Himl, Pavel, Die ,armben Leüte’ und die Macht. Die Untertanen der südböhmischen Herrschaft Český Krumlov/Krumau im Spannungsfeld zwischen Gemeinde, Obrigkeit und Kirche (1680-1781). Lucius & Lucius, Stuttgart 2003. IX, 373 S.

 

Die Arbeit ist die von Richard van Dülmen betreute, 1999 von der philosophischen Fakultät der Universität Saarbrücken angenommene Dissertation des Verfassers. Sie beruht im Kern auf den Beständen der Krumauer Zweigstelle des staatlichen Regionalarchivs in Třeboň. Ausgearbeitet wurde sie beiderseits der deutsch-tschechischen Grenze.

 

Die Untersuchung ist räumlich in der mit mehr als 200 Dörfern größten, wohl am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit stabilisierten Herrschaft Böhmens angesiedelt. Krumau eignet sich dafür hauptsächlich wegen seiner dichten Überlieferung. Diese ist freilich unübersehbar durch ihre Entstehung in der Auseinandersetzung mit der Herrschaft geprägt.

 

Zu Recht stellt der Verfasser den herrschaftlichen Hintergrund (Beschaffenheit der Region, rechtliche Stellung, Erbpraxis, Verpflichtungen, Gerichtsbarkeit) voran. Danach widmet er sich der herrschaftlichen Verwaltung. Im Mittelpunkt stehen dabei Konfliktquellen.

 

Überzeugend betont er, dass sich ein unvollständiges und einseitiges Bild ergäbe, wenn aus Anordnungen, Instruktionen und Befehlen der Obrigkeit auf die tatsächliche Einwirkung der Herrschaft auf die Lebensverhältnisse der Untertanen geschlossen würde. Die artikulierten Idealvorstellungen wurden keineswegs immer erreicht. Deswegen untersucht er auch die Mittel und Wege der Umsetzung der Vorstellungen in der Wirklichkeit.

 

Dabei ergibt sich, dass die Vorstellung einer einseitig von der Herrschaft durchgesetzten sozialen Ordnung durchaus fraglich ist. Deswegen wendet er sich von hier aus den Verhaltensspielräumen des Einzelnen gegenüber Dorf und Herrschaft zu. Weiter untersucht er die Selbstbehauptungsstrategien der Untertanen im Umgang mit der Herrschaft und gelangt dabei zu dem ansprechenden Ergebnis, dass sie zwar nicht auf die Beseitigung oder grundlegende Veränderung der von der Herrschaft geprägten Ordnung zielten, aber durchaus bewusst und teilweise auch erfolgreich eingesetzte Mittel zur Gestaltung der Lebenswelt waren.

 

Dementsprechend zeigt sich, dass sich die Herrschaft als Machtverteilung wie die Handlungsmöglichkeit des Einzelnen zum großen Teil erst im Umgang miteinander ergab. Deshalb verdienen die Individuen für den Verfasser Aufmerksamkeit gerade in ihren vielfältigen Bezügen auf die Ämter. Die Herrschaft konnte bei jedem Betroffenen eine andere Ausprägung und Bedeutung gewinnen.

 

Insgesamt behandelt die Arbeit einen bedeutsamen Gegenstand der frühneuzeitlichen Geschichte. Sie gewinnt ihm in sorgfältiger Auseinandersetzung mit den Quellen eigenständige Erkenntnisse ab. Diese verdienen auch die Aufmerksamkeit des Rechtshistorikers.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler