Wrobel, Kathrin, Von Tribunalen, Friedensrichtern und Maires. Gerichtsverfassung, Rechtsprechung und Verwaltungsorganisation des Königreichs Westphalen unter besonderer Berücksichtigung Osnabrücks (= Osnabrücker Schriften zur Rechtsgeschichte 11). V & R unipress, Göttingen 2004. 203 S.

 

Obwohl die Gesetzgebungsgeschichte des Königreichs Westphalen inzwischen gut erforscht ist, fehlt es immer noch an Arbeiten über die praktische Durchführung der westfälischen Zivil- und Strafgesetzgebung in den einzelnen Regionen des Königreichs. Die Arbeit Kathrin Wrobels befasst sich mit der Umsetzung der westphälischen Justizreformen im Distrikt Osnabrück (Weser-Departement), das im Herbst 1802 zu Hannover und nach zwei französischen Okkupationen (mit einer kurzen Besetzung durch Preußen 1806) im August 1807 Teil des Königreichs Westphalen wurde. Der erste Teil der Arbeit (S. 19-46) behandelt die Territorialgeschichte, die Verfassung des Königreichs, die Neuorganisation der Verwaltung, das Gesetzgebungsverfahren sowie den Handel und das Gewerbe (Kontinentalsperre). Der zweite Teil beginnt mit der Beschreibung der wenig effektiven Justiz des vormaligen Fürstbistums Osnabrück (S. 67ff.); anschließend beschreibt die Verfasserin ausführlich die einzelnen Rechtsprechungsinstanzen (Staatsrat als Kassationsgericht, Appellationsgericht in Kassel, Kriminalgerichtshöfe [Geschworenengerichte], Tribunale 1. Instanz und Friedensgerichte). Aufschlussreich ist der Abschnitt über die Juristen im Königreich Westphalen (S. 99ff.), deren Qualifizierung eine Prüfungsordnung vom 29. 11. 1809 festlegte. Bei der Besetzung der Richterstellen griff man im Wesentlichen auf die bisherigen Inhaber von Richter-, Gografen- und Vogtämtern zurück, war also um Kontinuität bemüht (S. 109ff.). S. 119ff. schildert die Verfasserin das Verfahren vor den Friedensgerichten nach der westfälischen Zivilprozessordnung vom August 1808, S. 135ff. die Funktionsweise der Strafgerichtsbarkeit (nach den drei Teilprozessordnungen). Die Liste der aus dem Distrikt Osnabrück kommenden Geschworenen-Kandidaten kam nur zögernd zustande (S. 86f.). S. 129ff. geht die Verfasserin auf Prozesse vor dem Friedensgericht Osnabrück, S. 154ff. auf Strafprozesse vor dem dortigen Polizeigerichtshof anhand der überlieferten Sitzungsprotokolle näher ein, so dass ein anschauliches Bild der Gerichtspraxis entsteht, bei der die Anwendung der Vorschriften insbesondere des westphälischen Zivilprozessrechts wohl auf wenig Schwierigkeiten stieß. Das Werk wird nach einer Kennzeichnung der Aufgaben der Maires in der Rechtspflege mit einer Schlussbetrachtung und einem Quellenanhang (u. a. Text der westfälischen Verfassung und des Dekrets über die Neuordnung der Verwaltung vom 11. 1. 1808) abgeschlossen.

 

Die Verfasserin hat die untere Gerichtsbarkeit in Osnabrück während der westphälischen Zeit anhand der gesetzlichen Bestimmungen und des überlieferten Quellenmaterials umfassend behandelt. Nicht näher erörtert wird die Distriktgerichtsbarkeit und die Tätigkeit der Notare sowie der allerdings nicht in Osnabrück domizilierte Schwurgerichtshof. Bedauerlich ist, dass ein ausführlicherer Abschnitt über die französische Justiz in der Zeit der Zugehörigkeit Osnabrücks zum Empire Napoleons fehlt (vgl. lediglich die Hinweise S. 62f.). Leider hat die Verfasserin das Werk Christian zur Neddens: Die Strafrechtspflege im Königreich Westphalen [1807 bis 1813]. Dargestellt anhand der Praxis westfälischer Gerichte (2003) nicht mehr berücksichtigt. Auch das Werk Klaus Robs: Quellen zu den Reformen der Rheinbundstaaten: Bd. 2, Regierungsakten des Königreichs Westphalen 1807-1813, 1992, fehlt im Literaturverzeichnis. Wenn die Verfasserin abschließend schreibt, dass „die Rechtsprechung und Verwaltung im Königreich Westfalen eines der fortschrittlichsten und wirkungsvollsten Systeme darstellten, die es zu jener Zeit auf deutschem Boden gab“ (S. 175), so ist dabei zu berücksichtigen, dass dies auch für die linksrheinischen Departements und mit zeitlicher Verzögerung auch für das Großherzogtum Berg und die drei hanseatischen Departements insgesamt gilt, zu denen Osnabrück von 1811-1813 gehörte. Insgesamt bildet das Werk Wrobels einen instruktiven Beitrag zur Justizgeschichte des Königreichs Westphalen, zu der weitere Arbeiten insbesondere über die Kassations- und Appellationsgerichtsbarkeit sowie über die Distriktgerichte erwünscht wären.

 

Kiel

Werner Schubert