Distler, Eva-Marie, Städtebünde im deutschen Spätmittelalter. Eine rechtshistorische Untersuchung zu Begriff, Verfassung und Funktion (= Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 207). Klostermann, Frankfurt am Main 2006. X, 272 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Städtebund als der vertragliche Zusammenschluss von Städten zu gemeinsamen Handeln ist eine bekannte Erscheinung der deutschen Rechtsgeschichte. Als Beispiele werden dafür die lombardische Liga von 1167, der rheinische Städtebund von 1254/1256, der schwäbische Städtebund von 1376/1381 und vor allem die Hanse genannt. Und doch taucht das Wort Städtebund im deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm erst mit einem Beleg Gustav Freytags (1816-1895) auf, wo jede politische Kraftentwicklung in Form eines Bündnisses (Ritterbünde, Städtebünde, die Hansa) erscheint.

 

Umso gespannter darf man einer Arbeit über Städtebünde entgegensehen, die von einer ehemaligen Stipendiatin des Graduiertenkollegs für mittelalterliche Rechtsgeschichte, neuzeitliche Rechtsgeschichte und juristische Zeitgeschichte in Frankfurt am Main und der International Max Planck Research School for Comparative Legal History in Frankfurt am Main zu diesem Thema verfasst wurde. Es ist die im Wintersemester 2004/2005 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Frankfurt am Main angenommene Dissertation der Bearbeiterin. Sie wurde von Gerhard Dilcher mit großem Erfolg betreut.

 

Sie gliedert sich in vier Teile. Zunächst werden ziemlich ausführlich Grundlagen und Methode geschildert und danach Begriffsgeschichte und Quellensprache sowie Verfassung und Funktion der Städtebünde untersucht. Am Ende stehen Zusammenfassung und Ausblick.

 

Bei den Grundlagen beginnt die Verfasserin tatsächlich mit dem vorherigen kleineren Bünden (z. B. Verona, Vicenza, Padua, Treviso 1164) folgenden Zusammenschluss vierzehner oberitalienischer Städte (Venedig, Verona, Mailand, Cremona, Vicenza, Padua, Treviso, Ferrara, Brescia, Bergamo, Lodi, Piacenza, Parma und Mantua) zu einer concordia civitatum im Dezember 1167 und als möglichem Abbild dem rheinischen Städtebund von 1254. Von hier aus weist sie auf die noch bestehende Lücke einer Gesamtgeschichte der deutschen Städtebünde hin und schildert ausführlich den Forschungsstand der seit 1843 (Karl Anton Schaab) festzustellenden wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Gegenstand bis zur Gegenwart. Mit guten Gründen entscheidet sie sich für eine Auswahl der vier Städteregionen Elsass, Schwaben, Sachsen und Rheingebiet und betrachtet die schweizerische Eidgenossenschaft und die Hanse als Sonderfälle.

 

Im zweiten Teil wendet sich die Verfasserin der Begriffsgeschichte und Quellensprache zu. Für das Lateinische ermittelt sie confoederatio, coniuratio, coniunctio, pax und concordia als immer wieder verwendete Bezeichnungen kommunaler Zusammenschlüsse. Dem entsprechen im Deutschen anscheinend Verbindung, Verbündnis oder Bündnis und im ausgehenden 14. Jahrhundert Bund, wobei die Verfasserin die bündischen Zusammenschlüsse von den städtevertraglichen Vereinbarungen grundsätzlich geschieden sieht.

 

Im dritten Teil widmet sich die Verfasserin der Verfassung und Funktion der Städtebünde. Dazu untersucht sie den Mitgliederkreis, das Versammlungswesen, die Gliederung in Gesellschaften, die Finanzverwaltung und Abgaben sowie Rechtsnatur und Geltungsgrund der städtebündischen Verfassung, wobei sie zu dem Ergebnis gelangt, dass das in den Städtebünden niedergelegte Recht je nach Region entweder auf Eid oder auf freundschaftlichem Treuegelöbnis beruhte. Als Ziele und Aufgaben der Städtebünde stellt sie Friedenssicherung, Friedensstiftung sowie Sicherung der Ratsherrschaft fest.

 

Abschließend fasst die Bearbeiterin ihre zahlreichen Ergebnisse kurz zusammen. Dabei sind ihr, obwohl mit Ausnahme des Elsasses kein Städtebund das Mittelalter überdauerte, die Städtebünde doch eine wesentliche Stufe auf dem Weg zur Durchsetzung und schließlich Anerkennung der Stadtgemeinde als politischer Herrschaftsträger. Im Anhang bietet die Verfasserin eine dokumentarische Übersicht über die fast 100 von ihr verwendeten Städtebundsurkunden der rheinischen, elsässischen, schwäbischen und sächsischen Städtebünde (von 1226 bis 1484) und rundet ihre anerkennenswerte, gut platzierte Leistung durch hilfreiche Verzeichnisse ab.

 

Innsbruck                                                                                                                  Gerhard Köbler