Der Parlamentarische Rat 1948-1949. Akten und Protokolle, hg. v. Deutschen Bundestag und vom Bundesarchiv. Band 13 Ausschuss für Organisation des Bundes, Ausschuss für Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege, bearb. v. Büttner, Edgar/Wettengel, Michael, 2 Teilbde. Oldenbourg, München 2002. CXL, 1-706, 707-1608 S.

 

Seit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts schreitet die Edition der Akten und Protokolle des Parlamentarischen Rates erfreulich rasch voran. Nachdem so schon seit längerem eher Zweitrangiges bekannt gemacht wurde, ist umso mehr der Band über den vielleicht wichtigsten Ausschuss vermisst worden, der jetzt endlich als der 13. der Reihe Lehre und Forschung zur Verfügung steht. Hatte doch kein Fachausschuss ein derart großes Aufgabenfeld. Es bestand darin, die Kompetenzen, Zusammensetzung und staatsrechtliche Verankerung aller Verfassungsorgane im Verfassungsgefüge festzulegen. Da der Ältestenrat zu Beginn des Septembers 1948 darüber hinaus beschlossen hatte, dass der Ausschuss für „Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege“ zunächst gemeinsam mit dem für die „Organisation des Bundes“ tagen sollte, war die Zuständigkeit dieses am 15. September konstituierten „Kombinierten Ausschusses“ nochmals erweitert worden. Folglich war er mit seinen 20, später 22 Mitgliedern (je 8 von der CDU/CSU und der SPD, 2 FDP, je 1 ein Mitglied von Zentrum und der DP) nach dem Hauptausschuss auch einer der größten. Vorsitzender wurde Robert Lehr (CDU), einstiges Mitglied der DNVP und ehemaliger Bürgermeister von Düsseldorf, sein Stellvertreter der jüdische Emigrant und Kenner der amerikanischen Verhältnisse Rudolf Katz (SPD). Trotz unterschiedlichen Schicksals und politischer Orientierung arbeiteten beide unter dem Zwang der Verhältnisse pragmatisch und ergebnisorientiert zusammen.

 

Der „Kombinierte Ausschuss“ tagte zum letzten Mal am 20. Oktober 1948; zuvor hatte sich der Ausschuss für „Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege“ am 12. Oktober eigens konstituiert. Nicht ganz einsichtig ist, dass seitdem die Protokolle dieser so eng zusammengehörenden Ausschüsse nicht mehr chronologisch zusammenhängend abgedruckt werden, sondern zunächst die Protokolle des Organisationsausschusses und dann die des für „Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege“.

 

Allein aufgrund der Kompetenzen der beiden Ausschüsse hat die vorliegende Edition eine erstrangige Bedeutung. So war es fast zwangläufig, dass die meisten Artikel des Grundgesetzes hier beraten und manche Formulierungen vorgeprägt wurden. Beide Ausschüsse befassten sich auch mit den umstrittensten Fragen der gesamten Beratungen wie Stellung der Länderkammer, Befugnisse des Staatsoberhaupts und Aufbau der Bundesgerichtsbarkeit. Recht intensiv wurde auch noch über die Notstandsgesetzgebung und beamtenrechtliche Fragen debattiert. Schließlich kann es sich der Kombinierte Ausschuss zu gute halten, dass in seinen Reihen so wichtige Institute wie das konstruktive Misstrauensvotum und solche Verfahrensregelungen wie die Wahl des Bundespräsidenten gefunden wurden.

 

Den Texten geht eine Einleitung von über 100 Seiten voraus, die sich viel zu sehr auf Verfahrensfragen der Ausschussarbeit einlässt ( so erfährt man u. a. wie viele Sitzungen welcher Stenograf protokolliert hat) und auch die ja in den Texten nochmals dokumentiert Arbeit der Ausschüsse zu breit nacherzählt. Überflüssig sind die biografischen Abhandlungen zu den Mitgliedern der Ausschüsse, da hier das Meiste schon an anderer Stelle öfters gesagt worden ist.

 

Den Kern des Textkorpus bilden 42 stenografierte und anschließend übertragene Wortprotokolle; lediglich von den konstituierenden Sitzungen der beiden Ausschüsse liegen Kurzprotokolle vor. Darüber hinaus wurden Zusammenstellungen von in den Ausschüssen beratenen und beschlossenen Artikel und einige Gutachten aufgenommen. Die oft langen Protokolle werden dem hohen Standard der Reihe gemäß präsentiert und durch hilfreiche Zwischenüberschriften der Bearbeiter gegliedert. Nun steht dieser Band innerhalb einer größeren Reihe und hat zunächst deren Editionsprinzipen zu folgen; dennoch hätten die beiden Bearbeiter sich die Worte des Ausschussvorsitzenden Lehr zu Herzen nehmen sollen, der bekannte, er sei „kein Freund des Stenographierens in Ausschußsitzungen, weil wir hier die Worte ja nicht für die Ewigkeit prägen“. Und in der Tat fragt es sich, warum dem Benutzer der Gang der Verhandlungen auch dann noch in aller Breite präsentiert werden muss, wenn diese in ellenlangem Hin und Her auf der Stelle treten? So, wie die Protokolle jetzt vorliegen, besteht eher die Gefahr, dass der Benutzer darin untergeht; den Gewinn, der aus ihnen zweifellos zu ziehen ist, muss er sich hart erarbeiten. Erleichtert wird ihm dies durch die beiden soliden und differenzierten Indices zu Personen und Sachen. Die Kommentierung begnügt sich mit Verweisungen auf an anderer Stelle gedruckte Dokumente der Reihe oder anderer Editionen, mit kargen biografischen Hinweisen und gelegentlichen Sacherläuterungen.

 

Eichstätt                                                                                                         Karsten Ruppert