Quellenvielfalt und editorische Methoden, hg. v. Thumser, Matthias/Tandecki, Janusz unter Mitarbeit von Antje Thumser (= Publikationen des deutsch-polnischen Gesprächskreises für Quellenedition 2). Wydawnictwo Uniwersytetu Mikołaja Kopernika, Torún 2003. 363 S.

 

Zu Anfang bietet Andreas Ranft (Halle) einen Versuch, den dynamischen Strukturen von mittelalterlichen Stadtbucheinträgen editorisch gerecht zu werden. Streichungen, Überschreibungen und anderes mehr dokumentieren ja die Veränderungen von Rechts- und Vermögenslagen, die die Einträge herbeigeführt haben. Anders als der Herausgeber eines einheitlichen Textes, der im Idealfall auf einen Urtext zurückführt, müssen die Anlagekonzepte aufgespürt, die Funktionen des Amtsbuchs berücksichtigt, eine oftmals gegebene Unübersichtlichkeit bereinigt werden. Ranft kritisiert schließlich den methodologischen Rückstand der Geschichtswissenschaft hinsichtlich dieser Fragen, konstatiert aber auch die Entwicklungen hin zu moderner Editionswissenschaft, die allerdings mehr in der philologischen denn den historischen Fächern zu finden ist. Dass insoweit natürlich unterschiedliche Ziele die Ergebnisse beeinflussen, sei vom Anzeigenden noch angemerkt. Zahlreiche Abbildungen illustrieren den wichtigen Beitrag.

 

Einen Werkstattbericht liefert anschließend Elfie-Marita Eibl (Berlin), aus ihrer Arbeit an den Urkunden Kaiser Friedrichs III. zu Pommern. Die Schwierigkeiten teilweise schmaler archivalischer Überlieferung zeigen die Notwendigkeit der Aufspürung von Zusammenhängen, um aus den Facetten der Quellen ein Auge werden zu lassen. Eine Liste von Urkunden zum brandenburgisch-pommerschen Lehnstreit sowie Beispiele geben den Darlegungen einen Hintergrund.

 

Der Epigraphik gewidmet ist die Vorstellung der Inschriftenedition in Polen von Barbara Trelińska (Lublin). Hier ist es die Fülle der Funktionen von Inschriften, die Schwierigkeiten bietet, aber auch Interesse zu wecken vermag.

 

Ein anderes Feld betreten Janusz Tandecki (Thorn) mit der Vorstellung von Städteatlanten und Piotr Dymmel (Lublin) mit einer solchen von bibliographischen Hilfsmitteln für Quelleneditionen. Auch dieser Beitrag bemüht sich um eine Analyse der theoretischen Grundlagen des Edierens, die auch auf die Fragen neuer Techniken eingeht.

 

Der zweite Teil des Buches ist mit „Quellen und Quelleneditionen“ wenig aussagekräftig überschrieben. Zunächst stellt Aleksandr Rogacevskij (St. Petersburg), Handschriften zur preußischen Geschichte des 13. bis 18. Jahrhunderts in St. Petersburger Sammlungen vor; in dem Aufsatz werden nicht nur bekannte, sondern jedenfalls dort noch nicht festgestellte Handschriften vorgeführt. Nicht weniges scheint aus dem (Nach-)Kriegsverlusten der preußischen Bibliotheken, namentlich Königsbergs, zu stammen. Ein lohnender Einstieg für Borussica-Forscher. Piotr Oliński (Thorn) widmet sich dann Quelleneditionen zur mittelalterlichen Geschichte Danzigs. Die Besprechung des Gedruckten offenbart die Defizite der Forschung. Ein kurzer Blick wird dann von Witold Szczuczko (Thorn) auf die Korrespondenzarchive preußischer Städte geworfen. Einen Zyklus von Quelleneditionen zur Thorner Geschichte stellt dann Robert Ruciński (Thorn) vor; allgemeiner zu neueren Ausgaben aus Polen äußert sich Renata Skowrońska-Kamińska (Thorn).

 

Schließlich folgen eine Fülle von Präsentationen laufender und zukünftiger Vorhaben, die hier nur aufgelistet werden können: Marian Biskup (Thorn), Die Edition der mittelalterlichen Visitationen im Deutschen Orden; Bernhart Jähnig (Berlin), Die Fortführung des Preußischen Urkundenbuchs – Neue Überlegungen; Klaus Neitmann (Berlin), Die Handfestenregister der Deutschordenshochmeister aus dem 15. Jahrhundert und ihre Regestierung; Jürgen Sarnowsky (Hamburg), Die Edition der Schuldbücher und Rechnungen der Großschäffer und Lieger des Deutschen Ordens in Preußen; Bernhard Vogel (Fürth), Die Briefsammlung des Petrus von Vinea und ihre handschriftliche Überlieferung – Bestandsaufnahme und Perspektiven; Thomas Ertl (Berlin), Balduin von Brandenburg und seine Summe zum Liber Extra. Autor – Genese – Gedanken zur Edition; Antoni Gąsiorowski/Tomasz Jurek/Izabela Skierska (Posen), Die älteste Matrikel der Universität Krakau – Eine Neuedition; Reinhard Seyboth (Regensburg), Polen und das Reich im Spiegel der Reichstagsakten Maximilians I.

 

Ein Orts- und ein Personenregister beschließen den Band. Er ist hoch instruktiv, vereint die Arbeit zahlreicher Kenner, eignet sich als Quelleneinstieg für viele der erwähnten Themen – und ist insgesamt empfehlenswert. Sichere sich ihn, wer bei der notorischen Lieferproblematik solcher Literatur noch dazu in der Lage ist!

 

Berlin-Dahlem                                                                                    Friedrich Ebel