Meder, Stephan, Rechtsgeschichte. Eine Einführung, 2. Aufl. (= UTB 2299). Böhlau, Köln 2005. XIV, 459 S.

 

Stephan Meder legt nunmehr die um knapp 90 Seiten erweiterte zweite Auflage seiner Rechtsgeschichte vor, deren erste Auflage ich bereits in ZRG Germ. Abt. 121 (2004), 523f. besprochen habe. Meder hat zahlreiche Anregungen eingearbeitet (Vorwort) und verschiedene Themen ausdifferenziert. Auf die wichtigsten Änderungen gehe ich im Folgenden ein.

 

In Kapitel 1 zum antiken römischen Recht findet sich neu ein Abschnitt von zwei Seiten Länge zum Thema der „Entstehung des Rechts aus der Gewalt“, dem eine anthropologisch-soziologische Beobachtung zugrunde liegt, wonach Recht aus Gewalt entstehe. Dem differenzierenden Diskussionsansatz Meders, dass zuerst Gewalt sei, bevor Unrecht entstehe, ist sicher zuzustimmen. Hingegen stellt der idealtypische Gegensatz von konfrontärer Selbsthilfe versus regulierender Mediation, der diesem Diskussionsgegenstand unterstellt wird, das eigentliche Problem dar. Denn diese Dichotomie beruht ihrerseits auf der enthnologischen Auffassung von archaischer versus zivilisierter Gesellschaft, eine soziale Konzeption des 19. Jahrhunderts. Meders Zitation von Jhering in diesem Zusammenhang  ist daher gewiss zutreffend, denn Jhering selbst hatte auch (nicht nur) Vorstellungen, die dem Zeitgeist des sozialdarwinistischen Konkurrenzkampfes um Lebensraum nahekamen, wie Meder selber S. 341 ausführt. Deshalb müsste dieser Ansatz weiter kritisch diskutiert werden, weil auch die neueste Forschung nicht schon wahre Aussagen garantiert. In Kapitel 2 erfolgen Weiterungen zum prätorischen Recht und den Juristen der Frühklassik Roms. Schließlich erhalten bei den Stammesrechten auch die Westgoten und Burgunder ihren Platz (Kapitel 5).

 

Als klug beurteile ich die Umstellung der Kapitel 6 und 7, denn in der Tat gehen die Leistungen der Kirche als universaler Nachfolgerin von Strukturen des römischen Imperiums den mittelalterlichen Rechtsaufzeichnungen weit voraus. Dass nunmehr die Zweischwerterlehre eigens kurz erwähnt wird, war notwendig. Ob die These vom „Gottesstaat“ auf das – wenn auch – „Heilige Reich“ zutrifft (S. 134f.), halte ich aus verschiedenen Gründen für fraglich, träfe aber mit Sicherheit auf Bestrebungen der Reformationszeit wie etwa unter Calvin zu, der sich an Augustinus orientierte, und den bereits beamtenmäßig organisierten territorialstaatlichen Verwaltungseinheiten der frühen Neuzeit.

 

Der Text von Kapitel 7 bis und mit 16 wurde kaum verändert. Der Umfang wurde um vier Seiten aufgestockt. Im Kapitel 17 werden nun auch die schweizerischen Kodifikationen des Privatrechts zur Kenntnis genommen. Eine gewisse Ausdifferenzierung erfolgt schließlich zum Spannungsfeld des formalen und materialen Rechtsdenkens, wobei Meder seine hervorragende Monografie zu Savignys Rechtstheorie, die 2004 erschienen ist, hier zu Recht produktiv nutzt.

 

Schließlich wird ein neues Kapitel 20 zur Nachkriegszeit von zwanzig Seiten Umfang eingeschoben und das bisherige Kapitel um drei Aspekte erweitert. Dabei werden im Wesentlichen die Entwicklungen der Staaten und ihres Rechts in Ost- und Westdeutschland dargestellt. Wichtiger als diese auf die herkömmliche deutsche Rechtsgeschichte fokussierte Darstellung erscheint mir die Thematisierung von Aspekten der Verfassungsauslegung und Drittwirkung von Grundrechten, der Entwicklung des Strafrechts und der Autonomie des Rechts. Ich beurteile diese Neugestaltung des Schlusses in pädagogischer Hinsicht als sehr positiv, macht Meder damit den Studierenden klar: Die konkrete Rechtsordnung wie das Rechtsdenken selbst sind stets historische Phänomene vor dem Hintergrund der Kernfragen, was Gerechtigkeit sei. Und dadurch erhält Meders Rechtsgeschichte als Einführung ins Recht auf geschichtlicher Grundlage ihre besondere Bedeutung.

 

Zürich                                                                                                                        Marcel Senn