Gans, Eduard, Naturrecht und Universalrechtsgeschichte. Vorlesungen nach G. W. F. Hegel, hg. v. Braun, Johannes. Mohr (Siebeck), Tübingen 2005. LVII, 417 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der aus einer norddeutschen jüdischen Hoffaktorenfamilie in Berlin am 23. 3. 1797 als Sohn des Bankiers Abraham Isaak Gans geborene Eduard Gans schließt nach dem Studium von Recht, Philosophie und Geschichte in Berlin, Göttingen und Heidelberg als Schüler Anton Friedrich Justus Thibauts und Georg Friedrich Hegels die Rechtswissenschaft 1819 mit 22 Jahren summa cum laude ab. 1819 gründet er mit Freunden den Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden. 1820 wird er auf Empfehlung Hegels in Berlin Privatdozent, nach durch die sog. Lex Gans verhinderten Bewerbung um eine ordentliche Professur lässt er sich 1825 evangelisch taufen und wird 1826 außerordentlicher Professor und zwei Jahre später ordentlicher Professor.

 

Nach dem Vorwort des Herausgebers des vorliegenden Bandes sind Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts aus dem Jahre 1821 die bedeutendste Leitung des deutschen Idealismus auf dem Gebiet der politischen Philosophie, der man bis auf den heutigen Tag buchstäblich nichts zur Seite stellen kann. Allerdings erschließt sich dieser wegen Hegels Denkweise und Sprache schwer zugängliche Schatz nur bei erfahrener Führung. Diese bezweckt Eduard Gans durch eine zeitgenössische Paraphrase, die er seit 1827/1828 in Vorlesungen zunächst auf Grund einer Absprache und nach Hegels Tod (1831) gewissermaßen als Erbe vorträgt. Deren Inhalt rekonstruiert der Herausgeber zum besseren Verständnis sowohl Hegels wie auch Gans’.

 

Die Vorarbeiten zu dieser Ausgabe reichen nach der Angabe des Herausgebers bis in das Jahr 1976 zurück. Wenn nach nahezu 30 Jahren, allen Hindernissen zum Trotz, die Vollendung gelingt, steckt darin auch ein Stück Lebenswerk. Zu diesem endlichen bedeutsamen Erfolg kann man den Herausgeber nur beglückwünschen.

 

Seine ausführliche Einführung beginnt der Herausgeber mit der sog. Kronprinzengeschichte über den kurz vor dem Tode Hegels  eskalierenden Zwist zwischen Hegel und Gans über die Vorlesung Naturrecht und Universalrechtsgeschichte. Hierfür ermittelt er überzeugend den sachlichen Hintergrund, legt die Methode der Darstellung dar und erweist die Erweiterungen des Hegelschen Konzepts durch Gans. Im Ergebnis erkennt er in der Vorlesung ein geradezu atemberaubendes Panorama, das er als wissenschaftliche Rechtsenzyklopädie einstuft, der es darum geht, den Geist des Rechts, wie er sich in Europa gebildet hat und da ist, herauszuarbeiten.

 

Die rekonstruierte Vorlesung selbst zerfällt in drei Teile. Nach einer Einleitung und einer historischen Entwicklung der verschiedenen Ansichten über Naturrecht vom Altertum an (Griechen, Römer, Mittelalter, Beginn der Neuzeit, neuere Rechtsphilosophie) wird zunächst die Rechtsphilosophie im engeren Sinne behandelt (Das abstrakte Recht, Eigentum, Vertrag, Unrecht, Die Moralität, von der Zurechnung der Handlungen, von den Zwecken, von dem höchsten Gut, Die Sittlichkeit, die Familie, die bürgerliche Gesellschaft, der Staat), danach die Universalrechtsgeschichte (Orientalisches Recht, chinesisches Recht, indisches Recht, persisches Recht, ägyptisches Recht, mosaisches Recht, moslemitisches Recht, Griechisches Recht, Römisches Recht, Miittelalterliches Recht, Neuere Zeit) und in einem dritten abschließenden Teil ganz knapp Praktisches Recht oder Wissenschaft der Gesetzgebung.

 

An Gans’ Satz Hiermit schließen wir denn die ganze Vorlesung fügt der Herausgeber seine zahlreichen, dem heutigen Verständnis dienenden Fußnoten an. Es folgen der auf sechs Vorlesungsmitschriften aufbauende Editionsbericht einschließlich der verwendeten Grundsätze und die Abgrenzung zu anderen Editionen, an deren Schluss die weise Einsicht steht, dass am Ende eines langen Weges alle klüger sind als am Anfang, und ein Namensregister. Möge die mutige Edition der bedeutsamen Vorlesung in Gestalt eines flüssig lesbaren Textes dazu führen, dass der in Gegensatz zu Friedrich Carl von Savigny geratene, wegen seiner zeitnahen Ausstrahlungskraft bei den Studierenden sehr beliebte, mit 42 Jahren früh verstorbene Eduard Gans den ihm gebührenden Platz in der Geschichte des europäischen und universalen Rechts erhält.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler