Ruthström, Bo, Land och Fæ. Strukturellt-rättsfilologiska studier i fornnordiskt lagspråk över beteckningar för egendom i allmänhet och underkategorier (= Skrifter utgivna av Institutet för rättshistorisk forskning Serien 1, Rättshistoriskt bibliotek 61). Distribueras av Rönnells antikvariat AB, Lund 2003. XIII, 201 S.

 

Hauptanliegen der hier vorzustellenden Arbeit ist es, die Verwendung und Entwicklung des (Rechts-) Begriffes „Eigentum“ in den mittelalterlichen nordischen Rechten und Gesetzen zu untersuchen. Die Quellen, die der Verfasser auswertet, erstrecken sich über einen Zeitraum von ca. 300 Jahren - als älteste Rechtsaufzeichnung sieht er das norwegische Bezirksrecht Gulathingslag und damit zusammenhängend die altisländische Grágás an (letztere wurde erstmals im Winter 1117/1118 verschriftlicht), zu den jüngsten Rechten zählen die schwedischen Provinzialrechte. Die nordischen Stadtrechte wurden nicht berücksichtigt. Hierzu ist noch zu bemerken, dass die frühesten bekannten Aufzeichnungen aus dem 12. Jahrhundert stammen, einige auf älteren Rechten beruhend, dass die erhaltenen Handschriften jedoch durchweg einer späteren Zeit zuzurechnen sind.

 

Die Arbeit besteht aus 5 Hauptteilen, zwei Exkursen, einer Bibliographie, sowie einem Appendix. Im ersten Abschnitt werden die Forschungsaufgaben erläutert, wird die Forschungslage dargestellt und werden die vom Verfasser bevorzugten Methoden erklärt - dem Konzept der Rechtssprachgeographie misst er dabei besondere Bedeutung zu. Im zweiten Teil wird das terminologische System der mittelalterlichen Gesetze vorgestellt und versucht, das Material sprachgeographisch zu analysieren. Im dritten Teil macht der Verfasser den Versuch, die vormittelalterliche Terminologie zu rekonstruieren - gilt ihm als übergeordneter Terminus, land sieht er im Sinne von immobilem Eigentum gebraucht, in jüngerer Entwicklung stehe lausir aurar für mobiles Eigentum. Im vierten Teil werden mögliche Ursachen für eine Strukturveränderung vorgeschlagen. Den Schluss bildet eine Zusammenfassung (möglicher) rechtshistorischer Konsequenzen.

 

Als Ergebnis seiner Studie präsentiert der Verfasser folgendes: Die ursprünglichen nordischen Termini für Eigentum waren (so der Verfasser): fé/fæ für Eigentum an sich, sowie die Untergruppe land, die sich teilte in „Weideland“ und „Ackerland“. Diese beiden Bezeichnungen entwickelten sich im Laufe des Mittelalters zu gōz/gōþs bzw. jorđ/iorþ (hier werden die Termini iorþ, mark, oþol, land = Immobilia, fæ, kostir = Mobilia behandelt).

 

Die Gegenüberstellung, die man später in den Gesetzen findet: land (= fester Besitz) und lausir aurar (= fahrende Habe, ursprünglich in einem anderen strukturellen Zusammenhang für icke-boanknutet stehend) sei eine Folge des kirchlichen Einflusses und beruhe auf der Unterscheidung zwischen res immobiles und res mobiles, die aus dem römischen Corpus Juris Civilis des 6. Jahrhunderts übernommen wurde. Dies sei ab dem 11. Jahrhundert (dem Beginn der Christianisierung des Nordens) zu beobachten; das ursprüngliche einheitliche nordische Begriffssystem habe sich verändert, die lateinische Terminologie allerdings wurde nicht übernommen.

 

Da eine chronologische Analyse der Termini nicht möglich ist, fußen diese Annahmen des Verfassers in erster Linie auf der Auswertung der in der Grágás belegten Begriffe, die er für altertümlich hält. Er geht davon aus, dass es sich dabei um die Terminologie von ca. 1120 handelt (der Zeit, in der die Grágás erstmals niedergeschrieben wurde). Die Isländersagas, die durchaus die Antithese: land ok lausir aurar kennen, berücksichtigt er nicht, vielleicht weil die Entstehung der überlieferten Saga-Gestaltung erst für den Beginn des 13. Jahrhunderts angenommen wird. Die beiden uns vorliegenden Redaktionen der Grágás stammen zwar auch erst aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, jedoch haben sich die Rechtstexte möglicherweise nicht so sehr verändert.

 

Insgesamt handelt es sich hier um eine gründliche Untersuchung der in den nordgermanischen Rechten und Gesetzen belegten Bezeichnungen für Eigentum. Die wichtigsten Ergebnisse werden letztlich auch von der neueren deutschen Forschung, die der Verfasser allerdings offenbar nicht gründlich zur Kenntnis genommen hat, bestätigt. Man hätte z. B. erwartet, dass die entsprechenden Artikel (Öre, Odal etc.) aus dem Reallexikon der germanischen Altertumskunde (2. Auflage) angeführt worden wären, auch fehlt eine einschlägige Arbeit von 1978 direkt zum Thema: H. Ehrhardt, Land ok lauss eyrir - Ursprung und Werdegang einer Rechtsformel, Skandinavistik 8, 27 ff.

 

Während Ruthström den Begriff lausir aurar in Verbindung bringt mit einer vormittelalterlichen Umstrukturierung des heimischen nordischen Rechtssystems (in seiner strukturellen Unterscheidung von immobilem und mobilem Eigentum), sieht Ehrhardt darin ein Ereignis, das er mit der Einführung des Zehntrechts auf Island (1096/97) in Zusammenhang setzt. Eine Auseinandersetzung mit dieser von Ruthström übersehenen Arbeit hätte die Diskussion befördert (auch die völlig unterschiedlich beurteilte Bedeutung der Alliteration in der Rechtssprache wäre dabei zur Sprache gekommen).

 

Bochum                                                                                                                     Else Ebel