Legitimation, Kritik und Reform. Naturrecht und Staat in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert, hg. v. Klippel, Diethelm (= Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte 22 [2000] Nr. 1). Manz, Wien 2000. 147 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Ein eigenes Heft konnten die Mitherausgeber der Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte der von Diethelm Klippel angeregten Frage von Legitimation, Kritik und Reform widmen. Leider konnte der für eine Rezension gewonnene Interessent seine Zusage nicht erfüllen, was manchmal ja auch den treffen kann, der seinerseits zugesagten Verpflichtungen ohne weiteres ausweicht. Weil dieses Verhalten am meisten der Allgemeinheit schadet, darf der Herausgeber wenigstens einige Ergebnisse auch hier vorstellen.

 

An den Beginn seiner Einführung über politische und juristische Funktionen des Naturrechts in Deutschland im 18. und 19. Jahrhundert stellt Diethelm Klippel seine 1976 von Dieter Schwab in Gießen und Regensburg betreute Untersuchung über Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. und 19. Jahrhunderts. Dessen Bedeutung hat ihn seither nicht mehr losgelassen. Deswegen hat er sich an einem Graduiertenkolleg in Gießen beteiligt und seine Schüler auf dem 32. deutschen Rechtshistorikertag in Regensburg in einer eigenen Sektion referieren lassen.

 

Diese Sektion ist von Adrian Schmidt-Recla und Eva Schumann in Band 116 (1999), 724ff. kritisiert worden. Diethelm Klippel sieht in dieser Kritik vor allem mangelnden Sachverstand und unangebrachte Polemik. Deswegen sucht er Verteidigung durch Angriff in der Öffentlichkeit.

 

In seiner vorangestellten Einführung zeigt er als erstes zeitliche, methodische und inhaltliche Forschungslücken auf. Danach fasst er die Ergebnisse der Referate im Überblick zusammen. Nach seiner einleuchtenden Darlegung machen die Beiträge insgesamt deutlich, dass naturrechtliche Argumente einen stärkeren Einfluss auf die Entwicklung von Staat und Recht hatten, als dies unter dem verdrängenden Einfluss der historischen Rechtsschule in der Regel früher angenommen wurde.

 

Im einzelnen behandelt dabei Louis Pahlow das Verhältnis von Justiz und Verwaltung im allgemeinen Staatsrecht des 18. und 19. Jahrhunderts, Martin Fuhrmann die Bevölkerungs- und Ehepolitik in der politischen und ökonomischen Theorie zwischen etwa 1750 und 1820, Dietrich Berding, Elterliche Gewalt, Kindesrechte und Staat im deutschen Naturrecht um 1800, Ylva Greve das Verhältnis von Naturrecht und Criminalpsychologie, Thomas Nutz Strafrechtsphilosophie und Gefängniskunde, Petra Overath Naturrecht und Todesstrafe in Bayern am Anfang des 19. Jahrhunderts und Thomas Cornelius Kischkel das Naturrecht in der Spruchpraxis der Gießener Juristenfakultät. In dieser Vielfalt zeigt sich die große Spannbreite naturrechtlicher Gedankengänge. Zugleich wird daran aber auch sehr deutlich, wie viel noch zu tun ist, um zu möglichst vollständigen Erkenntnissen zu kommen.

 

Ein wichtiges Hilfsmittel dafür könnte die von Diethelm Klippel für 2001 angekündigte Bibliographie naturrechtlicher und rechtsphilosophischer Schriften im 19. Jahrhundert I (1780-1850) sein. Auf ihrer Grundlage könnten alle vom Naturrecht angesprochenen Fragen besser erfasst werden. Möge es dem Bearbeiter gelingen, seine vielen neuen Erkenntnisse noch allgemeiner zugänglich zu machen als bisher.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler