Seerecht im Hanseraum des 15. Jahrhunderts. Edition und Kommentar zum flandrischen Copiar Nr. 9, hg. v. Jahnke, Carsten/Graßmann, Antjekathrin (= Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck B 36). Schmidt Römhild, Lübeck 2003. 148 S.

 

Der sog. Flandrische Copiar Nr. 9 zählt, so beginnt Antjekathrin Graßmann ihre kurze Einleitung, zu den wertvollsten und schönsten Archivalien des Archivs der Hansestadt Lübeck. Er misst 27,5 x 20 cm und umfasst 61 Pergamentblätter, von denen 57 mit insgesamt 119 seerechtlichen Artikeln beschrieben sind. Er wurde wahrscheinlich zwischen 1475 und 1480 angelegt, gelangte 1699 aus dem Antwerpener Hansehaus nach Lübeck und kehrte nach seiner kriegsbedingten Auslagerung in ein Salzbergwerk in Sachsen-Anhalt 1987 aus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik nach Lübeck zurück.

 

Der Wissenschaft war er, getrennt von einer Reihe ähnlicher 1599 aus Brügge nach Köln gelangter Handschriften, nach Erwähnungen in den Jahren 1604, 1646 und 1699 lange verborgen geblieben. Erst in den letzten Jahren fand er die verdiente Aufmerksamkeit. Sie hat zur vorliegenden kommentierten, ursprünglich für das 600. Jubiläumsjahr der Schiffergesellschaft im Jahre 2001 bestimmten Edition geführt.

 

Die Edition ist vor allem Carsten Jahnke zu verdanken. Sie umfasst Hanserezesse, die Brügger Vigilie, Ordinancie, die Vonnesse von Damme, Bestimmungen für das Versegelgeld und die Schifferordnung von 1482. Dem auf 34 Druckseiten wiedergegebenen mittelniederdeutschen Text folgt die von Götz Landwehr mitgeschaffene, 45 Druckseiten einnehmende moderne Übersetzung des Herausgebers.

 

An das kurze Verzeichnis der im Text zitierten Quellen und Darstellungen schließt Götz Landwehrs überzeugende Einordnung der Quelle in das Seerecht im Hansraum im 15. Jahrhundert an, die etwa sorgfältig die Übereinstimmungen der Artikel VII-XXXII des Copiars mit dem Hanserezess von 1447, der Artikel V, VI(, I und II) mit dem Rezess 1441, der Kapitel I, III, IV, II mit dem Rezess 1434 darlegt, die Parallelen der Rôles d’Oleron und der Vonnesse von Damme mit den Artikeln 65-88 des Copiars zeigt oder die Vorbilder der Normen in der hansischen Schifferordnung von 1482 deutlich macht. Albrecht Cordes steuert unter Hinweis auf das seit langem brach liegende Feld der Privatrechtsgeschichte einen wertvollen juristischen Kommentar aller wesentlichen Teile des Copiars bei. Zum Abschluss geht Regina Rössner verdienstvollerweise auf Brügge und die Hanse ein.

 

Insgesamt ist damit in synergetischer Vereinigung der besten Kräfte eine wertvolle Erstausgabe einer wichtigen seerechtlichen Handschrift gelungen. Sie wird durch sechs Abbildungen in schöner Weise veranschaulicht. Hoffentlich gewinnt dadurch das Seehandelsrecht viele neue Freunde.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler