Sonnenfels, Joseph von, Grundsätze der Polizey, hg. v. Ogris, Werner (= Bibliothek des deutschen Staatsdenkens 12). Beck, München 2003. 309 S.

 

Joseph von Sonnenfels wurde 1732 oder 1733 in Nikolsburg in Mähren als Sohn des aus Berlin stammenden Rabbinersohnes Perlin Liepmann geboren, der zwischen 1735 und 1738 mit seinen Kindern, aber ohne deren Mutter, unter Annahme des Christennamens Alois Wiener zum Christentum übertrat. Bei der Taufe handelte Alois Graf Harrach für den Vater und Karl Graf Dietrichstein für die Kinder als Pate. 1745 erhielt der Vater einen Lehrauftrag für Hebräisch, Samaritanisch, Chaldäisch und Syrisch an der Universität Wien und wurde 1746 in Würdigung seiner Verdienste unter dem Prädikat Edler von Sonnenfels in den erblichen Adelsstand erhoben.

 

Wahrscheinlich zwischen 1745 und 1747 absolvierte der Sohn an der Universität (?) Wien die philosophischen Schuljahre. Vermutlich im Herbst 1750 trat er unter dem Namen Joseph Wiener als langdienender Gemeiner in das Infanterieregiment Hoch- und Deutschmeister ein, das er 1755 wieder verließ. 1756 begann er im neuen Universitätshaus des Jadotschen Palais das Studium der Rechte, warf sich aber 1760 ganz auf die deutsche Sprache und Literatur.

 

Auf Anregung des Staatsrates Egyd Freiherr von Boriés machte er sich mit dem Schrifttum der damals an Österreichs Universitäten noch kaum bekannten Polizey- und Kameralwissenschaft vertraut. Als 1763 in Wien und Prag auf Drängen Boriés Lehrstühle für diese Fächer eingerichtet wurden, erhielt Sonnenfels die Lehrkanzel in Wien und wurde, wie man sagt, der erste – getaufte – Jude, der in Österreich – aus zweiter Reihe – gestaltend auf die Rechts-, Sozial- und Kulturordnung aufklärend einwirken konnte. Zunächst in der philosophischen Fakultät, seit 1784 in der juristischen Fakultät machte er die Kameralwissenschaft in der Habsburgermonarchie heimisch.

 

Von großem Gewicht war dabei das 1765 unter dem Titel Sätze aus der Polizey, Handlungs- und Finanz-Wissenschaft vorgelegte, für eine staatliche Reglementierung aller Lebensbereiche im Interesse des Allgemeinwohls unter Wahrung eines Bereichs bürgerlicher Freiheit eintretende Werk, das rasch zum Standardwerk wurde. Von 1770 bis 1845/1848 diente es weit über das Ableben des Verfassers hinaus in acht Auflagen an allen österreichischen Universitäten als Vorlesungsbuch. Dass Sonnenfels bei seiner Abfassung als Meister im Rezipieren fremder Ideen und im Nachahmen fremder Vorbilder handelte, tat dem Erfolg keinen Abbruch.

 

Vielmehr rechtfertigt der große Erfolg auch die Aufnahme in eine moderne Bibliothek des deutschen Staatsdenkens voll und ganz. Zu Grunde gelegt ist ihr die fünfte Auflage (des ersten Bandes) von 1787, die behutsam an wenigen Stellen nach der siebten Auflage von 1804 korrigiert (und insgesamt modernisiert) wurde. Werner Ogris ist als dem österreichischen Altmeister der Rechtsgeschichte sehr dafür zu danken, das er das bedeutsame Vorhaben verwirklicht und durch glänzend formulierte biographische Darlegungen dem interessierten Leser vorzüglich aufbereitet hat.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler