Söhnchen, Markus, Die historische Entwicklung der rechtlichen Gründungsvoraussetzungen von Handels- und Aktiengesellschaften (= Schriften zur Rechtsgeschichte 118). Duncker & Humblot, Berlin 2005. 235 S.

 

Ziel und Aufgabe der Arbeit Söhnchens ist es, „die historische Entwicklung der rechtlichen Gründungsvoraussetzungen von Personen-, Handels- und Aktiengesellschaften bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zu untersuchen“ (S. 18). Dabei soll gezeigt werden, dass die Grundlagen des heutigen Gründungsrechts im Wesentlichen bereits im 19. Jahrhundert oder früher gelegt worden seien und dass weitere Änderungen des Gründungsrechts erst in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erfolgt sind. Für das Recht der offenen Handels- und Kommanditgesellschaften beginnt der Verfasser mit den süddeutschen Handelsgesellschaften des 15./16. Jahrhunderts; die hansischen Gesellschaften werden nur am Rande behandelt (S. 22f.). Unter Einbeziehung der Nürnberger Reformation von 1479/1564 und der Frankfurter Reformation von 1578 sowie des gemeinen Rechts der societas stellt der Verfasser die Gründungserfordernisse – wie auch in allen folgenden Teilen – systematisch dar (Zustandekommen des Gesellschaftsvertrags, Formerfordernisse, Inhalt des Vertrags: Gesellschaftszweck, Gesellschafter, Beitragspflichten, Firma, Beteiligung am Gewinn und Verlust, Publizitätsverpflichtungen, Geschäftsführung, Beginn der Gesellschaft). Während die im Wesentlichen kodifikationslose Zeit des 17. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts weitgehend unberücksichtigt bleibt, kommt der Verfasser nach dem Codex Maximilianeus, der die Handelsgesellschaften nicht besonders regelte – wie sah die bayerische Praxis für Handelsgesellschaften bis zum Inkrafttreten des ADHGB aus? – zum preußischen Allgemeinen Landrecht, das zwischen der zivilen und der Handelsgesellschaft unterschied; entgegen einer in der Literatur vertretenen Meinung kannte das ALR eine der heutigen Kommanditgesellschaft entsprechende Gesellschaftsform nicht (vgl. S. 66). Mit Recht stellt der Verfasser fest, dass das Recht der Handelsgesellschaften durch die ausführliche Regelung im ALR erheblich weiter entwickelt wurde. Es folgt ein Abschnitt über das aus dem Code de commerce entnommene Badische Handelsrecht als Anhang zum Landrecht von 1810 (S. 83ff.). Es ist zwar zutreffend, dass mit dem Badischen Handelsrecht die Geschichte einer eigentlichen Kodifikation handelsrechtlicher Materien in Deutschland begonnen hat (S. 83); jedoch ist dem hinzuzufügen, dass der Code de commerce in den zu Frankreich gekommenen linksrheinischen deutschen Gebieten schon seit 1808 galt und nach 1814 dort und im rechtsrheinischen Berg bestehen blieb, während er in den hanseatischen Departements, in Ostwestfalen und im nördlichen Teil des Großherzogtums Berg außer Kraft gesetzt wurde. Wegen des umfangreichen Geltungsgebiets des rheinisch-französischen Rechts hat der Code de commerce insgesamt eine größere Bedeutung erlangt als das Badische Handelsrecht. Der Code de commerce machte Deutschland mit der modernen Kommanditgesellschaft bekannt und weitete im Gegensatz zum ALR die Möglichkeit aus, Handelsgesellschaften zum Betrieb eines Unternehmens zu gründen. Der erste Abschnitt wird abgeschlossen mit den Regelungen zur Gründung von Handelsgesellschaften nach dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch von 1861 (S. 97ff.). Auf die Neufassung des HGB von 1897 geht der Verfasser nicht mehr detailliert ein.

 

Der Abschnitt über die rechtlichen Voraussetzungen für die Gründung von Aktiengesellschaften (S. 109ff.) beginnt mit den brandenburgischen Handelskompagnien des 17./18. Jahrhunderts. Mit guten Gründen leitet der Verfasser die Handelskompagnien aus dem römischrechtlichen collegium als Unterart der universitas her (S. 113ff.); sie konnten deshalb nur durch einen Legislativakt (Octroi) entstehen und brachten den Gesellschaftern (Aktionären) den Vorteil der Haftungsbeschränkung. Maßstäbe für den Inhalt des Gesellschaftsvertrags (Statut; Reglement) bestanden nur in geringem Umfang (vgl. D. 3, 4, 1, 1). Grundsätze zur Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung waren nicht bekannt. Das ALR behielt das Octroi-System bei und verlangte für die Verleihung von Korporationsrechten grundsätzlich einen gemeinnützigen Zweck. Demgegenüber führten der Code de commerce und das Badische Handelsrecht in Teilen Deutschlands das Konzessionssystem ein, das sich grundlegend vom Octroi-System unterschied und die geplanten Gesellschaften vor allem mit Rücksicht auf einen geordneten Kapitalmarkt einer staatlichen Reglementierung unterwarf. Das preußische Aktiengesetz von 1843 brachte auch für die landrechtlichen Gebiete das Konzessionssystem, das zu einem nicht unerheblichen Teil auf den Gedanken der Fiktionstheorie Savignys beruhte, der zu dieser Zeit neben Mühler Justizminister war (S. 160ff.). Das ADHGB baute das System des Aktiengesetzes von 1843 weiter aus (Erfordernis der Handelsregistereintragung), eröffnete jedoch den Bundesstaaten die Möglichkeit, von dem Erfordernis der staatlichen Konzession zur Gründung von Aktiengesellschaften abzusehen. Die im ADHGB erstmals geregelte Kommanditgesellschaft auf Aktien ging auf Art. 38 Code de commerce zurück und hatte, da sie genehmigungsfrei war, bis zur Einführung des Normativsystems in den französisch-rechtlichen Gebieten wie auch in Frankreich selbst eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. Die folgenden Abschnitte befassen sich anhand der neueren Quellensammlungen mit der Abschaffung des Konzessionssystems durch die Aktienrechtsnovelle von 1870, mit der Schaffung von Normativbestimmungen, die sich in der Gründerkrise beide als unzureichend erwiesen, sowie mit der erheblichen Verschärfung der Gründungsvorschriften durch die Aktienrechtsnovelle von 1884, die damit über ein Jahrhundert weitgehend festgeschrieben waren. Der Gesetzgeber sah sich allerdings 1892 gezwungen, für kleinere und mittlere Kapitalgesellschaften die GmbH als neue Gesellschaftsform mit einem erheblich vereinfachten Gründungsrecht zuzulassen, auf das der Verfasser leider nicht mehr näher eingeht.

 

Die Untersuchungen werten für die Zeit bis zu den naturrechtlichen Kodifikationen die Gesellschaftsverträge der süddeutschen Handelsgesetze und die Octrois sowie Statuten der brandenburgischen Handelskompagnien aus. Für die Folgezeit beschränkt sich der Verfasser im Wesentlichen auf die Gesetzgebungsgeschichte des Gründungsrechts für Handels- und Aktiengesellschaften. Die Entwicklungen in den europäischen Nachbarstaaten sind nur am Rande berücksichtigt wie auch die handelsrechtliche Rechtsdogmatik wohl etwas zu kurz kommt. Die reichhaltigen Diskussionen zur Reform des Aktienrechts zwischen 1926 und 1937 sind nicht mehr Gegenstand der Untersuchungen gewesen. Insgesamt liegt mit dem Werk Söhnchens ein guter Überblick über die Entwicklung des Gründungsrechts für die Handels- und Aktiengesellschaften vor, der den erreichten Forschungsstand insbesondere für das Aktienrecht kritisch sichtet.

 

Kiel

Werner Schubert