Casemir, Kirstin, Die Ortsnamen des Landkreises Wolfenbüttel und der Stadt Salzgitter (= Niedersächsisches Ortsnamenbuch III = Veröffentlichungen des Instituts für historische Landesforschung der Universität Göttingen 43). Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2003. 635 S., 9 Kart.

 

Casemir, Kirstin/Ohainski, Uwe/Udolph, Jürgen, Die Ortsnamen des Landkreises Göttingen (= Niedersächsisches Ortsnamenbuch IV = Veröffentlichungen des Instituts für historische Landesforschung der Universität Göttingen 44). Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2003. 533 S., 1 Kart.

 

Die Arbeit Kirstin Casemirs wurde im Wintersemester 2002/2003 unter der Betreuung durch Wolfgang P. Schmid als Dissertation an der philosophischen Fakultät der Universität Göttingen angenommen. Sie weicht daher von den beiden früheren Bänden des von Jürgen Udolph herausgegebenen Niedersächsischen Ortsnamenbuches zu Hannover (Ohainski, Uwe/Udolph, Jürgen, Die Ortsnamen des Landkreises und der Stadt Hannover, 1998) und Osterode (Ohainski, Uwe/Udolph, Jürgen, Die Ortsnamen des Landkreies Osterode am Harz, 2000) durch zusätzliche auswertende Kapitel ab. Der Ortsnamenartikelaufbau stimmt jedoch grundsätzlich überein.

 

Für den mit überzeugender Begründung ausgewählten Untersuchungsraum (einer von 46 Kreisen und kreisfreien Städten Niedersachsens und die Stadt Salzgitter) sind über das teilweise veraltete, bis 1200 reichende altdeutsche Namensbuch Ernst Förstemanns hinaus alle bis 1500 schriftlich belegten Siedlungen in einem alphabetisch geordneten Lexikonteil aufgenommen. Dem geht in gebotener Kürze ein Kapitel voraus, in dem das Untersuchungsgebiet politisch-administrativ und geographisch beschrieben wird. Auch die archäologischen, in übersichtlichen Tabellen zusammengefassten, erhebliche Fundmengen beinhaltenden  Zeugnisse werden vorweg behandelt, weil das Gebiet bereits vor Einsetzen der schriftlichen Überlieferung besiedelt gewesen sein dürfte.

 

Aus der Vielzahl der Funde schließt die Verfasserin überzeugend, dass das Untersuchungsgebiet bereits in vorschriftlicher Zeit breit besiedelt war. Dies gilt nach ihren Erkenntnissen insbesondere für die Zeit ab Christi Geburt. Durch die Völkerwanderungszeit bestehen die zuvor nachweisbaren Siedlungen gewöhnlich fort, so dass eine siedlungsleere Zwischenzeit ausscheidet.

 

Von ihren 194 Orten, die nach einem festen, erweiterten Muster untersucht werden, sind 13 im 8. Jahrhundert, 10 im 9. Jahrhundert, 27 im zehnten Jahrhundert, 24 im elften Jahrhundert, 78 im zwölften Jahrhundert, 31 im 13. Jahrhundert, 10 im 14. Jahrhundert erstmals belegt und nur ein einziger erst im 15. Jahrhundert. Den Beginn macht Abbenrode, dessen Erstbeleg von 1086 Förstemann wohl falsch zugeordnet hat und dessen Bildung die Verfasserin mit dem schwach flektierenden, in seiner Herleitung umstrittenen Personennamen Abbo und dem Grundwort rode erklärt. Den Beschluss bildet das 1189 erstmals schriftlich bezeugte, vielleicht mit *kisil verbindbare Ziesel.

 

Auf dieser umfangreichen, vorsichtig abwägenden Grundlage der Einzelorte wendet sich die Verfasserin allgemeiner den Grundwörtern (und Suffixen) zu, als welche sie aha, ard, beke, bere, berg, brücke, burg, büttel, Dentalsuffix, dorf (15 Fälle), hagen (3), hêm (46), hof, hûsen, ia, (l)ingen, ithi, kate, l, lage, leben (4), loh, mar (1), n, r, rode (25), see, stedt (27) und tr ermittelt. Daneben stehen nur wenige Simplizia (Biewende, Linden, Rode, Timmern, Weddel und vielleicht Werle) und einige unklare Fälle (sowie 30 Fälle von sekundären differenzierenden Elementen).

 

Als Fazit ihrer überzeugenden Untersuchungen stellt sie fest, dass ihr Untersuchungsgebiet neben leicht deutbaren Namen viele schwierige, nur unter Berücksichtigung germanischer und außergermanischer Parallelsprachen deutbare Namen enthält. Einen fränkischen Einfluss auf die Ortsnamen vermag sie dabei nicht zu finden. Zeitlich scheinen die Suffixe den stedt-Namen, diese den hêm-Namen, diese den dorf-Namen, diese den rode-Namen und diese schließlich den hûsen-Namen vorauszugehen.

 

Bestimmungswörter sind zu einem kleineren Teil Personennamen und zum größeren Teil Appellative, doch verhält es sich bei den rode-Namen eher umgekehrt. Einige der als Bestimmungswörter verwendeten Personennamen und Appellative sind nicht im altsächsischen Personennameninventar oder im überlieferten altsächsischen Sprachmaterial belegt, waren aber aus den Ortsnamen zu erschließen. Gleichzeitig konnten im appellativischen Bereich einige nicht im Altsächsischen oder Mittelniederdeutschen bezeugte Wörter an Hand der Namen gesichert werden.

 

Zur Entfaltung des Germanischen vermag die Verfasserin festzustellen, dass altertümliche germanische Ortsnamentypen und Ortsnamenbildungen gut vertreten sind. Auch die Erstelemente zeugen von Altsiedelland. Dabei zeigen sich Parallelitäten vor allem zum Baltischen (und Slawischen).

 

Der vierte, von Kirstin Casemir, Uwe Ohainski und Jürgen Udolph gemeinsam bearbeitete Band nimmt alle bis 1600 in gedruckten Quellen bezeugten Ortsnamen des aus dem Altkreis Göttingen und den Kreisen Duderstadt und Hannoversch Münden 1973 gebildeten Kreises Göttingen (mehr als 300) auf. Er beginnt mit dem 1279 erstmals erwähnten Addenhausen bei Adelebsen und schließt mit Wyckleveshusen bei Germershausen. Neben Simplizia wie Bühren, Gleichen, Haarth, Hemeln, Hoya, Jesa, Jühnde, Münden, Plesse, Ratten, Rode, Scheden, Schneen, Speele und Tunu und einigen weiteren Sonderfällen (Bislacht, Blume, Endal, Hedemünden, Mimide, Popfum, Uschlag und Vogelsang) belegt er als Ortsnamengrundwörter aha, apa, ard, beke, born, burg, dal, dorf, eck, feld, furt, garten, hagen, hêm, hof, hûsen, land, lar, mar, ried, rode, siek, spring, stedt, stein, stollen, tun, wasser, wende und winithi und die Suffixe ingen, it(h), ithi, l, n, r, s, und st.

 

Erläuterungen von Fachausdrücken, Literaturverzeichnisse, Register und Übersichtskarten erschließen beide Bände vorzüglich. Möge das Gesamtwerk zügig erfolgreich fortschreiten. Man wünschte sich eine gleiche Erfassung aller Gebiete (z. B. Northeim 2005, in Vorbereitung Goslar, Helmstedt und Stadt Wolfsburg, Hildesheim) nach einheitlicher vorbildlicher, auch Kontroversen offen darlegender Form.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler