Breßler, Steffen, Schuldknechtschaft und Schuldturm. Zur Personalexekution im sächsischen Recht des 13.–16. Jahrhunderts (= Freiburger rechtsgeschichtliche Abhandlungen N. F. 42). Duncker & Humblot, Berlin 2004. 487 S., 2 Abb.

 

Der Verfasser dieser umfangreichen Monographie, die von der Freiburger Rechtswissenschaftlichen Fakultät im Sommer 2003 als Dissertation angenommen und inzwischen mit dem Carl-von-Rotteck-Preis ausgezeichnet wurde, hat sich die Aufgabe gestellt, die Personalexekution zu erforschen, wie sie sich in Gestalt von Schuldknechtschaft und Schuldturm im großen und damals sehr bedeutenden Bereich des sächsischen Rechts während des 13. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts darstellt. Es geht also um zwei wichtige spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Vollstreckungsrechte des Gläubigers gegen den insolventen Schuldner, die sich zur Hauptform der Personalexekution, also zum körperlichen Zugriff auf den Schuldner, entwickelten und noch lange Anwendung fanden, ehe gegen Ende des 19. Jahrhunderts die körperliche Haftung in den meisten europäischen Ländern, wie auch in den deutschen Einzelstaaten sowie schließlich dann reichsrechtlich durch Gesetz vom 16. April 1871 abgeschafft wurde. Die Realexekution ist seither an die Stelle der Personalexekution getreten. Die persönliche Haftung erstreckt sich nun nicht mehr auf den Körper des Schuldners, sondern nur noch auf sein Vermögen.

 

Steffen Breßler gliedert seine Arbeit in drei nur quantitativ unterschiedliche, inhaltlich jedoch in gleichem Maße an Ergebnis reiche Teile. Der erste erläutert den Gegenstand der Untersuchung, gibt einen Einblick in seine Forschungsgeschichte und den derzeitigen Forschungsstand und geht schließlich auf Methodenfragen hinsichtlich der Personalexekution ein, wobei sein eigener methodischer Ansatz, der seinen Niederschlag in den Teilen 2 und 3 findet, sehr interessant ist. In diesem Teil stellt er schon seine gründliche Arbeitsweise in der Auswertung der Quellen und der sehr umfangreichen Literatur unter Beweis. Dieses Bestreben zeigt sich auch im zweiten Teil, dem Kernstück der Arbeit, bei der Analyse der Quellen, untergliedert in die drei Quellengruppen normative Quellen, Literatur und Rechtspraxis, um daraus Vergleichsmaterial für eine Gesamtbetrachtung der Personalexekution im dritten Teil, aber auch - und das ist sehr begrüßenswert - für neue Fragen an die Quellen zu gewinnen. Der Begriff normative Quellen umfaßt hier Rechtsaufzeichnungen, die „primär abstrakte, von einem Einzelfall losgelöste Rechtssätze enthalten“ (S. 59), wozu im Spätmittelalter vornehmlich Land- und Stadtrechtsbücher gehören.. Die Auswahl der Quellen, beginnend mit dem Sachsenspiegel Landrecht und bei den kursächsischen Konstitutionen von 1572 endend, erfolgte auf die Thematik bezogen wohldurchdacht. Die im Spätmittelalter übliche Überantwortung des insolventen Schuldners an den Gläubiger wurde durch die kursächsischen Konstitutionen mit der Einführung des Schuldturmes von der Privathaft zur öffentlichen Haft entscheidend verändert, wohl aber kaum verbessert.. Es folgt dann in ähnlich gründlicher Weise die Auswertung der anderen Quellengruppen Rechtsliteratur (Buch'sche Glosse, Glosse zur Weichbildvulgata, Gerichtsläufte von Kilian König und von Georg von Rotschitz, Differentienliteratur aus der Mitte des 16. Jahrhunderts sowie die Werke von Matthias Coler) und Rechtspraxis, gestützt auf die sachbezogenen Magdeburger Schöffensprüche. Die Ergebnisse dieser Quellenstudien führt der Autor im dritten Teil unter verschiedenen Perspektiven zusammen, wie die Haft neben anderen Vollstreckungsformen in Verbindung mit Schuldangelegenheiten, die Beteiligten und die Betroffenen im Verfahren, der Weg in die Schuldhaft, die Quellengruppen im Vergleich u. a. Besonders wichtig ist dann die Schlußbetrachtung des Autors. Er kommt zu dem Ergebnis, dass sich Schuldknechtschaft und Schuldturm zwar als die zentralen Formen der Personalexekution im sächsischen Recht des untersuchten Zeitraums erwiesen haben, aber örtlich keineswegs einheitlich ausgestaltet waren. Es hat sich auch gezeigt, daß die Bezeichnung Schuldknechtschaft im Gegensatz zu der des Schuldturms in den spätmittelalterlichen Quellen keine Verwendung gefunden hatte, sondern erst im 19. Jahrhundert mit der Forschung zum römischen Recht in Gebrauch kam. Für die damals vom 13. bis 15. Jahrhundert in den Quellen üblichen Formen „antworten mit“ oder „bei der Hand“ sollte daher künftig der quellennahe Begriff Überantwortung benutzt werden. Hierin ist dem Verfasser ebenso zuzustimmen, wie für den Hinweis an die Laien, dass die Personalexekution keine Strafe, sondern unter den damaligen Verhältnissen ein effektives Mittel der Vollstreckung gegen insolvente Schuldner war. Wenn der Überantwortung verschiedentlich auch Härte und Grausamkeit vorgeworfen werden konnte, so waren die Verhältnisse im Schuldturm keineswegs erfreulicher. Trotzdem setzte sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert die öffentliche Haft im Schuldturm durch. Die Obrigkeiten kontrollierten nunmehr den gesamten Vollstreckungsprozeß.

 

Mit seiner Monographie hat Steffen Breßler eine sehr gute wissenschaftliche Leistung erbracht, für die man ihn nur beglückwünschen kann.

 

Halle a. d. Saale                                                                                                      Rolf Lieberwirth