Kannewurf, Tim, Die Höfeordnung vom 24. April 1947 (= Rechtshistorische Reihe 296). Lang, Frankfurt am Main 2004. XXXVII, 224 S. Besprochen von Karl Kroeschell.

 

Das hier anzuzeigende Buch - eine von Gerhard Otte betreute Bielefelder Dissertation - hat es mit einem Rechtsgebiet zu tun, das manche heute als marginal betrachten: mit dem bäuerlichen Anerbenrecht. Sein Gegenstand ist die 1947 erlassene Höfeordnung für die damalige britische Besatzungszone. Während das Gesetz Nr. 45 des Alliierten Kontrollrats das nationalsozialistische Reichserbhofgesetz aufgehoben und die vor 1933 geltenden Anerbengesetze wieder in Kraft gesetzt hatte (die Sowjetzone ging bald darüber hinweg), hielt die britische Militärregierung eine einheitliche Regelung in ihrer Zone für wünschenswert. In ihrer Verordnung Nr.84 hob sie die älteren Gesetze auf und ersetzte sie durch die Höfeordnung als neues materielles Anerbenrecht; eine entsprechende Verfahrensordnung folgte einige Monate später.

 

Der Verfasser zeichnet die Entstehung der Höfeordnung sorgfältig nach. Dabei wertet er nicht nur die Akten des Zentraljustizamts und des Zentralamts für Ernährung und Landwirtschaft der britischen Zone aus (beide heute im Bundesarchiv), sondern auch die Akten der beteiligten britischen Stellen (im Public Record Office in London). Ein wichtiges Resultat der Untersuchung ist nämlich, daß die Höfeordnung in enger und bemerkenswert unvoreingenommener Zusammenarbeit zwischen britischen und deutschen Stellen entstand. Wichtige Quellen fanden sich auch im Privatarchiv des Oberlandesgerichtsrats (späteren Senatspräsidenten) Dr. Otto Wöhrmann in Celle, der unter den deutschen Verfassern des Entwurfs eine führende Rolle spielte.

 

Das Ergebnis dieser gemeinsamen Arbeit war nach dem Urteil des Verfassers ein Gesetz, das die ideologischen Zuspitzungen des Reichserbhofgesetzes weitgehend eliminierte. Allenfalls in der strikt obligatorischen Ausgestaltung des Anerbenrechts und in der Zurücksetzung der Ehefrau wirkten noch gewisse erbhofrechtliche Vorstellungen nach, von denen sich die Autoren des Entwurfs sonst immer mehr zu lösen vermochten.

 

Es mag erstaunen, daß man sich in den schweren Nachkriegsjahren gerade dieser Materie mit so großem Einsatz widmete. Seinen Grund hatte dies in der Überzeugung, die geschlossene Erhaltung der Höfe und die Vermeidung von Erbkonflikten sei schon wegen der desolaten Ernährungslage erforderlich - eine Einschätzung, die vielleicht fragwürdig war, aber auch von der Besatzungsmacht geteilt wurde. Zugleich mit der Höfeordnung wurde denn auch eine Landbewirtschaftungsordnung erlassen, die es ermöglichte, die Führung eines schlecht bewirtschafteten Betriebs einem Treuhänder oder Pächter zu übertragen. An den damaligen hohen Stellenwert der Höfeordnung und des Landwirtschaftsrechts überhaupt kann sich der Rezensent (Studienbeginn 1947) jedenfalls noch gut erinnern.

 

Eine explizite Auseinandersetzung mit dem ideologischen Charakter des Reichserbhofgesetzes hat es offenbar nicht gegeben, sondern eher eine allmähliche Befreiung aus seinem Bann. Noch weniger konnte eine grundsätzliche Diskussion über die Notwendigkeit eines Anerbenrechts überhaupt stattfinden, wie es sie zur Entstehungszeit des Bürgerlichen Gesetzbuchs gegeben hatte.

 

Zwei „Entdeckungen“ des Verfassers sind noch hervorzuheben. Einmal fand er in London eine ausführliche Denkschrift des emigrierten deutschen Arbeitsrechtlers Otto Kahn-Freund vom September 1945, die offenbar für die britische Beurteilung des ganzen Problems grundlegend war. Zum anderen verweist er wiederholt auf einen Vortrag des späteren Generalbundesanwalts Max Güde über „Die Liquidierung des Reichserbhofrechts“, der - auf einem Konstanzer Juristentag im Juni 1947 gehalten - außerhalb der französischen Besatzungszone damals kaum wahrgenommen worden ist. Güde hatte als badischer Amtsrichter sowohl das alte badische Hofgüterrecht als auch das Erbhofrecht kennengelernt. Das Zitat auf S. 195 gibt einen Begriff von der Selbständigkeit seines Urteils.

 

Eine Synopse der zentralen Bestimmungen des Erbhofgesetzes, der Höfeordnung von 1947 und ihrer Neufassung von 1976 beschließt den Band.

 

Der Verfasser hat uns ein wichtiges, fast vergessenes Stück der juristischen Zeitgeschichte wieder bewußt gemacht. Ihm ist für ein wohlgelungenes Buch zu danken.

 

Freiburg im Breisgau                                                                                               Karl Kroeschell