Fama. The Politics of Talk and Reputation in Medieval Europe, hg. v. Fenster, Thelma/Smail, Daniel Lord. Cornell University Press, 2003. VII, 227 S.

 

Dieser Band, das Ergebnis einer Ende 2000 abgehaltenen Konferenz, enthält – neben der Einleitung (Introduction, 1-11) und dem Schlusswort (Conclusion, S. 210-214) der beiden Herausgeber - 9 Beiträge unterschiedlicher Qualität. Positiv hervorzuheben ist gleich der erste Beitrag Chris Wickhams (Fama and the Law in Twelfth-Century Tuscany, S. 15-26). Er erläutert, dass in der Toskana des 12. Jahrhunderts fama als common knowledge aufgefasst wurde, das – als Ansicht einer Vielzahl von Personen – Glaubwürdigkeit und soziale Akzeptanz besaß. Diese fama war stabiler als ein Gerücht und personenunabhängiger als Reputation. Ihre Berücksichtigung in Prozessen (in Pisa seit ca. 1186) wurde im 12. und 13. Jahrhundert auf einige Verfahren beschränkt (unter anderem Erbschaftsstreitigkeiten, aber auch Piraterie), und sie war möglich, weil fama mit dem Begriff der Öffentlichkeit verbunden war. Rechte wurden unter anderem durch öffentliche Akte begründet oder durch öffentliche Handlungen bestritten, und Zeugen dieser öffentlichen Akte/Handlungen nahmen das Wissen hierüber auf, womit es zur fama wurde.Obwohl Wickham der fama einen reibungslosen Übergang von der Straße in den Gerichtssaal bescheinigt (im Gegensatz zu Kuehn), wird nicht übersehen, dass sie manipulierbar war. Der Beitrag Thomas Kuehns (Fama as a Legal Status in Renaissance Florence, S. 27-46) unterscheidet zwischen der sozialen und der rechtlichen fama. Die soziale fama (Gerücht, Ruf, common knowledge) gelangte gefiltert in den Gerichtssaal („Norms definitely constrained the space permitted to that bundle of social practices, experiences, and knowledge that is fama“, S. 46; anders Wickham), wo sie zur rechtlichen fama wurde, die nicht nur verfahrensrechtlichen Wert hatte (Initiierung von Prozessen, unterstützendes Beweismittel), sondern auch mit Status gleichzusetzen ist und damit in den Bereich der Ehre hineinreicht. Die Kunsthistorikerin Madeline H. Caviness und der Germanist Charles G. Nelson (Silent Witness, Absent Women and the Law Courts in Medieval Germany, S. 47-72) glauben erkennen zu können, dass Frauen in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels überwiegend negativ dargestellt werden (und zwar unter Berücksichtigung der Handgebärden, die ihrer Meinung nach Sprechakte symbolisieren) und dass diese Darstellung Einfluss auf ihre rechtliche Stellung hatte (S. 57). Zudem würde in den Bildern das Ausmaß deutlich, „to which the construction of bona fama and mala fama was controlled by men (S. 72). Allerdings wirken ihre Bildinterpretationen manchmal überzogen (vgl. insbesondere S. 56). F. R. P. Akehurst (Good Name, Reputation and Notoriety in French Customary Law, S. 75-94) untersucht, welche negativen rechtlichen Folgen ein schlechter Ruf (Infamie) hatte, was es bedeutete, wenn viele Personen von einem Verbrechen wussten, es somit ,notoire’ war, und wie ein schlechter Ruf zu einem Ausschluss als Zeuge führen konnte. „A person’s reputation might make him ineligible to be a witness, and notoriety of a fact might make the use of witnesses unnecessary.“ (S. 94). Auch Jeffrey A. Bowman (Infamy and Proof in Medieval Spain, S. 95-117) fragt, wann jemand zur infamen Person wurde und welche rechtlichen und sozialen Auswirkungen dies hatte, und untersucht dies anhand zweier Rechtskodifikationen aus dem 7. (Visigothic Code) beziehungsweise 13. Jahrhundert (Siete Partidas). Sandy Bardsley (Sin, Speech and Scolding in Late Medieval England, S. 145-164) will anhand dreier Vergehen (Barratry, Cursing, Scolding) beweisen, dass die Popularisierung und Laizierung des Diskurses ,Sins of the Tongue’ in der Zeit nach der Pest dazu beitrug, „that elite worlds were not turned as far upside down as they feared“ (S. 146). Einige Schlussfolgerungen sind jedoch schwer nachvollziehbar (vgl. z. B. S. 150). Die restlichen Beiträge berühren die Rechtsgeschichte nicht und sollen daher nur aufgelistet werden: Lori J. Walters, Constructing Reputations: Fama and Memory in Christine de Pizan´s Charles V and L´Advision Cristine (S. 118-142); Richard Horvath, Romancing the Word: Fama in the Middle English Sir Launfal and Athelston (S. 165-186); Edwin D. Craun, Fama and Pastoral Constraints on Rebuking Sinners: The Book of Margery Kempe (S. 187-209). Der Band wird durch eine nützliche Auswahlbibliographie (S. 215-218) und einen Index abgeschlossen.

 

Fürth                                                                                                                         Susanne Jenks