Mahlmann, Christian, Die Strafrechtswissenschaft der DDR. Klassenkampftheorie und Verbrechenslehre (= Rechtshistorische Reihe 257). Lang, Frankfurt am Main 2002. XIII, 196 S.

 

Die Arbeit ist die von Jörn Eckert betreute, im Sommer 2001 von der juristischen Fakultät der Universität Kiel angenommene Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich in neun chronologisch geordnete Abschnitte. Sie sind von ungleichem Gewicht.

 

Nach einer kurzen Einleitung behandelt der Verfasser das Entstehen einer besonderen sozialistischen Strafrechtswissenschaft in der Deutschen Demokratischen Republik, das in der Rezeption der Verbrechenslehre der Sowjetunion besteht. Danach war Verbrechen in erster Linie eine Gefahr für die gesellschaftliche Ordnung. Trotz der vereinheitlichenden, vom Klassenkampfcharakter jedes Verbrechens ausgehenden Klassenkampfthese wurden dabei aber keineswegs alle Verbrecher undifferenziert als Klassenfeinde bezeichnet und bestand weithin Einverständnis darüber, dass die Mehrheit der Straftäter ihre Tat (nur) aus einem zurückgebliebenen gesellschaftlichen Bewusstsein heraus beging.

 

Nach zwei Seiten über erste Anzeichen einer Liberalisierung wendet sich der Verfasser im vierten Abschnitt dem zwanzigsten Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion zu, betrachtet aber im Wesentlichen nur seine Auswirkungen in der DDR. Wieder auf wenigen Seiten erörtert er die Restauration der Klassenkampftheorie. Ausführlich geht er auf die Übergangsphase zwischen 1957 und 1961 sowie auf den Fall des Dogmas 1962 ein.

 

Dessen Aufgabe wurde von der Staats- und Parteiführung befohlen. Die sog. Strafrechtswissenschaft musste sich dabei sogar noch dafür entschuldigen, das sie vertreten hatte, was die Politik zuvor für richtig gehalten hatte. Ihre Versuche, eine echte Alternative aufzufinden, misslangen während des gesamten Zeitraums.

 

Insgesamt zeichnet der Verfasser ansprechend einen für politisch bestimmte Wissenschaft nahe liegenden Vorgang nach. Er gibt seiner Untersuchung den Text der Thesen Lekschas’ und Rennebergs zum Thema Strafrecht und Klassenkampf von 1956, Kurzbiographien sechzehner bedeutsamer Akteure von Hilde Benjamin bis Andrej Januarjewitsch Wyschinski und ein Quellen- und Literaturverzeichnis bei. Damit bereichert er das rechtsgeschichtliche Wissen über die Rolle der Rechtswissenschaft in einem letztlich vom eigenen Volk erfolgreich abgelehnten Staat.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler