Stolte, Stefan, Versandhandel und Verbraucherschutz. Entstehung und Genese in rechtshistorischer Perspektive (= Forschungen zur neueren Privatrechtsgeschichte 30). Böhlau, Köln 2005. XIII, 304 S.

 

Der große Ökonom Gustav Schmoller, der die Wirtschaft der Gründerzeitjahre stets aufmerksam verfolgte, schrieb 1870, dass „Kleidermagazine geleimte statt genähte Hosen verkauften, die im Regen bedenkliche Resultate geliefert haben sollen“. Dieses hübsche Zitat findet sich in der bemerkenswerten Dissertation Stefan Stoltes. Er bringt die besondere Gefahr des Versandhandels oder Fernabsatzes auf einen Punkt und sieht sie aus der Käuferperspektive in der Unsichtbarkeit des Vertragspartners und des Produktes.

 

Der Käufer verlässt sich auf die Beschreibung der Ware durch den Verkäufer, im allgemeinen durch Kataloge, Teleshopping-Sendungen oder eine Internetseite, mithin also auf eine Mitteilung, die von nur einer Seite und nach Marketinggesichtspunkten gestaltet wird. Und da der Mensch der Mensch ist, klärt der Verkäufer den Käufer nicht immer vollständig über die Ware auf, fabuliert gelegentlich sogar nicht vorhandene Eigenschaften derselben hinzu oder legt sie nahe. Das nennt man dann in der Entscheidungstheorie eine Informationsasymmetrie. Der Volksmund kennt deutlichere Bezeichnungen, nicht nur der berlinische.

 

Das Fernabsatzgeschäft betrifft neben den genannten noch eine Vielzahl anderer Problemfelder (Wirksamkeit und Zeitpunkt des Vertragsschlusses, fehlende Gleichzeitigkeit des Austauschs der synallagmatischen Leistungen, Greifbarkeit der Vertragsteile im Klage- und Vollstreckungsfall). Keineswegs ist der Verkäufer stets der Böse und der Käufer der Gute; die Rollen sind austauschbar. Die Fragen des Käuferschutzes stehen aber durchaus im Vordergrund.

 

Erst im Jahr 2000 bekam das deutsche bürgerliche Recht mit der Umsetzung der europäischen Fernabsatzrichtlinie im Fernabsatzgesetz einen zusammenhängenden Regelungskomplex des Versandhandels; seit der Schuldrechtsreform ist er in §§ 312b bis 312f BGB zu finden. Freilich gab es schon vor dem Fernabsatzgesetz vereinzelte einschlägige Regelungen des Versandhandels.

 

Stolte gliedert seine Darstellung des Versandhandels und seiner rechtlichen Betrachtung in drei Teile. Im ersten Teil geht es um den Zeitraum zwischen 1869 und 1949, im zweiten Teil um die Evolution des Versandhandels und seine Entdeckung durch die Verbraucherschutzbewegung von 1949 bis 2000, und im dritten Teil um die Entdeckung des Versandhandels als Promoter des Binnenmarktes und die Kodifizierung des Fernabsatzrechts.

 

Stoltes Arbeit, die unter der Ägide Mathias Schmoeckels in Bonn entstand, ist eine umfassende Rechtsgeschichte des Verbraucherschutzes im Versandhandel. Sie gehört in jede Bibliothek zur neueren Privatrechtsgeschichte und in die Hand jedes Kommentators der einschlägigen Normen.

 

Berlin                                                                                                             Wolfgang Pöggeler