Die Weimarer Stadtbücher des späten Mittelalters. Edition und Kommentar, hg. v. Steinführer, Henning (= Veröffentlichungen der historischen Kommission für Thüringen, Große Reihe 11). Böhlau, Köln 2005. XXXVI, 266 S., 5 Abb. Besprochen von Adrian Schmidt-Recla.

 

Kurze Zeit nach der verdienstvollen Edition der Leipziger Ratsbücher hat Henning Steinführer nun die Edition der beiden erhaltenen spätmittelalterlichen Weimarer Stadt- bzw. Statutenbücher folgen lassen. Der Überlieferungszustand ist für Weimar offensichtlich nicht besonders reichhaltig – insofern schließt die Edition eine Lücke. Die von Steinführer nachgezeichnete Editionsgeschichte erhellt erneut die Schwierigkeiten, die sich der mittelalterlichen Rechtstatsachenforschung auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik seit 1945 in den Weg gestellt haben.

 

Die Edition der Weimarer Bücher – es handelt sich um ein Stadtbuch[1] (auch Ratshandelsbuch), das 1380 einsetzt und um ein Statutenbuch, das seit 1433 geführt wurde, aber auch ältere Statuten enthält – ist insofern für die Behandlung spätmittelalterlicher normativer und empirischer Rechtsquellen relevant, als Weimar mit seiner Ersterwähnung 899 eine aus fränkischer Perspektive diesseits der Saale gelegene städtische Ansiedlung war und seine Rechtstatsachen und Statuten deswegen den jenseits der Saale gelegenen kolonisatorischen Neugründungen gegenüber gestellt werden können. Weimar blieb im Mittelalter eine kleine, auf das nahe Umfeld beschränkte Stadt. Auch konnte sich die Stadt nicht von der Grundherrschaft der Grafen von Weimar-Orlamünde lösen. Erst 1410 wurde Weimar das Recht der thüringisch-landgräflichen Stadt Weißensee, die bereits seit 1265 Eisenacher bzw. Gothaer Stadtrecht besaß, verliehen.

 

Steinführer weist darauf hin, dass der Inhalt des Stadtbuches bislang noch keine umfassende Würdigung erfahren habe – die Edition wird eine solche erleichtern. Das Buch enthält 933 Eintragungen: Bürgerrechtsverleihungen, Ratslisten, die städtische Ordnung betreffende Willküren und Satzungen, Schuldanerkenntnisse, bedingte und unbedingte Verfügungen über bewegliche und unbewegliche Sachen oder Sachgesamtheiten[2], Verpachtungen, Eheberedungen, Zinsgeschäfte und Verpfändungen.

 

Neben den Beurkundungen von Privatrechtsgeschäften interessant sind Beurkundungen über verhängte Sanktionen bereits in der ersten Lage des Buches: neben Bußleistungen bei Verstößen gegen städtische Satzungen trat die Verhängung von „Torhaft“ – eine durchaus als öffentliche Strafe anzusprechende Maßnahme des Unrechtsausgleichs. Sie traf z. B. Bäcker, die zu kleine Brote buken, Gastwirte, die den Zoll des Gastes nicht weiterreichten oder Bürger, die Ratleute beleidigten. Neben – oder an Statt – der Haft auf einem der vier Stadttore wurde mitunter auch Steinbruchsarbeit geleistet. Ganz handgreiflich wird auf der anderen Seite auch der private Charakter des Unrechtsausgleichs, wenn Parteien einander vor dem Rat um Vergebung für zugefügtes Unrecht bitten und solche Vergebung mit den Worten „das taten sie“ gewährt wurde. Über 500 Einträge weisen Bürgerrechtsverleihungen auf, insbesondere aus dem Zeitraum 1398 bis 1418 – dem unmittelbaren Umfeld der angesprochenen Verleihung des Stadtrechts 1410.

 

Das Statutenbuch seinerseits enthält zwei landgräfliche Privilegien, zwei Erbhuldigungen wegen der sächsisch-hessischen Erbverbrüderung, Rats- und Bürgereide, das Marktrecht in mehrfachen Statuten, Maß- und Gewichtsordnungen, Bäcker- und Brauordnungen[3], eine Waidhandelsordnung, das Verbot des Waffentragens, Hochzeits- und Schulordnungen und dergleichen mehr. Hier werden die mittelalterliche Stadt und die Probleme, die in ihr zu regeln waren, deutlich sichtbar. Nicht enthalten sind mittelalterliche Statuten, die das Privatrecht betreffen.[4] Der letzte Eintrag, Nr. 62 aus dem Jahre 1480, passt überhaupt nicht an diese Stelle, sondern hätte in das Stadtbuch gehört – es ist eine Verfügung von Todes wegen eines Weimarer Bürgers.

 

Steinführers Werk, das die Vorarbeiten der ehemaligen Thüringer Staatsarchivare Wilhelm Engel und Willy Flach, die die Edition 1934 zwar in Angriff genommen, aber aus verschiedenen Gründen[5] nicht beendet hatten, zum endlichen erfolgreichen Abschluss bringt, erschließt die Weimarer Überlieferung nun in einer sehr handlichen Weise. Wie schon bei den Leipziger Ratsbüchern ist jeder Eintrag durch ein Regest erschlossen und sind die üblichen Register vorhanden.

 

Leipzig                                                                        Adrian Schmidt-Recla



[1] Die ursprünglich wohl chronologische Ordnung ist schon im Spätmittelalter nicht mehr eingehalten worden.

[2] Eine echte Verfügung von Todes wegen über den gesamten Nachlass bietet etwa Eintrag Nr. 10 aus dem Jahre 1402, bei dem hervorgehoben wird, dass der Verfügende mit gutem Willen und wohlbedachtem Mute auf einem Stuhl auf dem Steinwege sitzend vor Ratsmeister, Kämmerer, Zöllner, Stadtschreiber und Stadtknecht verfügt habe. Eintrag Nr. 262 weist einen Vertrag über den Nachlass eines noch lebenden Dritten nach – die Vertragsschließenden sind „von gesippe wegin“ erbberechtigte Brüder, die sich gleichzeitig verpflichten, einem weiteren Verwandten ein Viertel der Erbschaft folgen zu lassen.

[3] Die 1433 in das Statutenbuch eingeschriebene Brauordnung (Nr. 16) enthält auch ein Reinheitsgebot für Bier: „ouch sal keyn bruwer anders zcu syme bere thuen, denn malcz unde hopphen, keyne steynworcz, nach harcz sal keyn man zcu sime bire thuen“.

[4] Solche Regelungen brachte nach Steinführers Angaben eine 1590 erfolgte Neufassung der Statuten.

[5] Zusammengefasst von Steinführer auf S. XII-XV.