Kissling, Peter, Freie Bauern und bäuerliche Bürger. Eglofs im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit (= Oberschwaben – Geschichte und Kultur 14). bibliotheca academica Verlag, Epfendorf 2006. 457 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Zur Wissenschaft gehört das Erkennen des Allgemeinen in der Vielfalt des Besonderen. Deswegen bereitet nicht nur die Einordnung der Europäischen Union in das Verfassungsrecht der Gegenwart Schwierigkeiten, sondern auch das Verständnis mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Gegebenheiten im Rahmen des Heiligen römischen Reiches, das bekanntlich ja selbst am denkwürdigsten wohl als monstrum beschrieben worden ist. Eine der auffälligen Erscheinungen jener Zeit ist Eglofs in Oberschwaben, mit dem sich die 2002 von der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern angenommene, von Peter Blickle betreute Dissertation Peter Kisslings befasst.

 

Unter den Augen einer etwa 20 Gebäude darstellenden Abbildung des Eglofstals mit Eglofs des Johann Joseph Wolf von 1777 befasst sich die Darstellung zunächst mit einer Einleitung in das Verständnis einer der staatsrechtlichen frühneuzeitlichen Kuriositäten Oberdeutschlands. Sie zeigt, wie es der herkömmlichen Geschichtsschreibung vor allem um die Suche nach dem frühmittelalterlichen und hochmittelalterlichen Zustand des erst im Spätmittelalter quellenmäßig sichtbaren Überbleibsels längst vergangener Tage  zwischen Oberstdorf und Wangen ging. Diese Sicht hält der Verfasser im Gefolge Peter Blickles für problematisch und für in drei Teilen untersuchenswert.

 

Den Beginn bilden die Anfänge im Spätmittelalter. Hier wird in Capua im April 1243 der Erwerb der Grafschaft Albegowe cum castro Megelolues durch Kaiser Friedrich II. von Graf Hartmann von (Württemberg-)Grüningen für 3200 Mark Silber Kölnisch beurkundet, durch die Eglofs an die Staufer kam und Reichsgut werden konnte. Vielleicht griffen zwischen 1243 und 1282 die Grafen von Grüningen oder die Grafen von Montfort auf Eglofs zu. Jedenfalls gewährte Rudolf von Habsburg im Zuge seiner Rückgewinnungsversuche von Reichsgut in Ulm am 15. Mai 1282 den cives de Megelholfs die libertates et iura, quibus cives de Lindowia sunt muniti, wobei der Verfasser unter cives in beiden Fällen Bürger versteht, was jedenfalls der frühmittelalterlichen Geschichte von civis kaum gerecht werden kann und deswegen problematisiert hätte werden können.

 

Auf dieser Grundlage behandelt der Verfasser dann Eglofs und seine Pfandherren im Mittelalter und das Vordringen Habsburgs im Allgäu. Der zweite Teil befasst sich mit den Eglofser Freien in der Frühneuzeit. Der dritte Teil betrifft die Politik in der Grafschaft Eglofs.

 

Im Ergebnis rekonstruiert der Verfasser mit den Eglofser freien Bauern und bäuerlichen Bürgern einen Verband, der nicht – wie von der vorhergehenden Forschung angenommen – aus einer Wurzel stammt, sondern aus zwei Wurzeln (Burg in Eglofs als Zentrum einer Herrschaft und Verband freier Bauern). Die spätmittelalterlichen Grundlagen der Verfassung, welche die Eglofser Freien wie die Bürger von Eglofs umfasst, wirken sich dabei bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts aus. Für den Verfasser zeigt sich in der auf die lange Dauer achtenden Geschichte der politischen Kultur eines bäuerlichen Verbands, der im Spätmittelalter beinahe eine Republik geworden wäre und noch während der Frühneuzeit reiches Anschauungsmaterial liefert, wie Herrschaft und Regierung in einem und über einen genossenschaftlichen Verband funktionierten.

 

Geschmückt ist der durchaus stattliche Band mit dem sigillum civium in Meglolfs, nach dem Verfasser also dem Siegel der Bürger in Eglofs. Beigegeben ist ein Personen- und Ortsregister. Wer immer sich mit den nach einer Tabelle auf S. 252 auf 31 Wohnorte verstreuten Freien von Eglofs befasst, wird die - Überschriften wie Auf Pergament gebaut, Gebrochene Versprechungen, Die Mitte der Geschichte, Die Tyrannis des bösen Georg, Der Genuss der Freiheit, Druckverhältnisse, Die Justierung politischer Verhältnisse, Das unzertrennliche und Gott gefällige Band, Aschermittwoch – Die verzerrte Arithmetik untertäniger Repräsentation oder Rustikale Interpretationen Das Ende der Alternativen gegenüber einfachen, aus sich heraus verständlichen Sachaussagen bevorzugende - Arbeit nicht übergehen können.

 

Innsbruck                                                                                                                   Gerhard Köbler