Van der Velden, Bastiaan David, ,Waar gaan wij heen met het Fries?’Het gebruik van de Friese taal in het juridische en in het bestuurlijke verkeer in de laatste twee eeuwen. Wolf Legal Publishers, Nijmegen 2004. XIV, 569, 1 S.

 

Am 15. Oktober 2004 wurde in der Aula der Universität von Amsterdam eine Dissertation über die Minderheitssprache Friesisch verteidigt. Dieses Buch erscheint zufällig im gleichen Zeitraum, in dem auch ein anders Buch Friesland aus rechtshistorischer Sicht behandelt (Roman-Frisian Law of the 17th and 18th Century, Lokin, Brandsma, Jansen). Im 17. und 18. Jahrhundert bewiesen sich die Friesen mit ihren profunden Kenntnissen und Rechtsfortentwicklungen im römischen Recht. Einige Jahrhunderte später kämpfen die Friesen nun um den Erhalt ihrer einzigartigen Sprache.

 

Thema der Arbeit ist, auf welche Weise in den Niederlanden in den letzen zwei Jahrhunderten mit dem Gebrauch der friesischen Sprache zwischen Bürgern und Behörden umgegangen wurde und inwieweit die Richter in Friesland den Gebrauch des Friesischen in den Verhandlungen zuließen.

 

Heute sprechen etwa 500.000 Menschen friesisch in den Niederlanden. Die Hälfte davon spricht es täglich zu Hause und etwa 17% aller friesisch sprechenden Niederländer können es auch schreiben.

 

Van der Velden zeichnet detailliert die Geschichte des Friesischen als  Rechts- und Verwaltungssprache ab dem 19. Jahrhundert nach. Das Jahr 1547 war der Wendepunkt, ab dem das Friesische in schriftlichen Dokumenten ganz zugunsten des Niederländischen verschwand. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts begann in Friesland eine kleine Gruppe von Schriftstellern das Friesische wieder als Schriftsprache zu gebrauchen. Zu dieser Zeit wurde das Friesische sonst nur noch als Umgangssprache auf dem platten Land in Friesland gebraucht.

 

Um 1830 organisierte sich eine Gruppe zum Erhalt der friesischen Sprache in der Literatur und wurde Friesische Bewegung genannt. Ab 1900 setzte die Friesische Bewegung sich für den Gebrauch des Friesischen im Schulunterricht, im Gemeinderat, vor Gericht und in der Kirche ein.

 

Anhand von Gerichtsprotokollen und Zeitungsartikeln rekonstruierte Van der Velden, wann in Friesland vor Gericht Friesisch gesprochen wurde, und wann der Richter die Angeklagten verpflichtete, sich in der offiziellen Landessprache, dem Niederländischen, auszudrücken. Es war schwierig den tatsächlichen Gebrauch des Friesischen vor Gericht nachzuweisen, da, auch wenn Friesisch gesprochen wurde, die Verhandlungsprotokolle grundsätzlich nur auf Niederländisch abgefasst wurden. Zeitungsartikel zu den laufenden Prozessen lieferten letztendlich den ausschlaggebenden Hinweis, wann tatsächlich Friesisch gesprochen wurde. Laut Gesetz musste zwar ein Übersetzer, unter der Androhung von sonstiger Nichtigkeit, in diesen zweisprachigen Verhandlungen eingesetzt werden, aber aus der Literatur ist nur ein einziger Fall aus dem Jahr 1893 bekannt, wo ein Experte eingeschaltet wurde, um einen friesischen Begriff korrekt auf Niederländisch wiederzugeben.

 

Einer Gruppe von Studenten war es nicht genug, dass nur wenigen Angeklagten und Zeugen vom Richter die Gunst gewährt wurde, vor Gericht friesisch sprechen zu dürfen, nämlich allein jenen, die sich nur mühsam auf Niederländisch ausdrücken konnten. Die Studenten sahen das Sprechen des Friesischen als ihr gutes Recht an und weigerten sich vor Gericht niederländisch zu sprechen. Für die Landbevölkerung erlaubten die Richter im allgemeinen den Gebrauch des Friesischen. Im Gegensatz dazu waren sie bei Studierten streng und ließen bei diesen kein Friesisch zu. Es kam folglich wiederholt zu Konflikten.

 

Im Jahr 1933 gibt es zwei Fälle, die für großes Aufsehen sorgten: Im Frühjahr 1933 war der in Utrecht studierende Haring Tjittes Piebenga festgenommen worden, da er an einer ungenehmigten Demonstration teilgenommen hatte. Als er kurz danach beim Amtsgericht (Kantongericht) verhört wurde, versuchte er Friesisch zu sprechen. Der Richter, der selbst in der friesischen Bewegung eine führende Persönlichkeit war, verbot dieses. Am 10. Juni 1933 musste Piebenga sich dann erneut vor Gericht verantworten, weil er Graffiti auf Mauern gemalt und Polizisten beleidigt hatte. Auch dieses Mal versuchte Piebenga, nur Friesisch zu sprechen. Der Polizeirichter Meihuizen konnte das aber nicht erlauben und sprach die Worte: „Das Friesischsprechen im Gericht ist nicht erlaubt. Sie müssen in der niederländischen Sprache sprechen“. Einer anderen Meinung über den Gebrauch des Friesischen im Gerichtssaal war 1933 der Rechthistoriker und Amtsrichter Doede Jelle Cuipers aus Harlingen. Einige Personen aus der friesischen Bewegung reichten nach den Vorfällen rund um Piebenga bei ihm einen Antrag ein, ein Schild im Warteraum des Gerichts aufzuhängen mit dem Text: ,,Al hwa wend is Frysk to sprekken hoecht him hjir net to forbrekken’’ (Jeder der gewohnt ist, friesisch zu sprechen, soll sich selber keine Gewalt antun). Cuipers ließ dieses Schild aufhängen.

 

In seiner Entscheidung formulierte Richter Cuipers erstens die Notwendigkeit für den reibungslosen Ablauf der Verhandlungen, dass Parteien und Zeugen vor Gericht die Sprache sprechen können, in der sie auch tagtäglich denken und sprechen. Zweitens stellte er fest, dass kein niederländisches Gesetz den Gebrauch des Friesischen verbietet, und dass daraus logisch folge, dass es für jene Friesen, die sich leichter in Friesisch als in Niederländisch ausdrücken können, erlaubt sein muss, als niederländische Untertanen sich in einer in den Niederlanden gesprochenen und geschriebenen Sprache auszudrücken. Drittens erinnerte er daran, dass es in seinem Gerichtsbezirk immer schon üblich war, Friesen ihre Muttersprache gebrauchen zu lassen, wenn ihnen dieses leichter fiel als Niederländisch.

 

Diese Feststellungen brachten ein wenig Bewegung in die Diskussion um den Gebrauch des Friesischen. Es erschienen Beiträge dazu in Zeitungen und Zeitschriften. In der Zweiten Kammer, dem niederländischen Parlament, wurde darüber debattiert, aber dennoch wurde es schnell wieder still um diese Angelegenheit. Eine Entwicklung kam durch eine Änderung des Grundschulgesetzes im Jahre 1937. In diesem Gesetz wurde die Möglichkeit aufgenommen, Schulunterricht in der regionalen Sprache abzuhalten. Friesisch wurde zwar nicht ausdrücklich genannt, aber es war deutlich, dass diese Vorschrift für das Friesische geschaffen worden war.

 

Nach dem 2. Weltkrieg kam schnelle Bewegung in den Streit um das Friesische. In einer ganzen Reihe von Vorfällen spielte das Friesische eine Rolle, und dabei wurde jetzt auch mehr Autonomie für die Provinz Friesland gefordert. Es begann mit Kriegsgedenkstätten, auf denen man gerne friesische Texte sehen wollte. Diesem Begehren wurde nach einigem Drängen stattgegeben.

 

Erst im Jahr 1956 trat ein Gesetz über den Gebrauch der friesischen Sprache im Rechtsverkehr (Stb. nr. 242) in Kraft. Dieses Gesetz zog einen Schlussstrich unter die Diskussion und war das erste Gesetz in den Niederlanden, welches den Sprachgebrauch deutlich regelte. Einige Aktivisten setzten sich nun für einen ausgedehnteren Gebrauch des Friesischen ein, um so den Status dieser Sprache zu verbessern. So beschloss  auch die Gemeinde Rauwerderhem auf Antrag der Provinz Friesland, ab dem 1. April 1977 konsequent das Friesische als erste Sprache in beinah allen ihren Schriftstücken zu gebrauchen. Diese Aktion führte unter anderem dazu, dass dann im Jahre 1995 im allgemeinen Verwaltungsgesetz, in den Artikeln 2:6 bis 2:12, die Möglichkeit des Gebrauchs des Friesischen durch Verwaltungsorgane festgelegt wurde.

 

Durch die Europäische Charta der regionalen und Minderheitssprachen (1992), die in den Niederlanden 1998 in Kraft getreten ist, bekam die gesetzliche Lage des Friesischen eine neue Dimension.

 

Die Dissertation ist ein lebendiger Streifzug durch die Geschichte der friesischen Sprache aus juristischer Sicht. Dem niederländischen Text wurden ausführliche Zusammenfassungen auf Friesisch und auf Deutsch beigefügt.

 

Amsterdam                                                                                           Viola Heutger