Mahlknecht, Bruno, Von großen und kleinen Übeltätern. Hundert „Fälle“ und „Geschichten“ aus Südtiroler Gerichtsakten des 16. Jahrhunderts (= Schlern-Schriften 327). Wagner, Innsbruck 2005. 432 S., 19 Abb. Besprochen von Martin P. Schennach.

 

Der Südtiroler Heimatforscher Bruno Mahlknecht vereinigt im hier zu besprechenden Band 100 „Fälle“ und „Geschichten“, die er aus dem überreichen Fundus Südtiroler Gerichts- und Malefizbücher geschöpft hat. Dabei bewegt er sich fernab des neueren strafrechtsgeschichtlichen und kriminalitätshistorischen Diskurses – was man dem Autor jedoch nicht zum Vorwurf machen kann. Denn in der Einleitung (S. 8-22), die auch eine kurze Einführung in die frühneuzeitliche Tiroler Gerichtswesen bietet, legt er seine selbst gesteckten Ziele dar: Es gehe ihm nicht „um juridische Feinheiten“ (S. 10), sondern um die Darbietung eines möglichst anschaulichen Bildes vom Leben der „kleinen Leute“ im Tirol des 16. Jahrhunderts (S. 12). Dennoch trägt er keine alltagsgeschichtlichen Fragestellungen an sein Quellenmaterial heran: Vielmehr erzählt er die einzelnen Fälle unter Einflechtung zahlreicher Quellenzitate detailliert nach, wobei er die Handlungsweisen der Beteiligten teilweise auf durchaus eigenwillige Art kommentiert (vgl. z. B. das gerichtliche Nachspiel des verfehlten Versuchs eines Bauernknechts, nächtens bei seiner Angebeteten zu „fensterln“, S. 380-381). Die geschilderten Fälle sind dabei nur sehr grob gegliedert: Die verschiedenen Kapitel widmen sich unter anderem mit Todesurteilen beendeten Malefizprozessen (Kap. I), Totschlagsfällen (Kap. II), Fällen mit Beteiligung von Frauen und Mädchen (Kap. IV) oder Eigentumsdelikten (Kap. V). Manchmal ist die Gruppierung fast assoziativ, beispielsweise wenn „kleine Alltagsbilder“ oder „traurige Begebenheiten“ geboten werden (Kap. VII und VIII). Bei der Auswahl der „Fälle“ und „Geschichten“ zeigt der Verfasser dabei eine deutliche Prädilektion für das peinliche Strafrecht – was ihn nicht daran hindert, auch die Sanktionierung von Verstößen gegen Policeynormen oder rein zivilrechtliche Auseinandersetzungen zu behandeln.

 

Insgesamt gleicht das Buch einem Kaleidoskop: Es vermittelt punktuell lebendige, sprachlich gelegentlich zu blumig kommentierte Eindrücke vom Alltags- und Rechtsleben in der Vormoderne. Was jedoch konsequent fehlt, ist die Einbettung in einen größeren Kontext. Jedoch blickt man nicht in ein Kaleidoskop, um wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, sondern um sich zu zerstreuen. Und diesem Ziel der Zerstreuung seiner Leserschaft (egal ob wissenschaftlich einschlägig vorgebildet oder nicht) wird das Buch allemal gerecht.

 

Innsbruck                                                                                           Martin P. Schennach