Perband, Michael G., Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung im Zivilprozess (§ 286 ZPO) in der Rechtsprechung des Reichsgerichts (= Rechtshistorische Reihe 271). Lang, Frankfurt am Main 2003. 284 S.

 

Die Arbeit ist die von Werner Schubert betreute, im Wintersemester 2002/2003 von der juristischen Fakultät der Universität Kiel angenommene Dissertation des Verfassers. Sie betrifft einen mit gesamtdeutscher Geltung im Zivilprozess erstmals in der Zivilprozessordnung von 1877 vorfindlichen Grundsatz. Sie gliedert sich in drei ungleichgewichtige Teile.

 

Im ersten Teil behandelt der Verfasser nach einer kurzen Einleitung die historische Entwicklung der Beweiswürdigung bis zur Reichszivilprozessordnung. Dabei erfasst er auf wenigen Seiten den römischen Zivilprozess, den römisch-kanonischen Zivilprozess, den germanischen und altdeutschen Prozess, die Rezeption und den gemeinen deutschen Zivilprozess. Ausführlicher untersucht er die Reformversuche, vor allem die Entwicklung des Prinzips der freien Beweiswürdigung zwischen 1844 und 1869., an deren Ende der Entwurf des Norddeutschen Bundes für eine Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten steht.

 

Im zweiten Teil wendet er sich detailliert der Rechtsprechung des Reichsgerichts zum seit 1879 tatsächlich in Kraft gesetzten Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu. Zu beachten war dabei, dass das Reichsgericht nur die Einhaltung der Verfahrensnorm überprüfen konnte und daher auf die Überprüfung der Einhaltung von Denkgesetzen, Erfahrungssätzen und Beweiserhebungsnormen beschränkt war. In diesem Rahmen legte es jedoch eine Reihe von Grundsätzen fest.

 

Auf der breiten Grundlage von rund 500 zitierten Entscheidungen aus 66 Jahren bewertet der Verfasser die Rechtsprechung des Reichsgerichts in der kurzen Zusammenfassung als insgesamt positiv. Es bewältigte seine Aufgabe der Vermittlung der gesetzlichen Bestimmung an die Untergerichte im Wesentlichen durch Festlegung abstrakter Grundsätze. Dies gelang so überzeugend, dass der Bundesgerichtshof die Rechtsprechung ohne auffällige Abweichungen übernehmen konnte, bis der Gesetzgeber die entsprechende Aufgabe im Kern den Oberlandesgerichten übertrug.

 

Insgesamt wertet der Verfasser einen beachtlichen Quellenbestand im Hinblick auf eine bedeutsame Fragestellung ansprechend aus. Im Anhang führt er seine zitierten Entscheidungen übersichtlich an. Kleinere Schwächen fallen demgegenüber nicht wirklich ins Gewicht.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler