Saar, Stefan Chr., Ehe – Scheidung - Wiederheirat. Zur Geschichte des Ehe- und des Ehescheidungsrechts im Frühmittelalter (6.- 10. Jahrhundert) (= Ius vivens B 6). LIT Verlag, Münster 2002. VII, 534 S.

 

Die Arbeit erscheint als Band 6 in der rechtswissenschaftlichen Reihe Ius vivens, Abteilung B: Rechtsgeschichtliche Abhandlungen, herausgegeben von Heinz Holzhauer (Münster) und Andreas Roth (Mainz). Sie umfasst inhaltlich zwei Abschnitte: „Das Antike Erbe“ und „Ehe und Ehescheidung im Recht des Frühmittelalter“. Die Arbeit – so der Verfasser in der Einführung – soll mit weiteren Abschnitten zu den zeitlich nachfolgenden Entwicklungen bis zum Beginn der Reformation in einem weiteren Band fortgesetzt werden. Die vorliegende Arbeit umfasst eine kurze Einführung und 440 Seiten Textinhalt, der sich ein Abkürzungs- und Siglenverzeichnis, 7 Seiten Quellen- und fast 80 Seiten Literaturverzeichnis anschließen. Ein ausführliches Register schließt die Arbeit ab.

 

Wie der Verfasser, der an die Potsdamer Juristenfakultät berufen wurde, in seiner Einführung feststellt, hat die Arbeit das vornehmliche Ziel, „unter kritischer Würdigung älterer Forschungsansätze eine Gesamtsicht frühmittelalterlichen Eherechts aus dem Blickwinkel der Ehebeendigung und der Wiederheirat zu zeichnen“. Er bemüht sich dabei, jegliche Spekulation zu vermeiden und insbesondere auch einer Ideologisierung zu wehren. Das ist ihm vollauf gelungen. Als Quintessenz seiner Forschungen zum Thema kann man festhalten: Ehe, und damit ist die Eheschließung gemeint, sowie Scheidung und Wiederheirat sind erst recht spät, nämlich im hohen Mittelalter, von der Kirche „vereinnahmt“ worden. Zwar war es Pflicht eines jeden getauften Christen, auch sein tägliches Leben nach dem Evangelium zu leben. Aber sein Lebensablauf vollzog sich doch, vor allem in der Antike, aber auch noch, wenn auch zunehmend weniger, im frühen Mittelalter, so wie der Lebensablauf der Nicht-Christen, jedenfalls solange die weltliche Obrigkeit ihre Gesetzgebung nicht an der Lehre der christlichen Botschaft und der diese Lehre interpretierenden Kirche ausgerichtet hatte. Das Durchsetzungsvermögen der Kirche gerade im Hinblick auf Ehe in der behandelten Zeit war recht gering, im Grunde so, wie es heute wieder der Fall ist.

Ehe und was damit verbunden war bestimmte sich nach weltlichen Grundsätzen und insbesondere nach den Anforderungen, die Geld und Gut der Eheleute und ihrer Abkömmlinge betrafen.

 

Der Verfasser behandelt das Thema ohne Scheuklappen und ohne jegliche Engführung. Sein souveräner Umgang mit den Quellen weltlichen und kirchlichen Rechts, den Zeugnissen aus Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie erzählenden und literarischen Quellen ist frappant und macht beim Lesen regelrecht Freude. Eben weil er sich nicht beschränkt auf rein kirchenrechtliche oder gar theologische Aspekte oder solche anderer Art und weil er  umfangreiches Quellenmaterial fast ungeahnten Ausmaßes heranzieht und sichtet, gelingen ihm gute logische und überzeugende Schlussfolgerungen, die von Vorsicht und Dezenz geprägt sind. Verabsolutierungen vermeidet er. Vielmehr gibt er Anstöße und Anregungen zu gleichem Umgang mit Quellen, die die einschlägige Forschung wirklich weiterbringen können. Man spürt der Arbeit an, dass hier ein Autor und Forscher gearbeitet hat, dessen Wissenshorizont in bestem Sinn europäisch weit und dessen Kenntnisse zugleich auf solidem wissenschaftlichem Fundament beruhen. Man darf auf den zweiten Band gespannt sein.

 

Ayl an der Saar                                                                                  Maximilian Joh. Hommens