Zacher, Clemens, Die Entstehung des Wirtschaftsrechts in Deutschland. Wirtschaftsrecht, Wirtschaftsverwaltungsrecht und Wirtschaftsverfassung in der Rechtswissenschaft der Weimarer Republik (= Schriften zum Wirtschaftsrecht 153). Duncker & Humblot, Berlin 2002. 373 S.

 

Der Begriff „Wirtschaftsrecht“ ist jünger als die zum Teil darunter zusammengefassten Rechtsgebiete und er ist mindestens doppeldeutig. Schaut man sich etwa die Bezeichnung privatrechtlicher Lehrstühle (u. a. für „Handels- und Wirtschaftsrecht“) an, dann steht der Begriff „Wirtschaftsrecht“ z. B. auch für das Gesellschafts- oder Wertpapierrecht. Deren Entstehung steht freilich nicht im Mittelpunkt von Zachers Untersuchung. Dem Autor geht es vielmehr um die Entstehung des „Wirtschaftsrechts“ als dem Teil der Rechtswissenschaft, der das Verhältnis des Staates zum „Wirtschaftsleben“ in den Blick nimmt, also insbesondere das Wirtschaftsverwaltungs- und Wirtschaftsverfassungsrecht. Zacher stellt uns mit seiner Frankfurter Dissertation die Entstehung des „Wirtschaftsrechts“ als Wissenschaftsdisziplin vor, wobei er überzeugend herausarbeitet, dass die Geschichte des „Wirtschaftsrechts“ gerade nicht entweder der Privatrechtsgeschichte oder der Geschichte des öffentlichen Rechts unterfällt. Die „Wirtschaftsrechtsgeschichte“ basiert, so Zacher, vielmehr „auf Elementen beider Denktraditionen verbunden mit einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise“.

 

Die Entwicklung der Wissenschaftsdisziplin „Wirtschaftsrecht“ beginnt für Zacher mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Der Autor führt den Leser zunächst durch das Dickicht der kriegswirtschaftlichen Gesetzgebung, um sich anschließend der wissenschaftlichen Reflexion des Kriegswirtschaftsrechts zu widmen. Die nur kurze Betrachtung der normativen Grundlagen ist angesichts der theorie- und wissenschaftsgeschichtlichen Ausrichtung des Buches methodisch konsequent. Sie liefert den notwendigen Ausgangspunkt für die rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung nach 1918.

 

Zacher unterteilt die ideengeschichtliche Entwicklung des Wirtschaftsrechts in der Weimarer Republik in drei Phasen: In der ersten Phase von 1914-1926 ringt die Rechtswissenschaft zwar noch um Begriff und Gegenstand der Disziplin „Wirtschaftsrecht“; die Autoren waren sich aber einig, dass das Wirtschaftsrecht nicht schlechthin „das Recht der Wirtschaft“ war, sondern die neue Rolle des Staates und die Abkehr von einer rein privatrechtlichen Perspektive zum Ausdruck brachte. Dementsprechend wurde „Wirtschaftsrecht“ z. B. definiert als Recht der organisierten Wirtschaft oder als rechtlicher Ausdruck der vielfältigen Formen der Staatsintervention. Zacher bleibt jedoch nicht bei dieser inhaltlichen Auseinandersetzung stehen, sondern untersucht auch, inwiefern die Auffassungen rechtssoziologischen und rechtsphilosophischen Einflüssen ausgesetzt waren. Die zweite Phase von 1926-1930 lässt sich mit dem Begriff „Konsolidierung“ überschreiben. Das Wirtschaftsrecht als Fachdisziplin war anerkannt; die Autoren widmeten sich nun der Systematisierung und der Beantwortung von Einzelfragen. Sie thematisierten das Verhältnis von öffentlichem Recht und Wirtschaftsrecht und begannen damit, Schwerpunktmaterien herauszubilden, wie etwa das Kartellrecht oder die Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand. In der dritten Phase von 1930-1933 wird nicht nur die Republik, sondern auch die Disziplin Wirtschaftsrecht von der Weltwirtschaftskrise überrascht. Es gelang den Vertretern des Wirtschaftsrechts nicht, so Zacher, den nun anbrechenden Staatsinterventionismus der Notverordnungen rechtlich zu verarbeiten. Das lag auch an der fehlenden Grundübereinstimmung der Autoren über die wirtschaftliche und politische Gestalt der Weimarer Republik.

 

Zacher legt eine überzeugende, gründlich recherchierte Untersuchung über das „Wirtschaftsrecht“ der Weimarer Republik vor, das sich im Schnittbereich von privatem und öffentlichem Recht entwickelte. Betont werden muss, dass der Autor das wirtschaftsrechtliche Schrifttum in den Kontext der wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen stellt, in der sozialistische, konservativ-autoriäre und liberale Positionen das Feld beherrschten. Das er dabei auch die Verbindungslinien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte zieht, ist für rechtshistorische Arbeiten leider (immer noch) nicht selbstverständlich.

 

Bayreuth                                                                                                        Louis Pahlow