Westfälisches Urkundenbuch, Band 11 Die Urkunden des Kölnischen Westfalen 1301-1325, Lieferung 3 1320-1325, bearb. v. Wolf, Manfred (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 1, 11, 3). Aschendorff, Münster 2005. VIII, 1003-1670 S.

 

Mit der vorliegenden dritten Lieferung wird ein gewaltiger Band des Westfälischen Urkundenbuches binnen erstaunlich kurzer Zeit konzentriert zum Abschluss gebracht. Die beiden ersten Lieferungen erschienen 1990 und 2000. Die nun veröffentlichte Abschlusslieferung im Umfang von 670 Druckseiten bietet die Urkundentexte für nur fünf Jahre (Nrn. 1709-2245), dazu Nachträge zu den Jahren 1304-1319 unter Nrn. 2246-2251 und einige Corrigenda auf S. 1341. Abgeschlossen wird der Band durch opulente, mehr als 300 Druckseiten umfassende Indices. Der Respekt für die Leistung des Editors ist auch Respekt vor dem Durchhaltevermögen angesichts der Masse an Arbeit, die hier zu bewältigen war und überzeugend bewältigt worden ist. Zu wiederholen ist, was anlässlich der zweiten Lieferung bereits an dieser Stelle gesagt wurde: Ein vielgestaltiger Inhalt eröffnet dem Landeshistoriker, in bescheidenem Umfang auch dem Diplomatiker, vielfältige Einsichten. Das Ausmaß ungedruckten Materials hat noch einmal zugenommen; besonders Archive kleinerer Städte und Privater steuern einen erheblichen Teil der überwiegend im Volltext gedruckten Überlieferung bei. Nicht wenige Urkunden wurden allerdings erst durch die konsequente Durchsicht neuzeitlicher, überwiegend gelehrter Abschriften ausfindig gemacht. Nachdenklich stimmt, dass bei einer ganzen Reihe von edierten Stücken allein deswegen auf ältere Drucke zurückgegriffen werden musste, weil die Ausfertigungen mittlerweile als verloren gelten müssen, und dies nicht nur der leider zahlreichen Kriegsverluste im Zweiten Weltkrieg wegen.

 

Inhaltlich dominiert – wie bei den beiden vorangegangenen Lieferungen – die typisch spätmittelalterliche Überlieferung von Stiftungen und Schenkungen, Verkäufen und Verpfändungen, Rentengeschäften und Güterteilungen. Damit wird zu guten Teilen die Normalität territorialer und städtischer Schriftlichkeit des 14. Jahrhunderts so abgebildet, wie man sie auch aus anderen Landschaften kennt. Einige wenige Stücke fallen aus ganz unterschiedlichen Gründen ins Auge: Die Regelung der archidiakonalen Befugnisse eines Soester Stiftsdechanten im Jahre 1321 (Nrn. 1792-1794) führt in die Lebenspraxis des Niederkirchenwesens. Die zahlreichen, meist aber schon anderweit gedruckten Schiedssprüche als Beendigungen von Fehden, etwa zwischen Köln und Waldeck 1321 (Nrn. 1749-1750), führen zu den häufiger werdenden Landfriedens- und Städtebündnissen, etwa zwischen Köln und Münster 1322 (Nrn. 1907, 1909); Dutzende von Beispielen wären hier hinzuzufügen und zeigen die Intensität des Bündnisnetzes gerade in dieser Landschaft. Geregelt wird die Anlage neuer Armenfriedhöfe in Soest 1323 (Nr. 2000) oder die Freilassung aus der Ministerialität (Nr. 2032 u. ö.).

 

Ausgesprochen selten nur begegnen Königsurkunden (1323/1324, Nrn. 1950, 2054, 2055, alle für Dortmund) oder Papsturkunden (Nrn. 2061, 2062, 2069, 2108): Auch das westfälische Spätmittelalter wird regionaler und im Einzugsbereich bescheidener. Selbst die obligaten Hansesachen, die die vorhergehenden Jahre noch wesentlich deutlicher bestimmt hatten, treten in der Breite deutlich zurück (Nrn. 2072, 2075, 2076, 2095, 2206 u. ö.). Für Spezialisten finden sich einige Sammelablässe aus dem Umkreis des Papsthofes (Nrn. 1709, 1873, 1874, 1882, 2082, 2096, 2199, 2240, teils mit erzbischöflichen Bestätigungen), eine immer noch zu wenig beachtete Quelle für die Prosopographie auch entlegener und ansonsten kaum bekannter Bistümer des Orbis Christianus.

 

Eine Fundgrube besonderer Art sind die beiden Indizes (Personen und Orte S. 1343-1539, Sachen S. 1540-1670), über die sich so verschiedene Dinge wie das Einlager (überwiegend in Dortmund oder Soest), das Vorhandensein von Burglehen oder die verschiedenen Währungen recherchieren lassen. Natürlich bleiben auch hier Wünsche offen, etwa nach der Identifikation der Orte durch Angaben wie moderne Landkreise, aber die Zahl der offensichtlichen Fehler ist außerordentlich gering (S. 1446 Linköpping lies: Linköping).

 

In bescheidenem Umfang ist Kritik zu wiederholen, die auch bei Gelegenheit der zweiten Lieferung schon geäußert worden war: Nichturkundliche Quellen gehören nicht in ein Urkundenbuch; das betrifft im Falle der vorliegenden Lieferung Auszüge aus historiographischen Werken des 18. Jahrhunderts, aus denen man Deperdita erschließen kann, aber keineswegs zwingend ableiten muss (Nrn. 1807, 1808, 1810, 2154 u. ö.) und die deshalb eher in ein Regestenwerk gehört hätten. Die vatikanische Überlieferung ist wiederum allein nach vorherigen Drucken wiedergegeben, eine Tatsache, die man vor allem deswegen bedauern mag, weil die Intensität der Durchforschung des urkundlichen Materials vatikanischer Provenienz in den letzten Jahrzehnten mehr als bisher nach Volldrucken verlangt, wo sich Wolf mit Regestenabdrucken begnügt. Vereinzelte Versehen in den Angaben zu Überlieferung und Drucken sind wahrlich Ausnahmen geworden; der Band ist noch einmal besser redigiert worden als die vorangegangene Lieferung.

 

Glückwunsch und Dank an den Bearbeiter Manfred Wolf und die herausgebende Historische Kommission für Westfalen sind verdient: Die Erforschung der Geschichte des kölnischen Westfalen bis zum Jahre 1325 ist nun auf ein wahrlich umfassendes Fundament gestellt worden. Allem menschlichen Ermessen gemäß wird eine Fortsetzung in gleicher Weise über das Jahr 1325 – wenn sie überhaupt möglich ist – Jahrzehnte editorischer Arbeit kosten. Auch das sichert der beeindruckenden Leistung Wolfs langen Bestand.

 

Osnabrück                                                                                                   Thomas Vogtherr