Berg, Urte von, Theodor Gottlieb von Hippel. Stadtpräsident und Schriftsteller in Königsberg 1741-1796. Wallstein, Göttingen 2004. 139 S.

 

Das vorliegende Werk widmet sich der facettenreichen Persönlichkeit des Königsberger Stadtpräsidenten und Schriftstellers Theodor Gottlieb von Hippel. Von Berg beschränkt sich auf eine bewusst kurz gefasste Darstellung, die Hippel einem breiteren Leserkreis näher bringen solle (S. 7). Dadurch rückt der wissenschaftliche Anspruch allerdings in den Hintergrund.

 

Nach einer Einführung, die Hippels Biographie skizziert und eine Auswahl seiner Werke vorstellt (vgl. S. 7ff.), geht die Autorin auf die Bekanntschaft Hippels mit Kant (S. 60ff.) und anschließend auf Hippels juristische Laufbahn ein (S. 72ff.). Von Berg weist hierbei unter anderem auf Hippels Arbeiten zur „Reform des Allgemeinen Preußischen Landrechts (1784)“ hin (S. 74f.). Als „heimlicher Revolutionär“ betitelt, wird Hippel in seiner interessantesten Rolle in den Vordergrund gerückt: als Pionier der Forderung einer natürlichen Gleichwertigkeit der Geschlechter (S. 90-106). Von Berg verdeutlicht durch einen Vergleich der Hippelschen Erstauflage Über die Ehe (1774) mit Hippels Bürgerlicher Verbesserung der Weiber von 1792 (S. 91-106), dass Hippel nicht zeitlebens emanzipatorisch argumentierte. Vielmehr hat er sich erst allmählich von einem vehementen Gegner zu einem drastischen Befürworter der rechtlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung von Frau und Mann gewandelt. Warum aber ist Hippel in späteren Zeiten oftmals übergangen worden, in denen der Ruf nach einer Besserstellung der Frauen immer lauter wurde? Vielleicht deshalb, weil Hippel zeitlebens seine brisanten emanzipatorischen Werke aus Angst vor der Gefährdung seiner eigenen Karriere anonym veröffentlichte? Fest steht jedenfalls, dass er permanent in Furcht, ja geradezu in einem Verfolgungswahn vor der Aufdeckung seiner Autorenschaft lebte. Erst wenige Jahre vor seinem Tod löste sich das Rätsel um den unbekannten Autor: Ausgerechnet der Verrat durch seinen engsten Vertrauten lüftete dieses von Hippel selbst so gut behütete Geheimnis. Von Berg erläutert die Umstände dieser „Enttarnung“ des mittlerweile durch Krankheit und Neurosen geplagten Königsberger Gelehrten gegen Ende ihrer Veröffentlichung (S. 107-115).

 

Insgesamt kann die Auseinandersetzung von Bergs mit der „rätselhaftesten und widerspruchsvollsten Persönlichkeit unserer Literatur“ (Schneider) und dessen bedeutendsten Werken als durchaus gelungen angesehen werden. Dennoch sollten einige Kritikpunkte nicht unerwähnt bleiben. Häufiger finden sich kaum nachvollziehbare Aufspaltungen von inhaltlich zusammengehörigen Themenkreisen, die den Leser verwirren. Hinzu kommt, dass manch inhaltliche Aussage der Korrektur bedarf. Beispielhaft sei hier die Feststellung von Bergs erwähnt, dass mit jeder folgenden Auflage der Hippelschen Schrift Über die Ehe das Plädoyer „für Freiheit und Selbständigkeit der Frau in der Ehe“ zugenommen habe (S. 90). Ein Meinungswandel Hippels lässt sich allerdings erst ab der dritten Auflage (1792) feststellen. Ein weiteres Beispiel bilden die Ausführungen zur Frage nach der Ernsthaftigkeit seiner emanzipatorischen Forderungen. Die fast radikal erscheinende Trennung von den vormals vertretenen patriarchalischen Ansichten, die angedeutete anonyme Veröffentlichungspraxis und der häufig humoristische Stil des Königsberger Stadtpräsidenten haben daran Zweifel aufkommen lassen. Noch in der gegenwärtigen Sekundärliteratur wird die Ernsthaftigkeit seines Appells zur Gleichberechtigung hinterfragt. Zutreffend tritt von Berg diesen Zweifeln mit einem Verweis auf Hippels kritische Anmerkungen zum Entwurf des Preußischen Allgemeinen Landrechts entgegen (vgl. S. 102f.), in denen er sich nachweislich, unter eigenem Namen und ernsthaft argumentierend, für eine rechtliche Gleichstellung der Geschlechter einsetzte. Eine exakte zeitliche Zuordnung nimmt von Berg hingegen nicht vor. Der Leser erfährt daher nicht, dass Hippel insgesamt vier preisgekrönte Monita in den Jahren 1786 bis 1788 einreichte.

 

Weiter heißt es, dass Hippels Kritik „seinen Einsatz für die bürgerliche Gleichstellung der Frau schon in den Jahren vor der Französischen Revolution“ beweise (S. 103). Leider hat von Berg diese Aussage nicht näher erläutert. Unklar bleibt namentlich, ob die oftmals vertretene These in Frage gestellt werden soll, dass erst die Französische Revolution den entscheidenden Faktor für die Bekehrung Hippels zum „Frauenanwalt“ dargestellt habe (ähnlich so schon Druskowitz in „Neue Bahnen“, 14. Band, 1882, S. 108). Eine Lösung ließe sich wie folgt umreißen: Dass die Französische Revolution den Anstoß zu Hippels Meinungsumbruch gab, ist auszuschließen. Hippel hat sich zwar später durch die Déclaration des droits de l’homme et du citoyen Hoffnungen auf eine nun scheinbar nahe gerückte Gleichstellung der Geschlechter gemacht und sich vom revolutionären Geist in seinen Forderungen bestärkt gefühlt. Doch war diese Zuversicht nur von kurzer Dauer. In seiner 1792 veröffentlichten Bürgerlichen Verbesserung der Weiber musste Hippel beinahe enttäuscht feststellen, dass die „neue Französische Konstitution eine Wiederholung meiner Vorwürfe [verdient], weil sie für gut fand, einer ganzen Hälfte der Nation nicht zu gedenken“.

 

Trotz der hier in aller Kürze und keineswegs vollständig aufgeführten Kritikpunkte kann von Berg mit ihrer Vorstellung des Königsberger Stadtpräsidenten einen Beitrag dazu leisten, die Diskussion über Theodor Gottlieb von Hippel neu zu beleben. Von Bergs Arbeit hat insoweit zumindest die bisherige Lücke schließen können, eine einführende, vor allem aber nicht zu umfangreiche Studie über Hippel einem sowohl literarisch als auch historisch und juristisch interessierten Leserkreis zu präsentieren.

 

Hannover                                                                                                                   Eric Neiseke