Raster, Josua, Enteignung und Eisenbahnbau. Entwicklung und Praxis eines Rechtsinstituts um die Mitte des 19. Jahrhunderts im Kanton Zürich (= Zürcher Studien zur Rechtsgeschichte 52). Schulthess, Zürich 2003. XLII, 313 S.

 

Die Arbeit ist die von Marcel Senn betreute Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich übersichtlich in Einleitung, sechs Sachkapitel und eine Schlussbetrachtung. Der Anhang gibt eine Reihe von Materialien, Übersichten und Karten wieder.

 

Mehr als zwanzig Jahre nach der ersten Eisenbahn zwischen Darlington und Stockton (1825) wurde nach Scheitern älterer, ab 1836 angegangener Überlegungen auch in der gebirgigen und bis zur Gründung des Bundesstaates 1848 politisch ebenfalls stärker zerklüfteten Schweiz auf der Strecke von Zürich nach Baden die erste Eisenbahn in Betrieb genommen. Erst nach diesem Durchbruch gelang unter Ausgabe von jährlich bis zu 44 Millionen Franken der Aufbau eines Schienennetzes von rund 1000 Kilometern Streckenlänge. Auf diese erste Phase konzentriert sich der Verfasser.

 

Dabei untersucht er in seinem zweiten Kapitel Eigentum und Enteignung. Bei dem Eigentum arbeitet er den Wandel durch den Liberalismus heraus. Bei der Enteignung geht er vom Zedlerschen Universallexikon (1734) aus und legt die literarische Entwicklung zu einem Rechtsinstitut dar.

 

Das dritte Kapitel hat die Entwicklung der Enteignung im Kanton Zürich bis zum Bau der ersten Eisenbahn an den Beispielen des Wasserbaus und des Straßenbaus zum Gegenstand und bezieht dazu sowohl Gesetze wie Praxis ein. Ausführlich schildert der Verfasser dann im vierten Kapitel die Verdrängung des kantonalen Partikularrechts durch den Bundesstaat seit 1848. Das fünfte Kapitel widmet sich den Konzessionen. Das sechste Kapitel erforscht die Praxis des Grunderwerbs für den Eisenbahnbau unter intensiver Auswertung statistischen Materials.

 

Insgesamt stellt der Verfasser fest, dass im Kanton Zürich die wichtigsten Grundsätze der Enteignung ohne verfassungsmäßige Grundlage und schon vor Erlass einer gesetzlichen Regelung beachtet wurden. In der Rechtswirklichkeit kam ein Enteignungsverfahren im engeren Sinn nur höchst selten zur Anwendung und genügte für eine gütliche Einigung meist schon die auffällig großzügige Bewertung der Schätzungskommission als Einigungsgrundlage zwischen dem das betreffende Grundstück aus wirtschaftlichen Gründen unbedingt benötigenden Eisenbahnunternehmer und dem den Entzug letztlich nicht verhindern könnenden Eigentümer. Auch wenn der Verfasser selbst auf die Notwendigkeit der Überprüfung seiner Ergebnisse durch parallele Studien hinweist, hat er mit seiner in äußerst angenehm empfundener Berufssituation erstellten Arbeit doch einen ersten verlässlichen Grund für eine bedeutsame rechtsgeschichtliche Frage des 19. Jahrhunderts gelegt.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler