Meissel, Franz-Stefan/Olechowski, Thomas/Gnant, Christoph, Untersuchungen zur Praxis der Verfahren vor den Rückstellungskommissionen (= Veröffentlichungen der österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich. Bd. 4 Die Verfahren vor den österreichischen Rückstellungskommissionen. Zweiter Teil). Oldenbourg, Wien 2004. 416 S. Besprochen von Johannes Wasmuth.

 

Vermögensschädigungen zählten seit der Machtübernahme der NS-Diktatur zum festen Arsenal, mit dem das Regime in Deutschland Personen zunehmend systematisch verfolgt hat, die ihm kritisch gesinnt waren, von der nationalsozialistischen Anschauung als feindlich behandelt oder aufgrund ihrer bloßen Existenz bekämpft wurden. Die entschädigungslose Einziehung des Vermögens der Kommunistischen Partei Deutschlands und der ihr angeschlossenen Vereinigungen und Einrichtungen erfolgte bereits aufgrund des Gesetzes über die Einziehung kommunistischen Vermögens vom 26. 5. 1933. Nur wenig später sind diese Regelungen auf die Vermögen von Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und allgemein von „Volks- und Staatsfeinden“ ausgeweitet worden (vgl. Gesetz über die Einziehung von volks- und staatsfeindlichen Vermögen vom 14. 7. 1933). Eingezogen wurden danach u. a. die Vermögen der der SPD nahestehenden Presseunternehmen und der freien Gewerkschaften, während die deutsch-nationalen und konfessionellen Gewerkschaften in der Deutschen Arbeitsfront (DAF) aufgingen. Zu nennenswerten Vermögensschädigungen kam es aber auch ohne spezielle Regelungen allein durch die massive Verstärkung des Verfolgungsdrucks, der zu verfolgungsbedingten Zwangsverkäufen, etwa aufgrund einer notwendigen Flucht aus dem deutschen Reich oder aufgrund von durch die Verfolgung verursachter wirtschaftlicher Notlagen führte. Davon betroffen waren etwa Schriftsteller, Maler, Journalisten und Verleger, politisch und religiös engagierte Personen sowie überhaupt Intellektuelle, aber - bislang kaum untersucht - auch Homosexuelle, auf die das Regime durch die Strafverschärfung aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs vom 28. 6. 1935 und wenig später durch die Anordnung von Vorbeugehaft oder Sicherungshaft, die zur Deportation in Sicherungsverwahrungsanstalten und - zumeist - in Konzentrationslager bis hin zur Einbeziehung in das Programm „Vernichtung durch Arbeit“ führten, massiv den Verfolgungsdruck erhöhte.

 

Die zweifellos am härtesten verfolgte Personengruppen des NS-Regimes waren Juden sowie Sinti und Roma, die allein aus Gründen des nationalsozialistischen Rassenwahns Opfer einer gezielten Massenvernichtung wurden. Ihr ging ein weitgefächertes Arsenal von anderen Verfolgungsmaßnahmen voraus. Von verfolgungsbedingten Vermögensschädigungen waren überwiegend die jüdischen Mitbürger betroffen. Dabei lassen sich im Deutschen Reich mehrere Etappen einer zunehmend radikalisierten Verfolgungspraxis unterscheiden:

 

Bereits seit dem 1. 4. 1933 inszenierte das NS-Regime erste Boykotte gegen jüdische Geschäftsleute und verfügte die systematische Entfernung von Juden aus öffentlichen Ämtern. Wenig später wurden Berufsverbote gegenüber jüdischen Angehörigen der freien Berufe und jüdischen Journalisten verhängt. Zwangsverkäufe erfolgten in dieser Zeit aber auch bereits infolge gezielter Aktionen gegen einzelne jüdische Unternehmen sowie aufgrund der zunehmenden antijüdischen Hetze.

 

Mit dem Erlass der sog. „Nürnberger Gesetze“ (Reichsbürgergesetz und Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre, jeweils vom 15. 9. 1935) setzte eine zunehmende Isolierung von Juden sowie Sinti und Roma von der übrigen Bevölkerung ein, die mit weiteren Berufsverboten, einer Verschärfung der devisenrechtlichen Bestimmungen und einer extralegalen Praxis des Zugriffs auf jüdisches Vermögen verbunden war.

 

Seit 1938 hat das NS-Regime die systematische Ausschaltung von Juden aus der Wirtschaft rechtlich geregelt, obgleich bereits zuvor in erheblichem Umfang eine Arisierung der Wirtschaft stattgefunden hatte. Eingeleitet wurde diese Gesetzgebung durch die Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. 4. 1938. Ihr folgte die Bestimmung des Begriffs des jüdischen Gewerbebetriebs in der Dritten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. 6. 1938. Die weiteren Rechtsvorschriften zur Arisierung der Wirtschaft ergingen unmittelbar im Anschluss an das gezielt vom NS-Regime initiierte Pogrom der „Reichskristallnacht“ vom 9./10. 11. 1938: Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12. 11. 1938 und Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3. 12. 1938, jeweils mit Durchführungsverordnungen. Besonders zynisch waren darüber hinaus die weiteren als Reaktion auf die „Reichskristallnacht“ erlassenen Rechtsvorschriften, die jeden Juden infolge der „feindlichen Haltung des Judentums gegenüber dem deutschen Volk und Reich“ für die durch das Pogrom angerichteten Schäden verantwortlich machten und mit erheblichen Zahlungsverpflichtungen belasteten: Verordnung über eine Sühneleistung der Juden deutscher Staatsangehörigkeit vom 12. 11. 1938, ausgeweitet durch die Zweite Durchführungsverordnung über die Sühneleistung der Juden vom 19. 10. 1939. Zudem wurden die Devisengesetzgebung verschärft und die Reichsfluchtsteuer erhöht.

 

Der gezielte Völkermord an den Juden im Deutschen Reich wurde zunächst durch umfangreiche Maßnahmen der Ghettoisierung und Kennzeichnung der Betroffenen vorbereitet. Die Deportation von Juden hatte im übrigen auch die Einziehung des ihnen noch verbliebenen Vermögens zur Folge. Sie erfolgte zunächst auf der Grundlage des Gesetzes über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens vom 14. 7. 1933. Da dazu allerdings noch eine Beschlagnahmeverfügung im Einzelfall erforderlich war, ordnete die Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. 11. 1941 neben dem Verlust der Staatsangehörigkeit den Verfall des Vermögens zugunsten des Deutschen Reichs an.

 

Mit der im Jargon der Nationalsozialisten als „Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich“ bezeichneten Beseitigung österreichischer Eigenstaatlichkeit erstreckten sich die NS-Verfolgungsmaßnahmen seit dem 13. 3. 1938 auch auf in Österreich lebende Personen. Dabei wurde unvermittelt grundsätzlich der im Deutschen Reich zu dieser Zeit bereits erreichte Radikalisierungsgrad der Verfolgung übernommen. Dazu traten allerdings die im Deutschen Reich schon geltenden Rechtsvorschriften nicht automatisch auch in Österreich in Kraft. Vielmehr wurden reichsdeutsche Bestimmungen nur im Einzelfall auch auf das österreichische Gebiet erstreckt. So wurde die Geltung etwa folgender Gesetze auch für Österreich angeordnet: Gesetz über die Einziehung kommunistischen Vermögens, Gesetz über die Einziehung von volks- und staatsfeindlichen Vermögen, Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, andere die Berufsausübung verfolgungsbedingt einschränkende Vorschriften sowie die Nürnberger Gesetze (Reichsbürgergesetz und Blutschutzgesetz), aber nur teilweise etwa die deutschen Arisierungsgesetze der Jahre 1938 und 1939. Von letzteren waren auch in Österreich nach der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens staatliche Treuhänder damit befasst, jüdische Vermögenswerte zu veräußern oder zu liquidieren. Soweit eine Übernahme deutscher Rechtsgrundlagen für verfolgungsbedingte Maßnahmen nicht erfolgte, wurden allerdings auch Vorschriften von dem für Österreich eingesetzten Reichsstatthalter erlassen, der dazu durch die Verordnung über das Gesetzgebungsrecht im Lande Österreich vom 30. 4. 1938 ermächtigt worden war. Er hat auch bestehende österreichische Gesetze im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie geändert. So war Bankunternehmern die Konzession zu entziehen, wenn sie mehr als sechs Monate am Besuch einer Börse gehindert waren. Davon waren jüdische Banken immer betroffen, weil es ihren Inhabern längst untersagt war, die Börse zu betreten.

 

Häufig wurden gesonderte Vorschriften für Österreich aber eher als überflüssig und für die Durchsetzung der nationalsozialistischen Ideologie als lästig empfunden, so dass es zu ihrer Verwirklichung keiner gesetzlichen Änderungen bedurfte. Insofern haben sich etwa die österreichischen Strafrichter sehr schnell die reichsdeutsche Rechtsprechung zur Verurteilung von Homosexuellen zu eigen gemacht, ohne dass die maßgebliche Strafrechtsnorm des § 129 ÖStGB hätte geändert werden müssen. Administrative Maßnahmen wurden auch ohne jede gesetzliche Grundlage getroffen. So ließ der Reichsstatthalter noch vor der Übernahme der reichsdeutschen Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens von den Betroffenen zu bezahlende kommissarische Verwalter in jüdischen Betrieben zu, die möglichst auf dessen baldige Veräußerung oder Liquidierung hinwirken sollten. Der Gauleiter ordnete die Besetzung von Juden entzogenen Wohnungen durch „verdiente Parteigenossen“ an und der Wiener Magistrat untersagte Juden die weitere Nutzung von Markthallen.

 

Gegenüber Juden herrschte seit dem „Anschluss“ ohnehin offener Straßenterror. Dieser konzentrierte sich weitgehend auf die Stadt Wien, da 1938 dort über 90 % der österreichischen Juden lebten. Damit einher gingen Plünderungen jüdischer Geschäfte durch von SA-Schergen angeführte Jugendliche und Männer mit Hakenkreuzbinden, die durch Personen in Braunhemden gegenüber Schaulustigen gesichert wurden. Die Schaufenster der noch geöffneten jüdischen Geschäfte wurden mit Hetzparolen und Beschimpfungen beschmiert oder zuplakatiert. An der Tagesordnung waren auch offene, häufig gewalttätige Drohungen gegen jüdische Geschäfts- und Privatleute mit dem Ziel, dass diese ihre Geschäfte und Wohnungen räumten. Die Polizei schritt gegen diese Straftaten nicht ein. Allein aufgrund solcher wilder Ausschreitungen wurde insgesamt rund ein Viertel der jüdischen Geschäfte und sonstigen Betriebe insbesondere in Wien geplündert und ausgeraubt.

 

Die durch die NS-Machtübernahme enthemmten Wiener legten damit gegenüber Vermögenswerten von Juden eine derartige Gier an den Tag und hinterließen dabei solche Verwüstungen im Straßenbild, dass sie sogar das Missfallen des NS-Reichskommissars erweckten. Gegenüber besonders maßlosen „Ariseuren“ kam in Einzelfällen gar die Geheime Staatspolizei (Gestapo) zum Einsatz.

 

Um den „ordentlichen Ablauf“ der „Arisierungen“ zu sichern, wurde am 18. 5. 1938 eine „Vermögensverkehrsstelle für Juden“ errichtet. Diese verfügte die „Beschlagnahme“ der jüdischen Betriebe, die danach von „Ariern“ fortgeführt oder in die Liquidation getrieben wurden. Daneben wurden rund 60.000 große Wohnungen in der Wiener Innenstadt beschlagnahmt und an „Arier“ verteilt. Die Arisierung der jüdischen Großbetriebe wickelten zumeist die österreichischen Banken ab. Für den Verlust ihrer Vermögenswerte erhielten Juden - wenn überhaupt - den Liquidationswert. Dieser war auf ein Sperrkonto zu überweisen, über das der jüdische Verkäufer jährlich nur in geringem Umfang verfügen konnte. Häufig wurden darüber hinaus verfolgungsbedingte Abgaben, etwa die Judenvermögensabgabe (Juva) oder die Reichsfluchtsteuer, unmittelbar von diesem Konto eingezogen. Dagegen erfolgte der Erwerb bisweilen gar nahezu zum Verkehrswert. Verbleibende Differenzbeträge zog der NS-Staat ein.

 

Nach dem Zusammenbruch der NS-Herrschaft haben die westlichen Alliierten in Deutschland noch vor der Beendigung der alliierten Besatzungshoheit jeweils für ihre Besatzungszone sowie für die Sektoren Berlins Rückerstattungsgesetze erlassen (etwa: Gesetz Nr. 59 Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände - Amerikanisches Kontrollgebiet - vom 10. 11. 1947; Gesetz Nr. 59 Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände an Opfer der nationalsozialistischen Unterdrückungsmaßnahmen - Britisches Kontrollgebiet - vom 12. 5. 1949). Diese Gesetze gingen zwar vom Faktum der unter der NS-Herrschaft erfolgten Vermögensverschiebung aus, dienten aber der beschleunigten Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände, an natürliche oder juristische Personen, denen sie in der Zeit vom 30. 1. 1933 bis zum 8. 5. 1945 aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, der politischen Auffassung oder der politischen Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus ungerechtfertigt entzogen worden waren. Diese Gesetze schützten den Gutglaubenserwerb nicht und berechtigten neben den tatsächlich Verfolgten und deren Erben auch besondere NS-Nachfolgeorganisationen in den Fällen, dass Erbe der Staat geworden ist. Soweit eine Rückerstattung nicht möglich war, hat das deutsche Bundesrückerstattungsgesetz vom 19. 7. 1957 Schadensersatzansprüche begründet.

 

Entsprechende Wiedergutmachungsgesetze haben die sowjetische Besatzungsmacht und später die Deutsche Demokratische Republik grundsätzlich nicht erlassen. Dies hatte vornehmlich ideologische Gründe, weil die kommunistischen Machthaber durch eine solche Wiedergutmachungsgesetzgebung keine kapitalistischen Strukturen einführen wollten. Formal wurde eine Wiedergutmachungsgesetzgebung damit begründet, die DDR sei nicht Rechtsnachfolgerin des „Dritten Reichs“ und sie könne erst nach einem allgemeinen Friedensvertrag erfolgen. Infolge der deutschen Wiedervereinigung sind der alliierten Rückerstattungsgesetzgebung und dem Bundesrückerstattungsgesetz weitgehend vergleichbare Regelungen im Vermögensgesetz vom 29. 9. 1990 und im NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz vom 27. 9. 1994 erlassen worden.

 

In Österreich allerdings haben auch die westlichen Alliierten keine Rückerstattungsgesetze erlassen. Vielmehr hat der österreichische Gesetzgeber seit 1946 insgesamt 7 Rückstellungsgesetze verabschiedet, die neben weiteren Rückstellungsanspruchs-, Rückgabe- und Entschädigungsgesetzen sowie zu den Rückstellungsgesetzen erlassenen Durchführungsverordnungen die für Österreich geltende Wiedergutmachungsgesetzgebung wegen während der NS-Herrschaft verfolgungsbedingt eingetretener Vermögensschäden regeln.

 

Dabei erfasste das bereits 1946 erlassene Erste Rückstellungsgesetz die vom Deutschen Reich aufgrund von aufgehobenen reichsrechtlichen Vorschriften oder durch verwaltungsbehördliche Verfügung aus Gründen der Verfolgung eingezogene Vermögenswerte. Das für die österreichische Wiedergutmachung zentrale Dritte Rückstellungsgesetz aus dem Jahre 1947 regelte dagegen die Rückstellung von Vermögenswerten, die infolge einer politischen Verfolgung im Zusammenhang mit der NS-Machtergreifung in Österreich entzogen worden sind. Betroffen waren davon in der Praxis allerdings überwiegend nur Liegenschaften, da eine Rückstellung beweglicher Sachen zumeist scheiterte. Diese war nämlich ausgeschlossen, wenn der Vermögenswert gutgläubig erworben oder die Rückstellung wegen wirtschaftlicher Untunlichkeit untunlich war. Daneben bestimmte das Gesetz die Pflichten des Antragstellers zur Rückzahlung des Kaufpreises, wenn die Regeln des redlichen Erwerbs eingehalten waren, und zum Ersatz von notwendigen und nützlichen Aufwendungen sowie die Pflicht des Rückstellungspflichtigen zur Herausgabe von Erträgnissen. Das 1949 in Kraft getretene Fünfte Rückstellungsgesetz galt für die Rückstellung von Unternehmen, welche erst aufgrund eines mehrstufigen Verfahrens erfolgen konnte. Die Rückstellung gewerblicher Schutzrechte war Gegenstand des ebenfalls 1949 erlassenen Sechsten Rückstellungsgesetzes.

 

Erst aufgrund des von Österreich geschlossenen Staatsvertrages aus dem Jahre 1955 hat das Auffangorganisationsgesetz 1957 Sammelstellen als juristische Personen des Privatrechts für Vermögenswerte errichtet, deren Rechtsträger nicht mehr bestanden oder ohne Erben geblieben waren. Die Sammelstellen sollten die an sie rückgestellten Vermögenswerte verwerten und den Erlös unter den NS-Opfern verteilen. Sie wurden dazu mit der AOG-Novelle vom 16. 11.1958 für berechtigt erklärt, die Rückstellung von Vermögenswerten zu beantragen, wenn die Vermögenswerte von eigentlichen Anspruchsberechtigten nicht innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfristen geltend gemacht worden waren. Dabei standen der Sammelstelle A Ansprüche von Personen zu, die am 31. 12. 1937 jüdischen Glaubens gewesen waren, der Sammelstelle B die Ansprüche der übrigen Verfolgten.

 

Das Erste und Zweite Rückstellungsgesetz wurden von Bundesbehörden durchgeführt, während für Entscheidungen nach der übrigen Rückstellungsgesetze besondere Gerichte (Rückstellungskommissionen, Rückstellungsoberkommissionen und die Oberste Rückstellungskommission bei dem Obersten Gericht) zuständig waren. Obgleich für das Verfahren an sich das Außerstreitverfahrensgesetz galt, haben die Gerichte der Sache nach aber im streitigen Zivilverfahren entschieden. Die Antragsteller konnten also nicht darauf setzen, dass die Kommission nicht vorgetragene Tatsachen ihrerseits ermittelten. Vielmehr wurde über die Rückstellung in einem streitigen Verfahren entschieden. Auch im übrigen war das Verfahren kompliziert ausgestaltet: Zunächst wurde in einem Teilerkenntnis die Berechtigung zur Rückstellung des entzogenen Vermögensgegenstandes festgestellt. Diese Entscheidung freilich hatte nicht zur Folge, dass damit der Antragsteller über den Vermögensgegenstand bereits als Eigentümer verfügen konnte. Vielmehr erhielt er lediglich die Stellung eines öffentlichen Verwalters. In einem weiteren Verfahrensabschnitt, der Rückabwicklung, wurde dann über die Erstattungsansprüche des Rückstellungspflichtigen und die Herausgabeansprüche des Rückstellungswerbers befunden. Wegen der dabei regelmäßig auftauchenden Unwägbarkeiten endete ein großer Teil der Verfahren mit einem Vergleich.

 

Die in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands und später in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführte Wiedergutmachung ist bereits in dem sechsbändigen, vom Bundesminister der Finanzen in Zusammenarbeit mit Walter Schwarz herausgegeben Werk „Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts durch die Bundesrepublik Deutschland“, das seit 1974 erschienen ist, wissenschaftlich dokumentiert worden. Dabei behandelt der von Walter Schwarz verfasste Band I die „Rückerstattung nach den Gesetzen der Alliierten Mächte“.

 

Die Durchführung der Rückstellungsgesetzgebung in Österreich ist dagegen lange Zeit nur in einzelnen Beiträgen, die sich zumeist auf Sekundärquellen stützten oder lediglich einzelne Fallgruppen behandelten, untersucht worden. Nachdem die Wiedergutmachungspraxis Österreichs allerdings zunehmend in die Kritik geraten war und dabei auch geltend gemacht wurde, sie sei nur lückenhaft und hinhaltend betrieben worden, wurde die Historikerkommission der Republik Österreich mit einer Untersuchung der Wiedergutmachungsgesetzgebung Österreichs und ihrer Durchführung beauftragt. Diese hat inzwischen mehrere Bände ihrer Untersuchungen vorgelegt. Der hier zu besprechende Band 4/2 befasst sich mit der für die österreichische Wiedergutmachung zentralen Problematik der Verfahren vor den Rückstellungskommissionen.

 

Forschungsgegenstand der von den Autoren Meissel, Olechowski und Gnant vorgelegten Arbeit war ein Ausschnitt des Aktenbestandes der Rückstellungskommissionen. Dieser wurde daraufhin untersucht, ob bei der Auslegung des österreichischen Rückstellungsrechts eher zugunsten oder zu Lasten der Rückstellungswerber entschieden und diese die Rückstellungsverfahren verzögert behandelt haben. Dazu wurde jeweils die Rechtsprechung zu einzelnen Tatbestandselementen der rückerstellungsrechtlichen Bestimmungen anhand der ausgewerteten Akten behandelt. Zur Veranschaulichung werden dabei auch zahlreiche Fallbeispiele näher geschildert. Damit gibt der Band über den unmittelbaren Untersuchungsgegenstand hinaus insgesamt interessante Auskünfte über die rückstellungsrechtliche Entscheidungspraxis in Österreich. Die Untersuchung erfolgt allerdings zeitlich nicht zusammenhängend. Vielmehr wird jeweils gesondert die Judikatur der Frühphase der Jahre 1947/1948, 1949/1950, 1952/1953, die Zeit nach Abschluss des österreichischen Staatsvertrages (1956) sowie die Spätphase der Jahre 1961/1962 dargestellt. Mit diesem Vorgehen haben die Autoren beabsichtigt, mögliche Entwicklungslinien oder aber auch Änderungen in der Rechtsprechung aufzuzeigen.

 

Bei der Untersuchung der Anwendung des österreichischen Rückstellungsrechts kommen die Autoren zu differenzierten Ergebnissen. Insofern bescheinigen sie den Rückstellungskommissionen eine Spruchpraxis zugunsten der Rückstellungswerber bei der Konkretisierung der Voraussetzungen für das Rückstellungserkenntnis, nämlich die Tatbestandsmerkmale der Vermögenseinziehung, der politischen Verfolgung und des Zusammenhangs mit der NS-Machtergreifung, wenn sich auch diese Aussage keineswegs durchgängig belegen lässt. Kritisch äußern sie sich demgegenüber zu den Entscheidungen über die sich daran anschließenden Rückabwicklungsansprüche. Dies gilt insbesondere für die Bemessung der Gegenansprüche des Rückstellungspflichtigen. Überhaupt stellen die Verfasser eine mit der Zeit abnehmende Bereitschaft der Rückstellungskommissionen fest, im Sinne der verfolgten Rückstellungswerber, wozu vermehrt Gesichtspunkte einer vermeintlich notwendigen Rechtssicherheit in den Vordergrund gerückt wurden.

 

Ebenso wie im deutschen Rückerstattungsrecht erfasste der Begriff der Vermögenseinziehung i. S. des Dritten Rückstellungsgesetzes nicht nur hoheitliche Vermögenszugriffe, sondern insbesondere auch verfolgungsbedingte Zwangsveräußerungen. Letztere spielten in der NS-Praxis der „Arisierungen“ eine erhebliche Rolle. Infolge der seinerzeit nach österreichischem Recht starken Stellung des Mieters war für aus ihren Wohnungen vertriebenen Juden auch die Anerkennung des Verlustes eines Mietrechts als Vermögenseinziehung von besonderer Bedeutung. In den Fällen der Rückstellung von Unternehmen hat die Rechtsprechung der Rückstellungskommissionen - auch dies im Einklang mit der deutschen Rückerstattungsrechtsprechung - eine wirtschaftliche Betrachtungsweise mit der Folge angestellt, dass ein Unternehmen auch dann rückgestellt werden konnte, wenn es lediglich als gleichartiges wie das entzogene weiterbetrieben worden war.

 

Eine generelle Bestimmung, wann von einer politischen Verfolgung i. S. des Rückstellungsrechts auszugehen sei, hat die Rechtsprechung der Rückstellungskommissionen wohl nicht vorgenommen. Sie hat dazu offenbar besondere Fallgruppen gebildet. Danach stellte eine Vermögensentziehung, die im Zusammenhang mit der NS-Rassegesetzgebung stand, stets eine politische Verfolgung dar. Von seiten der Rückstellungspflichtigen wurde zwar häufig eingewandt, eine politische Verfolgung habe nicht stattgefunden, wenn ihnen die Zugehörigkeit der Verfolgten zum Judentum nicht bekannt war. Eine solche Argumentation hat die Rechtsprechung der Rückstellungskommissionen zutreffend nicht akzeptiert. Eine politische Verfolgung hat sie nur dann verneint, wenn ein Betroffener - für niemanden erkennbar, - Jude war. Daneben wurde eine politische Verfolgung bei Maßnahmen angenommen, die auf im Rahmen der Entnazifizierung der Gesetzgebung aufgehobene Vorschriften der NS-Gesetzgebung gestützt waren. Dagegen ist der österreichische Staat, der sich seinerzeit als Opfer des vom Deutschen Reich betriebenen „Anschlusses“ gerierte und deshalb die Rückstellung von Vermögenswerten beanspruchte, nicht als politisch verfolgt eingestuft worden.

 

In engem Zusammenhang mit dem Kriterium der politischen Verfolgung stand die Notwendigkeit, dass „die Vermögensübertragung auch unabhängig von der Machtergreifung des Nationalsozialismus erfolgt wäre“. Dabei verfolgte die rückstellungsrechtliche Rechtsprechung die Tendenz, diese Voraussetzung nur ausnahmsweise zu verneinen, wenn bereits eine politische Verfolgung vorlag. Im übrigen ist aber jeweils kasuistisch vorgegangen worden. Insbesondere lehnte die Rechtsprechung regelmäßig den Einwand des Rückstellungspflichtigen ab, der Erwerb sei aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Rückstellungswerbers erfolgt. Dies galt selbst dann, wenn diese bereits vor dem 13. 3. 1938 bestanden hatten.

 

Die für die Bestimmung der Berechtigung der Rückstellungswerber notwendige Aktivlegitimation hat dagegen bereits deutliche Beschränkungen mit sich gebracht. Neben dem persönlich geschädigten Rückstellungswerber war zwar grundsätzlich auch dessen testamentarischer oder gesetzlicher Erbe rückstellungsberechtigt. § 14 II des Dritten Rückstellungsgesetzes sah aber dennoch Beschränkungen gegenüber gesetzlichen Erben vor, soweit diese mit der unmittelbar verfolgten Person nicht in einer Hausgemeinschaft gelebt hatten. Im Hinblick auf den insbesondere an Juden begangenen Völkermord durch das NS-Regime haben von dieser Begrenzung des Rückstellungsanspruchs in nicht beträchtlichem Umfang die „Ariseure“ profitiert. Gesetzlich unklar war daneben auch die Aktivlegitimation von während der NS-Zeit verfolgungsbedingt aufgelösten juristischen Personen des Privatrechts. Nach anfänglichen Unsicherheiten der Instanzgerichte hat sich die Rechtsprechung des ORK zwar die Aktivlegitimation einer wiedererrichteten Vereinigung angenommen. Einer nicht wiederbegründeten juristischen Person wurde sie jedoch abgesprochen. Etwas anderes galt aufgrund der Bestimmungen des Fünften Rückstellungsgesetzes nur für als juristische Personen tätige Unternehmen. Aber auch in diesen Fällen, für die ein kompliziertes Verfahren mit unterschiedlichen Verfahrensschritten bestand, scheiterte die Wiederbegründung in aller Regel.

 

Die Rückstellung war allerdings etwa dann ausgeschlossen, wenn der Erwerber gutgläubig war. Damit ging das österreichische Rückstellungsrecht wesentlich weiter als das deutsche Rückerstattungsrecht, das lediglich einen Gutglaubensausschluss der Rückerstattung bei beweglichen Sachen vorsah, die im ordnungsgemäßen üblichen Geschäftsverkehr erworben worden waren. Gleichwohl scheiterte die Rückstellung von Immobilien wegen deren Eintragungen in den Grundbüchern nur in Ausnahmefällen am guten Glauben des Erwerbers.

 

Ein weiterer wesentlicher Ausschluss der Rückstellung bestand darin, dass die Kommission nach ihrem Ermessen diese durch eine Entschädigungsleistung ersetzen konnte, wenn die Naturalrestitution wegen wirtschaftlicher Umgestaltung untunlich war. Dieser Tatbestand entsprach in seinen praktischen Folgen weitgehend den bei der Rückerstattung in Deutschland geltenden Regeln. Die Rechtsprechung der Kommissionen hat ihn zugunsten der verfolgten Rückstellungswerber immer wieder restriktiv ausgelegt. So stand etwa die Überbauung eines relativ unbedeutenden Teils eines Grundstücks der Rückstellung nicht entgegen. Bei der Rückstellung von Unternehmen dagegen schied eine Wiederbegründung der juristischen Person aus, wenn ihr „öffentliche Interessen“ entgegenstanden. Dies allerdings war ein Einfallstor für eine bedeutende Beschränkung der Rückstellung von Unternehmen. Hinzu kommt, dass sich die Rückstellungskommissionen auf Gutachten der betroffenen Ministerien oder Aussagen von Kammern und Verbänden stützten, ohne dass diese für die Entscheidung bindend gewesen wären. Diese Stellungnahmen waren nach den Feststellungen der Verfasser häufig von dem sachwidrigen Bestreben geleitet, unliebsame Konkurrenten im Wirtschaftsleben auszuschalten.

 

Besonders problematisch und von den Autoren auch so eingestuft war allerdings die Rechtsprechung zu Gegenansprüchen der Rückstellungspflichtigen. § 6 I des Dritten Rückstellungsgesetzes sah dazu vor, dass diese Teile des gezahlten Kaufpreises, über die der Geschädigte frei verfügen konnte, nach Billigkeit und damit nach Ermessen der Kommission im Fall der Rückstellung des Vermögensgegenstandes beanspruchen konnten. Dabei bestimmte die Rechtsprechung die freie Verfügbarkeit als eine im Interesse des Verfolgten durchgeführte Zahlung. In Einzelfällen sind in diesem Sinne zwar Zahlungsbeträge auf ein Sperrkonto oder solche, die unmittelbar zur Begleichung der Judenvermögensabgabe oder der Reichsfluchtsteuer in Abzug gebracht wurden, entsprechend den gesetzlichen Vorgaben nicht als zur freien Verfügung des Verfolgten stehend eingestuft worden. Gleichwohl hat die ORK in einer Leitentscheidung vom 16. 10. 1948 dargelegt: „Die Bezahlung der Reichsfluchtsteuer oder Juva aus der Gegenleistung wird dann im Interesse des Veräußerers gelegen sei, wenn er selbst eine solche Verwendung angeordnet hat oder wenn diese Abgaben schon im Zeitpunkt der Vermögensübertragung oder spätestens im Zeitpunkt der Verbücherung des Rechtsgeschäfts vorgeschrieben oder gar sichergestellt waren.“ Damit wurden verfolgungsbedingte Vermögensschädigungen, die der freien Verfügbarkeit zugunsten des Verfolgten entzogen waren, dennoch als solche bewertet. Diese Entscheidungspraxis stand denn nicht nur im Widerspruch zur österreichischen Gesetzgebung, sondern auch zur deutschen rückerstattungsrechtlichen Judikatur, bei der lediglich streitig blieb, ob eine nachträgliche Freigabe von Beträgen auf einem Sperrkonto zugunsten des „Ariseurs“ berücksichtigt werden konnte. Die Autoren erklären diese verfehlte Rechtsprechung damit, dass der österreichische Staat selbst keine Entschädigungsleistungen wegen der staatlichen Verfolgungsschäden geleistet habe und dass den „Ariseuren“ nicht die Last aufgebürdet werden sollte, die verfolgungsbedingten Vermögensschäden zu tragen, die zugunsten des Staates eingetreten waren.

 

Die Behandlung von erst infolge des österreichischen Staatsvertrages begründeten Ansprüchen der Sammelstellen, die an die Stelle nicht geltend gemachter Rückstellungsforderungen der Verfolgten oder ihrer Rechtsnachfolger traten, wiesen im wesentlichen nur die Besonderheit auf, dass sie ungewöhnlich häufig durch Vergleich beendet wurden, den die Rückstellungskommissionen nur noch zu protokollieren hatte. Sofern es zu streitigen Verfahren gekommen ist, haben die Kommissionen Einwendungen der Rückstellungspflichtigen, der Verfolgte habe auf seine Rückstellungsansprüche verzichtet, weil er diese nicht fristgerecht geltend gemacht habe, stets zurückgewiesen.

 

Eine Besonderheit des österreichischen Rückstellungsrechts bestand schließlich darin, dass die verfolgungsbedingt entzogenen Vermögenswerte unter der Herrschaft des NS-Regimes häufig Eigentum des Deutschen Reiches geworden waren. Bei der Bestimmung der Passivlegitimation tauchte damit das Problem auf, dass der Liquidator des Deutschen Reichs nicht Vertreter der Einrichtungen und Anstalten des Deutschen Reichs war und dass die Republik Österreich als Verwalterin der betreffenden Immobilien über kein Eigentum daran verfügte. Hinzu kam, dass sich die Alliierten bei Verfügungen über diese Vermögenswerte eine ausdrückliche Zustimmung vorbehalten hatten. Dennoch hat die ORK angenommen, für die bloße Feststellung der Rückstellung komme es auf eine fehlende Zustimmung der Alliierten nicht an. Diese werde erst im Exekutivverfahren, also bei der Entscheidung über die Rückgabe, relevant. Dieser Auffassung hat sich allerdings der ROK Wien in ständiger Rechtsprechung mit der problematischen Behauptung widersetzt, ohne alliierte Zustimmung bestehe keine Zuständigkeit der österreichischen Gerichtsbarkeit. Rechtsmittel dagegen waren vor der ORK jeweils ohne Erfolg, weil diese eine lediglich auf Verfahrensfehler gestützte Revisionsbeschwerde in ständiger Rechtsprechung für unzulässig hielt. Eine wesentliche Verzögerung der Rückstellungsverfahren hat sich daraus in den Gebieten der westlichen Alliierten allerdings nicht ergeben, weil diese selbst keine Reparationsforderungen stellten und bereits 1947 bzw. 1948 die generelle Zustimmung zur Rückstellung erteilten. Die Sowjetunion bestand dagegen - ebenso wie in der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland - auf der Zahlung von Reparationen. Eine Rückstellung von in ihrer Besatzungszone belegenen Vermögensgegenständen erfolgte daher erst nach Abschluss des österreichischen Staatsvertrages im Jahre 1955.

 

In Österreich ist damit insgesamt eine Rückstellung von während der NS-Herrschaft entzogenen Vermögensgegenständen erfolgt, die sich durchaus an der alliierten Rückstattungsgesetzgebung in Deutschland und der dazu ergangenen Rechtsprechung orientiert hat. Die österreichische Gesetzgebung und die darauf gestützte Rechtsprechung sind aber dennoch hinter dem für Deutschland geltenden Niveau der Rückerstattung zurückgeblieben. Neben den bereits aufgezeigten Defiziten hat sich sicherlich auch negativ ausgewirkt, dass die Rückstellungskommissionen ausschließlich streitige Verfahren durchgeführt haben, ohne den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Damit wurde von den Rückstellungswerbern per se eine besondere Professionalität der Rechtsverfolgung verlangt und damit die Durchsetzung von Rückstellungsansprüchen erschwert.

 

Ebenso gerechtfertigt ist aber auch die Feststellung, dass die österreichische Rückstellungsrechtsprechung rechtsstaatlich weit weniger bedenklich ausgefallen ist als die deutsche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, der strafrechtlichen Rehabilitierungsgerichte und des Bundesverfassungsgerichts, soweit diese nach Herstellung der deutschen Einheit über Verfolgungsvorgänge unter sowjetischer Besatzungshoheit entscheidet. Dabei weigert sich diese bislang konstant, den eigentlichen (Straf-)Verfolgungscharakter der kommunistischen Vermögenseinziehungen überhaupt zur Kenntnis zu nehmen und scheut auch nicht vor Konkretisierungen bestehender Rechtsgrundlagen zurück, die elementar gegen geltende Denkgesetze verstoßen. Derartige Defizite lassen sich den österreichischen Rückstellungskommissionen jedenfalls nicht vorhalten, obgleich diese über Unrechtsvorgänge zu entscheiden hatten, die nach damaligem österreichischem Verständnis allein von einem ausländischen Regime verübt waren und ausschließlich diesem zugute kamen.

 

Die Untersuchungen der Autoren Meissel, Olechowski und Gnant zur Praxis der Verfahren vor den Rückstellungskommissionen bieten im Rahmen des Möglichen insofern einen informativen Überblick über einen wesentlichen Teil der österreichischen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit während der ersten Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes. Auf Vorhaltungen, die gegenüber der Praxis der Rückstellungskommissionen in der Öffentlichkeit erhoben worden sind, antworten die Verfasser des Bandes differenziert und insgesamt sehr ausgewogen. Ihre Darstellung belegt, dass pauschal erhobene Vorwürfe gegen die Rechtsprechung der Kommissionen tatsächlich nicht haltbar sind, macht aber auch bestehende Defizite transparent und versucht, deren Gründe offenzulegen.

 

Gleichwohl seien auch einige kritische Anmerkungen zur Form der Aufarbeitung und ihrer Präsentation angefügt: Auffällig ist zunächst, dass der Band keine statistischen Angaben enthält, aus denen sich etwa die Erfolgsquote der Anträge von Rückstellungswerbern in den Verfahren vor den Kommissionen ergeben. Auch eine vergleichende Zusammenfassung der gängigen Ablehnungsgründe fehlt. Damit  wird nicht wirklich transparent, in welchem Umfang die Rückstellungsrechtsprechung tatsächlich juristisch unangreifbar entschieden hat und inwieweit juristisch bedenkliche Argumentationsmuster zur Abweisung von Rückstellungsanträgen geführt haben. Soweit die Autoren - im Gegensatz zur von Walter Schwarz vorgelegten Aufarbeitung des deutschen Rückerstattungsrechts - nur kurze Zeiträume der Rückstellungsrechtsprechung untersucht haben und deshalb gehalten waren, immer wieder dieselben Tatbestände des Rückstellungsrechts zu beleuchten, gerät die Gesamtdarstellung recht unübersichtlich. Der Leser ist so gehalten, sich bestehende Zusammenhänge mühsam durch ständiges Herumblättern im Gesamtwerk zu erschließen. Ein Erfassen der Materie wird zudem dadurch erschwert, dass dem Werk kein Sachregister beigegeben ist und dass die Autoren bei ihrer Darstellung die Kenntnis des ohnehin recht unübersichtlichen österreichischen Rückstellungsrechts weitgehend voraussetzen und ausschließlich der Darstellung in einem anderen Band überlassen, ohne dessen Systematik und wesentliche Regelungszusammenhänge jedenfalls kurz aufzuzeigen. Immer wieder störend ist dabei insbesondere auch, dass die Darstellung keineswegs durchgehend einer juristisch vorgegebenen Systematik folgt. All dies macht die Lektüre der Untersuchung durchaus mühsam und beschränkt den Kreis der Adressaten des Bandes eigentlich auf wenige Spezialisten.

 

München                                                                                            Johannes Wasmuth