Cuadernos de Historia del Derecho, hg. v. Departamento de Historia del Derecho, Bd. 11. Servicio de publicaciones Universidad Complutense, Madrid 2004. 379 S.

 

Das Institut für Rechtsgeschichte der Madrider Universität Complutense setzt seine Jahrbücher für Rechtsgeschichte mit Band 11 fort, der insbesondere Aufsätze zur Neuzeit, aber auch zum Mittelalter beinhaltet. Die Beiträge sollen im Folgenden jeweils kurz gewürdigt werden.

 

Den Anfang macht Mario Ascheri mit seinem Aufsatz über die Institutionengeschichte von der italienischen Warte aus gesehen („La Storia Istituzionale: un punto di vista italiano“), der eine Theorie der Institutionen begründen will, die von der persönlichen Erfahrung des Autors bei der Durchsicht der Institutionen des Mittelalters ausgeht. Leitgedanke ist hierbei, dass mittels Dauer und Charakter der Institutionen bestimmte Interessen und Werte rechtlich umhegt werden sollten. Ungeachtet der Vielfalt an konkreten Voraussetzungen und Tragweite der politischen Institutionen bestanden gleichwohl gemeinsame Strukturmerkmale der Institutionen. So hat die Studie auch zum Ziel, nicht bloß aus der Sicht des Gelehrten des italienischen Mittelalters, sondern ebenfalls von der Warte des gegenwärtig lebenden Rechtshistorikers Bausteine der Institutionengeschichte darzulegen.

 

Pedro Ortego Gil weist in seinem Aufsatz „El marco normativo de la carrera civil de Ultramar (1852-1899)“ nach, dass das Recht für die Beamten der allgemeinen Verwaltung des Staates in Übersee zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Beamtenrecht der Iberischen Halbinsel zum Vorbild nahm. Das Statut der Beamten in Übersee litt aber vor allem an den politischen Wechseln. Die Hauptprobleme bestanden einmal in der Integration der eingeborenen Bevölkerung der niederen Kategorien und Klassen sowie zusätzlich in der Festlegung von Besoldungszulagen zur Entschädigung der in diesen Gebieten arbeitenden Beamten. Der Beitrag bietet insgesamt ein wichtiges Forschungsresultat für die Beurteilung der Kolonialverwaltung.

 

Luís Miguel Duarte widmet sich dem portugiesischen Gerichtssystem im Mittelalter und liefert ein Bestandsverzeichnis von Zweifelsfällen („A Justiça Medieval Portuguesa - Inventário de dúvidas“). Er geht vom Problem der Wirksamkeit der Rechtsnormen aus, um die Gerichtsbarkeit der weltlichen Herrscher sowie deren Streitfälle bzw. die Zusammenarbeit mit der königlichen und der kirchlichen Gerichtsbarkeit zu hinterfragen. Ferner berücksichtigt er die Gerichte auf Ortsebene und schenkt dem allgemeinbildenden und juristischen Ausbildungsprofil der Richter besondere Aufmerksamkeit; damit offeriert der Verfasser einen tiefen Einblick in die Justizverwaltung des mittelalterlichen Portugal.

 

Zum portugiesischen Kolonialrecht im 17. und 18. Jahrhundert hat Rui de Figueiredo Marcos geforscht („Uma página do Direito Colonial Português nos Séculos XVII e XVIII”), indem er die verwaltungsrechtliche Facette des ehemaligen portugiesischen Kolonialrechts untersucht und dabei dem alten System der so genannten Kolonie-Konzessionen sein Hauptaugenmerk schenkt, d. h. den Rechten zur Erschließung und Ausbeutung von Territorien.

 

Wieder nach Spanien kehrt Braulio Díaz Sampedro zurück, der mit Lorenzo Arrazola einen außerordentlichen Juristen und Politiker des spanischen 19. Jahrhunderts unter die Lupe nimmt (Lorenzo Arrazola: semblanza de un gran político y un gran jurista”). Arrazola war Präsident der Regierung, sechsfacher Minister für Begnadigung und Rechtspflege sowie Abgeordneter der gemäßigten Partei und Senator auf Lebenszeit. Zudem wirkte er als Präsident der Königlichen Akademie für Gesetzgebung und Rechtsprechung und als Präsident des Obersten Gerichtshofes, bevor er zuletzt sein großes Werk der spanischen Enzyklopädie für Recht und Verwaltung herausgab.

 

Carmen Losa Contreras studiert den spanischen Einfluss in der Justizverwaltung des unabhängigen Mexiko („La influencia española en la administración de justicia del México independiente“). Der Zweck dieser Arbeit ist es, den starken Einfluss der liberalen Gesetzgebung aus Cádiz (Verfassung von 1812) bzgl. des Gesetzes, das die Justizverwaltung in den Gerichten des Staates von Oaxaca vom 12. März 1825 regelte, herauszuarbeiten. Dieses Gesetz kann man getrost als Pionierarbeit im Prozess der Zivilrechts- und Verfahrensrechtskodifikationen im unabhängig gewordenen Mexiko ansehen.

 

Ausgehend von den Bittschriften, die in den besonderen Notizsammlungen von Toledo der Cortes von Karl I. enthalten waren, untersucht María del Pilar Esteves Santamaría gemeindliche Rechtsfragen, welche das Rathaus von Toledo in jener Zeit beschäftigten und die für die Geschichte der Stadt sehr bedeutungsvoll waren („Los cuadernos particulares de Toledo en las Cortes de Carlos I: cuestiones municipales“). María Dolores Madrid Cruz befasst sich mit der Rechtskraft des spanischen königlichen Foralrechtes in „Acerca de la vigencia del Fuero Real: algunas disposiciones procesales del Concejo de Ágreda en 1306”. Die Untersuchung der Rechtskraft des Fuero Real belegt, wie sehr sich das königliche Foralrecht in die rechtliche Struktur des Mittelalters einfügte. Der Beitrag beleuchtet zudem einige prozessrechtliche Verfügungen, die im Jahre 1306 vom Rat von Ágreda verordnet wurden, wobei die zentrale Frage aufgeworfen wird, ob es sich um traditionelles Recht der Fueros oder Einflüsse aus Bologna handelte.

 

Susana García León (La justicia indígena en el siglo XVI. Algunos pleitos en lengua náhuatl“) liefert neue Erkenntnisse zu den Rechtsprozessen im „Neuen Spanien“ anhand der Sprache der Eingeborenen (Náhuatl), die in der Provinz von Tlaxcala vorkamen, und erklärt die Organisation der Justizverwaltung dieser Provinz.

 

Nachdem sich Thomas Gergen, in Fortführung seiner Dissertation „Pratique juridique de la paix et trêve de Dieu à partir du concile de Charroux (989-1250)[1]“, mit dem Schutz von Personen und Gütern durch die mittelalterlichen Gottesfrieden, insbesondere in Katalonien, beschäftigt hat („La Paz de Dios y la protección de personas y de bienes“), schließt sich die Betrachtung von Juan Martos Quesada zum Koran als Rechtsquelle im Islam an („El Corán como fuente de derecho en el Islam“). Neben den Sammlungen von Kommentaren Mohammeds und seiner Nachfolger (Hadith) stellt der Koran eine der Hauptrechtsquellen in der islamischen Welt dar. Der lesenswerte Beitrag analysiert deren rechtlichen Inhalt, die Vorgehensweise bei der Publikation der Normen, den Unterschied hinsichtlich anderer religiöser und rechtlicher Bücher sowie deren Stellenwert innerhalb der Rechtsquellen des Islam.

 

Emilio de Benito Fraile zeichnet in „La administración de justicia vista desde el enfoque del refranero español” das Bild der Justizverwaltung aus der Sicht der spanischen Sprichwörtersammlung (refranero español) und behandelt die Wichtigkeit der volkstümlichen Verlautbarungen im Allgemeinen und ihre besondere Funktion als Träger von juristischen Aussagen. Die Analyse der Sprichwörtersammlung verfolgt das Ziel, die damalige gesellschaftliche Meinung zur umstrittenen Justizverwaltung herauszufinden.

 

Mariana Moranchel Pocaterra publiziert einen Teil der Beschlüsse der Cortes von Madrid, also der Ständeversammlungen der Hauptstadt aus den Jahren 1457-1458 („Las Cortes de Madrid de 1457-1458“), die während der Herrschaft Heinrichs IV. stattfanden und sich der Grundlage des Ordenamiento von Montalvo bedienten[2]. Die Verfasserin bietet überdies eine gute Gegenüberstellung mit den Quellen, die Montalvo selbst benutzte, um die Gesetze abzufassen, die den Cortes de Madrid als Grundlage dienten.

 

Den Abschluss bildet eine Kurzstudie des herausgebenden Direktors der Cuadernos de Historio del Derecho, José Sánchez-Arcilla Bernal, über den hauptsächlich in Sevilla lehrenden Rechtshistoriker Juan Manzano y Manzano (1911-2004).

 

Es versteht sich von selbst, dass die Beiträge dieser Ausgabe der Cuadernos aufgrund ihrer Vielfalt an dieser Stelle nur resümierend wiedergegeben werden konnten; die Lektüre des Bandes der Cuadernos ist für den an Spanien und Ibero-Amerika interessierten Rechtshistoriker zweifelsohne Pflichtlektüre.

 

Saarbrücken                                                                                                  Thomas Gergen



[1] Rechtshistorische Reihe 285, Frankfurt a.M. 2004.

[2] Vgl. hierzu den Beitrag von María José María e Izquierdo, „El Ordenamiento de Montalvo y la Nueva Recopilación“, Cuadernos de Historia del Derecho 6, S. 435-473, sowie dazu unsere Besprechung: Thomas Gergen, ZRG Germ. Abt. 120 (2003), S. 435.