dem Sachsenspiegel der Ehemann die Gewere an den Gütern der Ehefrau erlangte. Die von Wilhelm Ebel vertretene Auslegung der Sachsenspiegelstelle zum so genannten ungezweiten Gut Man unde wif ne hebbet nein getveiet gut to irme live, dass die Wendung  to irme live „zu ihrem Lebensunterhalt“ bedeute,  hält die Verfasserin mit Recht aufgrund paralleler Textstellen des Rechtsbuchs weder für bestätigt noch für widerlegt. In der Krakauer Urteilssammlung ist der Satz nicht vorzufinden. Insgesamt kommt die Autorin zu dem Ergebnis, dass die Regel des Sachsenspiegels von der Rechtspraxis nicht aufgenommen wurde und nicht als Beleg für die Verwaltungsgemeinschaft als Güterstand herangezogen werden kann. Einen einheitlichen Güterstand für Grundvermögen und Fahrnis lehnt sie für das sächsisch-magdeburgische Recht ab, stattdessen befürwortet sie eine getrennte Betrachtung für Immobilien einerseits und Fahrnis andererseits: Bei Immobilien komme es auf die Herkunft der Güter an, so dass dem jeweiligen Ehegatten die ererbten oder durch Ausstattung erlangten Güter zugestanden hätten, erworbene Immobilien hingegen demjenigen, dem sie aufgelassen worden waren. Fahrnis habe ohne Rücksicht auf ihre Herkunft während der Ehe eine von der Verfasserin nicht näher erklärte Einheit gebildet und sei nach dem Tode des Ehegatten geschlechtsbezogen in Gerade und Heergewäte aufgeteilt worden. Daneben habe die Vormundschaft des Ehemannes über sein Weib gestanden, was ihm allerdings keine Verfügung über ihr Gut ohne ihr Einverständnis gestattet habe. Alle diese Folgerungen Obladens treffen nach den Befunden aus dem sächsischen Recht zu, dass sich daraus kein Güterstand abstrahieren lasse – etwa eine Gütertrennung der Immobilien und eine Gütereinheit der Fahrnis –, erscheint indes zu vorsichtig.

 

Abschließend bescheinigt die Arbeit den Krakauer Schöffen zunächst, dass sie weder rein prozessual nach der Beweiszuteilung noch willkürlich nach Zufallserwägungen, sondern nach materiell-rechtlichen Regeln urteilten, die sie weitgehend widerspruchsfrei handhabten. Das deckt sich mit den Erkenntnissen der letzten Jahrzehnte zu anderen Rechtsprechungsquellen. Zutreffend schließt sich Obladen ferner der Kritik gegenüber älteren Auffassungen an, die die Rechtsprechung der mittelalterlichen Schöffen als irrational abwerteten. Im Vergleich zu den zeitlich vorausgehenden Quellen des sächsisch-magdeburgischen Rechts zeigt sich, dass die Krakauer Schöffen lediglich beim dotalicium teilweise abwichen. Dass sie eine dieser Quellen in konkreten Entscheidungen benutzten, lässt sich indes nicht belegen.

 

Die zu besprechende Untersuchung stellt nicht nur überzeugend die Rechtsprechung des Krakauer Oberhofs in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vor, sondern liefert daneben auch einen wertvollen Beitrag zum Verständnis des Güterrechts und des Erbrechts im sächsischen Recht und in der Magdeburger Spruchpraxis. Sie zeichnet sich durch eine  eigenständige Beurteilung der Quellen aus, die nicht mit der Kritik an traditionellen Auffassungen zurückhält. Ein mit rund 130 Stichworten allerdings etwas knappes Sachwortverzeichnis rundet die Arbeit ab.

 

 

Bad Nauheim                                                                                                 Reinhard Schartl