Kurze, Dietmar, Sozialistische Betriebe und Institutionen als Verklagte im DDR-Zivilprozess (= Berliner juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts 37). Berliner Wissenschafts-Verlag. Berlin 2005. 420 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die im Rahmen des Projekts Zivilrechtskultur der DDR der Deutschen Forschungsgemeinschaft entstandene, von Rainer Schröder betreute Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich in Einleitung, Untersuchung und Schluss. Die Untersuchung ist nochmals in Bedeutung und Analyse zweigeteilt.

 

In der Einleitung hebt der Verfasser hervor, dass es dem Projekt um eine möglichst wirklichkeitsnahe Beschreibung der Praxis des Zivilprozesses der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gegangen sei. Als wichtigste Grundlage hätten rund 5000 Prozessakten Ostberliner Gerichtsbezirke zwischen 1948 und 1989 gedient, innerhalb deren Klagen gegen sozialistische Betriebe und Institutionen auffällig gewesen seien. Ihre zunächst mit 142 angenommenen, dann auf 77 verringerten und wieder auf 231 erweiterten und auf 330 ergänzten Fälle sind Gegenstand der eine Forschungslücke schließenden Untersuchung.

 

Der Verfasser zeigt zunächst, dass die Zahl der Zivilprozesse in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik grundsätzlich nur einen Bruchteil (ein Sechstel bis ein Drittel) der vergleichbaren Zahl der Bundesrepublik ausmachte. Danach schildert er die verschiedenen Beschneidungen der gerichtlichen Zuständigkeit, die Überwachung und Anleitung der Gerichte und die zusätzliche Erschwerung der Zwangsvollstreckung Darüberhinaus stellt er Alternativen zur Klage, das ablehnende Rechtsverständnis und die Zurückdrängung der Priavtwirschaft dar.

 

Im Rahmen seiner Analyse bildet er sechs Gruppen von kaufvertraglichen, mietvertraglichen, dienstleistungsvertraglichen, deliktischen, genossenschaftsrechtlichen und sonstigen Streitigkeiten. Im Ergebnis unterscheidet er einleuchtend eine frühere und eine spätere Periode. Anfangs galt es vor allem, Angriffe gegen das Volkseigentum abzuwehren, während dies mit der allgemeinen Konsolidierung nicht mehr erforderlich war.

 

Bei Betrachtung nur der Gewährleistungsklagen der späteren Jahrzehnte ließe sich von einer gewissen Normalität der Konfliktentscheidung sprechen. Angesichts der dem Zivilrecht zugefügten Einschränkungen könne diese Normalität aber nur als limitiert eingestuft werden. Insgesamt eine sorgfältige, ansprechende Durchsicht eines ausgewählten Quellenbestandes, die durch Anhänge und Verzeichnisse abgerundet wird.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler