Hechelhammer, Bodo, Kreuzzug und Herrschaft unter Friedrich II. Handlungsräume von Kreuzzugspolitik (1215-1230) (= Mittelalterforschungen 13). Thorbecke, Ostfildern 2004. 448 S., 8 Abb., 7 Kart. Besprochen von Alfons Gerlich.

 

Die Literatur über Kaiser Friedrich II. ist unermesslich breit ausgewachsen. Dass sehr oft sein Kreuzzug von 1228/29 eine Rolle spielt, darf nicht verwundern angesichts des unter außergewöhnlichen Umständen erzielten persönlichen Erfolgs. Die Bibliographie von Hans Eberhard Mayer von 1930 im Verbund mit dessen umfangreichen Publikationen und die Stellungnahme von Laetitia Böhm ein Jahr später geben Zeugnis von der Intensität der Forschung im damals erreichten Umfang, der seitdem sich vielfach steigerte. Fast alle historiographischen Genres sind vertreten. Es gibt kaum eine genealogische Untersuchung, in der nicht die Teilnahme eines Familienmitgliedes an einem Kreuzzug oder wenigstens dessen Pilgerfahrt ins Heilige Land erwähnt wird. In der Sammlung derartiger Nachrichten liegt ein eigener Wert dieses Buches, weil Hechelhammer 205 prosopographische Nachweise bringt, in denen Kreuzfahrer aufgeführt werden, die schon vor 1221 Ägypten erreichten, im April 1221 von Tarent, im Juli von Messina aufbrachen, zwischen 1225 und 1227 das Heilige Land erreichten, zu Friedrichs II. Kreuzzug Krieger aus Deutschland, Sizilien und Italien, England, Frankreich, Norwegen und Ungarn kamen. (S. 327-386). Zweifellos bringt diese Zusammenstellung nur einen verschwindend kleinen Bruchteil der nach Tausenden zählenden Kreuzfahrer. Von der Masse erfährt man nur etwas aus Zahlenangaben in erzählenden Quellen, über die sich der Verfasser kritisch äußert.

 

Im Allgemeinen folgt die Darstellung dem chronologischen Ablauf der großen Geschehensabschnitte von der Aachener Krönung 1215 bis zum Jahr 1230. Beherrscht werden alle Ausführungen vom Nachweisen des Gedenkens an das Kreuz Christi für Entscheidungen des Herrschers, der Fürsten und ihres adligen Gefolges. Das unterscheidet die Ausführungen des Verfassers von älteren säkular-positivistischen Auffassungen. Theologische Erörterungen der Zeit und deren Berücksichtigung in der modernen einschlägigen Forschung nehmen im Zusammenklang so heterogener Frageansätze einen weiten Raum ein. Das gilt bereits für die einleitenden Abschnitte. Friedrich II. brachte aus seiner Jugendzeit in Sizilien ein wacheres Empfinden für die Bedeutung von Kreuzzügen im mediterranen Lebensraum mit als es mancher der deutschen Großen besaß. Seine besonders ostentative Kreuznahme mit Gelöbnis 1215 ist so zu verstehen. Das Ereignis gehört mit seiner erstrangigen Funktion in den Umkreis nicht nur protokollarischer Gepflogenheiten, sondern wurde motiviert mit Friedrichs lang erwogenem Wunsch zur Erfüllung von Versprechen seiner Vorgänger, aus eigener tief empfundener Frömmigkeit, aus Dankbarkeit für Gottes Hilfe. Er konnte die Kreuznahme aber auch gebrauchen im Endkampf mit dem welfischen Gegner, gewiss auch in vielen Auseinandersetzungen und Fehden zwischen Gliedern des Reiches.

 

Doch hat sie in der politischen Wirklichkeit allen Streit beseitigt? Das Ringen um Machtpositionen, um Einwirkungen auf den eigenen Lebensraum ging allenthalben weiter, anders ist die im 13. Jahrhundert voranschreitende Territorialisierung kaum zu erklären. Der Verfasser bestimmt die Kreuzzugsidee als päpstliches Herrschaftskonzept und trifft damit auf eine der Eigenarten im Verhalten Innozenz III. und Honorius III., wertet andererseits die Kreuznahme durch einen Reichsangehörigen als Treuebeweis gegenüber dem Herrscher. Doch sie war nur ein Element neben anderen im politischen Geschehen. Wie der päpstliche Plan eines großen und geschlossenen Zuges schon 1219 auf dem Hoftag in Magdeburg, geschweige denn zwei Jahre später in Ägypten am dümmlichen Fanatismus eines Kardinals scheiterte, macht Hechelberger deutlich (S. 79f. u. 89ff. ). Er zeigt, im Anschluss an eine mit Eduard Winkelmann anhebende und derzeit bis zu Wolfgang Stürner und Peter Thorau reichende Forschung auf, wie für Friedrich II. die Sicherung der Sohnesfolge ein Politicum ersten Ranges war. Die Mitwirkung der Fürsten war hierbei zwingend notwendig. Gegenüber dem Papst machte Friedrich II. die Realisierung seines Kreuzzuggelübdes von einem wahren Katalog von Forderungen und Bedingungen abhängig (S. 98). Streitigkeiten im Reich führten zu wiederholten und oft nur mühsam erlangten Verlängerungen des Termins für den Beginn des Unternehmens vor und nach der Kaiserkrönung 1220. Ein eigener Abschnitt ist hierzu Friedrichs II. Aktionen gewidmet, nicht zuletzt seinen enormen Gaben von Geld an deutsche Fürsten (S. 120ff.). Man sollte auch beachten, dass oft Rechtsanschauungen und Erfahrungen aufeinander prallten. Dem vom Verfasser nachsichtig charakterisierten Innozenz III. fehlte die Erfahrung des Desasters von 1221 in Ägypten, seine Intransigenz hat kein Geringerer als Walther von der Vogelweide zutreffend beurteilt. Nach 1221 hat die Kurie aus der Verranntheit des Kardinals Pelagius nichts gelernt, Geographie wurde bei geistlichen Antreibern wenig beachtet.

 

Die Hauptteile des Werkes sind den Verhandlungen zwischen Kaiser und Papst zunächst in Veroli 1222, ein Jahr später in Ferentino gewidmet, dann dem Wirken des Hochmeisters des Deutschen Ordens Hermann von Salza, der Legation des Kardinals Konrad von Urach, dem Scheitern des Bündnisbegehrens mit Frankreich. Das Gewicht dieser Darstellungsteile beruht vor allem auf der Schilderung der intransigenten Haltung des 1227 gewählten Papstes Gregor IX., des Neffen Innozenz III., dessen Zumutungen die seiner beiden Vorgänger übertrafen. Den Vertrag von San Germano vom 15. Juli 1225 bringt Hechelberger in Übersetzung mit Nachweisungen des lateinischen Originals in Fußnoten (S. 164-167). In den Versprechen Friedrichs II. sind klare Zahlen enthalten über die für die Überfahrt nötige Flotte, das Aufgebot von Rittern und die Zahlungen an die Kriegskasse zu bestimmten Fristen, die im Falle eines Verzuges zur Bannung führen sollten. Hier sind wieder Eduard Winkelmann, auch Ernst Kantorowicz, Hans Eberhard Mayer, Reinhold Röhricht, Walther Zöllner und abermals Wolfgang Stürner zu nennen. Mit ihnen setzt sich der Verfasser in dem Sinne auseinander, dass der Vertrag unerhört harte Forderungen enthält, aber wohl nicht Friedrichs II. finanzielle Möglichkeiten überstieg (vgl. S. 167ff., u. S. 170 mit Anm. 204). Komplizierend auf die Folgewirkung des Abkommens wirkten die Verhandlungen über die Vermählung des Sohnes Heinrich (VII.) und über Friedrichs II. eigene Heiratspläne im Blick auf die Tochter Isabelle des Königs Johann I. von Brienne als König von Jerusalem. Ausgiebig geht Hechelberger auf die Erwägungen hinsichtlich der Staaten im östlichen Mittelmeer ein, die man bei einem Unternehmen dieser Art beachten musste: Die Königreiche Armenien und Zypern, auf der ‚anderen Seite’ das Ayyúbidenreich, die schon länger in der staufischen Politik eine Rolle spielten. Der Verfasser bringt eine solide Auswertung einschlägiger Untersuchungen, auf Einzelheiten kann im einer Rezension gesetzten Umfang nicht eingegangen werden. Die ohnehin oft behandelte unmittelbare Vorgeschichte des Kreuzzuges, den Ausbruch der Seuche, Friedrichs II. Erkrankung behandelt der Verfasser kurz. Hechelberger weist mit Recht auf die unrühmliche Verhaltensweise Gregors IX. hin.

 

Von größerer Bedeutung sind die Ausführungen über die Kreuzzugspolitik als Herrschaftsgestaltung in Deutschland und Italien, ihren Einfluss auf die Formierung von Flotten im Nordwesten des Reiches und im Niederrheingebiet, die Kontingente in Österreich und der Steiermark, denen sich Adlige hauptsächlich aus Süddeutschland und aus dem Herrschaftsraum der Staufer in Schwaben und Franken anschlossen. Aufschlussreich sind die Nachweise über die Nutzung des Kreuzzugsgedankens als Mittel der kaiserlichen Politik zur Ausschaltung des sizilianischen Hochadels und den Konflikt mit den Lombardenstädten, wobei andererseits stets Gregor IX. gegen den von ihm wiederholt gebannten Kaiser und die zu ihm haltenden Personen und Städte einschritt. So bleibt es erstaunlich, dass Friedrich II. trotz derart widriger Voraussetzungen eine ansehnliche, allerdings sehr inhomogene Streitmacht von etwa 1.000 Rittern und ungefähr 10.000 Streitern zu Fuß zusammenbrachte (vgl. S. 264f.). Angesichts der Sorgfalt, die der Verfasser in den Kapiteln über Rekrutierungen und Organisation walten lässt, dürften diese Zahlenangaben realistisch sein.

 

In eigenem Abschnitt werden die Geschehnisse des Kreuzzuges referiert hauptsächlich gestützt auf die Regesta Imperii. Aus dem Itinerar berechnet der Verfasser eine Reisedauer von 40 Tagen für das Gros. Friedrich II. selbst brauchte nur drei Wochen einschließlich einiger Ruhetage. Vermutlich war er zeitweise seekrank und erholte sich auf Zypern (vgl. S. 269 Anm. 11). Während des Aufenthaltes in Palästina blieben die regionalen Spannungen erhalten. Bemerkenswert ist die Indifferenz der christlichen Bevölkerung. Es muss offen bleiben, ob hier die Störmanöver des Papstes und seiner Parteigänger diese Haltung bewirkten oder vielleicht das Erscheinen abendländischer Kräfte unerwünscht war. Die Geistlichkeit versagte sich der Friedensstiftung, die Ritterorden verweigerten dem Kronträger die Achtung. Das Unternehmen wurde als im Namen Gottes und der Christenheit stehend deklariert, nicht als Kreuzzug des Staufers als König von Jerusalem, um päpstlichen Verdächtigungen vorzubeugen. Friedrich II. selbst erkannte, dass militärisch nichts zu erreichen war und verlegte sich auf den diplomatischen Austausch mit Sultan al-Kámil. Nach fünf Monaten, am 11.Februar 1229, schloss man den Vertrag von Jaffa. Von Geländegewinn konnte nicht gesprochen werden. Man hielt sich beiderseits am status quo, was besonders beim Patriarchen Gerold von Jerusalem auf Unwillen stieß, der so die Argumentation Gregors IX. nährte. Sogar die Rückgewinnung Jerusalems nur auf friedlichem Wege war bei vielen Leuten kritikwürdig und bot dem Papst das Argument, von Erfolg Friedrichs II. könne keine Rede sein. Die Aussage Hermanns von Salza, dass der Herr Kaiser, wenn er gekonnt, es gerne anders geordnet hätte (S. 296 mit Anm. 112), bietet am trefflichsten den Gesamteindruck. Die Zuordnung des ganzen Unternehmens in die Reihe der ‚Kreuzzüge auf Irrwegen’ durch Steven Runciman entbehrt nicht der Grundlage.

 

Den Zweck des gesamten Unternehmens, Kaiser Friedrichs II. Aufenthalt in Jerusalem und den Besuch der Heiligen Stätten behandelt der Verfasser relativ kurz (S. 296-306). Auch diesmal stand Winkelmann Pate, zu nennen ist wiederum Kantorowicz, aus Pietät die Göttinger Dissertation Ernst Kestners aus dem Jahre 1873. Das Problem der Selbstkrönung hat Ernst Eberhard Mayer gelöst. Die Forschung ist sich einig, dass hier kein rechtskonstitutiver Akt hinsichtlich des Königreichs Jerusalem vorliegt. Zu unterscheiden ist zwischen Friedrichs II. Besuch der Grabeskirche, mit dem sein Aufenthalt als Pilger endete und damit sein Gelübde erfüllt wurde, und den anderen Maßnahmen als König von Jerusalem (S. 299 und 30). Störend nicht nur auf die Ereignisse damals, sondern bis in die Forschung hinein wirkte das obstruktive Verhalten des Patriarchen. Wichtig ist die Erwägung, dass Friedrich II. ein eigenes Diadem mitbrachte, weil die Krone des Königreichs auszuliefern von Johann von Brienne abgelehnt worden war.

 

Sofort nach der Rückkehr nach Italien stellte sich Friedrich II. die Aufgabe des militärischen Kampfes, weil Gregor IX. seine „Schlüsselsoldaten“ ins sizilianische Königreich einfallen ließ. Auf die Kämpfe ist hier nicht einzugehen. Politisch entscheidend war, dass eine Reihe deutscher Fürsten, darunter der Erzbischof von Salzburg, der Bischof von Regensburg und die Herzöge von Österreich, Steiermark, Meranien und Kärnten zum Kaiser kamen und auf die Lösung vom Bann hin arbeiteten. Unter entscheidender Mitwirkung Hermanns von Salza wurde der Vertrag von San Germano am 28.August 1230 geschlossen. Der Kreuzzug Friedrichs II. fand seinen Abschluss. Der Verfasser stellt auch hier das Gedenken an den Kreuzestod Christi als Friedrichs II. Motiv heraus. Man hätte ein wenig mehr eine breitere Berücksichtigung der Notwendigkeiten reichspolitischer Aktivitäten – Landfrieden, Verhältnis zum Sohn Heinrich (VII.), Böhmen, Erzbischöfe an Rhein und Mosel, Aktivierung der Reichsministerialität mit deren sozialer Eigenständigkeit, nicht zuletzt Rolle der Städte und Ringen der Großen im Voranschreiten ihrer territorialen Eigenständigkeit in Deutschland und Italien, etwa im Stil Wolfgang Stürners – gewünscht. Die Frage nach dem Nutzen oder eher nach dem Schaden eines derart alle finanziellen Mittel und die wirtschaftlichen Eigenkräfte der an solchen Großunternehmen Teilnehmenden sollte nicht vergessen werden. Doch das ergäbe ein mindestens ebenso sorgfältiges neues Buch.

 

Wiesbaden                                                                                                     Alois Gerlich