Albertoni, Giuseppe, Die Herrschaft des Bischofs. Macht und Gesellschaft zwischen Etsch und Inn im Mittelalter, aus dem Italienischen von Bassi, Urban, bearb. v. Krahwinkler, Harald/Pfeifer, Gustav, mit einem Geleitwort von Wolfram, Herwig (= Veröffentlichungen des Südtiroler Landesarchivs 14). Verlagsanstalt Athesia, Bozen 2003. 223 S.

 

Die Arbeit ist 1996 in Turin als Dissertation angenommen worden. Ihr Verfasser ist ein in dritter Generation in Südtirol lebender Italiener. Er versucht die Deutschtiroler aus ihrer Geschichtlichkeit zu verstehen und geht zu diesem Zweck im ersten seiner fünf Sachkapitel bis in das 19. Jahrhundert und die dort gelegten geistig-kulturellen und methodischen Grundlagen der deutschsprachigen Mediävistik zurück.

 

Im zweiten Kapitel beschreibt er die Quellen. Ihren Kern bilden die von Oswald Redlich edierten Traditionsbücher des Hochstifts Säben-Brixen. Ihre sorgfältige Untersuchung zeigt, dass die Traditionsnotizen bis zum Ende des 11. Jahrhunderts auf einzelne oder mehrere lose Lagen wohl jeweils kurz nach dem Tode des Bischofs aufgezeichnet wurden, in der Folge andere Schreiber weitere Traditionsnotizen eintrugen, die wahrscheinlich einzeln, aber nicht mehr vollständig aufbewahrten Lagen im 17. Jahrhundert zu zwei Bänden ohne strenge chronologische Ordnung gebunden wurden und der Herausgeber infolge seines Versuchs einer chronologischen Ordnung die Traditionsnotizen ganz anders als die ursprünglichen Handschriften präsentiert.

 

Aus den Traditionsnotizen entnimmt der Verfasser als seinen Untersuchungsraum das Eisacktal zwischen Klausen und Sterzing, das Pustertal sowie Teile des Inntals und Kärntens. Für ihn beginnt er im dritten Kapitel mit der ethnischen und politischen Umgestaltung in und nach der Völkerwanderung. Dabei gelangt er zu dem Hauptergebnis, dass in der europäischen Gesellschaft um 1000 schrittweise differenzierte, einander oft überlagernde Herrschaftsformen entstehen, deren Vorhandensein er auch für das Gebiet zwischen Inn und Etsch prüfen will.

 

Zu diesem Zweck untersucht er zunächst an Hand seiner Quellen das 10. Jahrhundert. Danach wendet er sich dem 11. Jahrhundert zu. Im Unterschied zwischen den beiden Zeiträumern erkennt er die Entwicklung.

 

Sie besteht nach seiner sorgfältigen Ermittlung darin, dass die Säbener Bischöfe zunächst infolge ihrer engen Bindung an das Reich wichtige Güter mit Immunitätsrechten erlangten, die sie als Grundherrschaft bewirtschafteten. Um 1000 griffen dabei sie über die Diözese hinaus auch nach Kärnten aus. Im 11. Jahrhundert versuchten sie eine die Territorialherrschaft vorbereitende neue Organisationsform, in der milites und ministeriales sozial aufsteigen konnten.

 

Dabei setzten die Bischöfe Poppo und Altwin auf den salischen König, der Poppo als Damasus II. sogar auf den Heiligen Stuhl führte. Mit der Niederlage Heinrichs IV. im Investiturstreit brach ihr Herrschaftsgebilde jedoch zusammen. Damit war die Bahn frei für die Verselbständigung der Grafen und Edelfreien.

 

Im Anhang bietet der Verfasser Stammtafeln der Ratpotonen von Hohenwart und der älteren Welfen, der Aribonen, der Sighardinger und der Pilgrimiden. 19 Tabellen stellen die Bischöfe und Traditionen im 10. und 11. Jahrhundert (Altwin 349), die von den Bischöfen erworbenen Güter, die von den Bischöfen veräußerten Güter, die erworbenen und veräußerten Menschen, Wertangaben in Geld, ökonomische Werte, curaturae, Leibrenten, den sozialen Status männlicher Rechtsgeschäftspartner der Bischöfe, die Vögte, die milites, den sozialen Status von Frauen, die Zensualen, den Zins, die erworbenen Unfreien, die erworbenen Güter, die abgetretenen Güter (meist des 10. Jahrhunderts) und die von den Brixener Bischöfen im 11. Jahrhundert erworbenen Güter übersichtlich dar. Klare Karten veranschaulichen die Straßen im mittleren Ostalpenraum, das Einzugsgebiet der Brixener Traditionsbücher, die spätantiken Provinzen, die Diözesen, die Herzogtümer und Marken, die von den Bischöfen vor 977 erworbenen Güter, die von Bischof Albuin erworbenen Güter, die von Bischof Albuin veräußerten Güter und die Güterwerbungen im 11. Jahrhundert.

 

Ein Verzeichnis der gedruckten Quellen und Literatur weist die unfangreiche literarische Grundlage nach. Ortsregister und Personenregister erleichtern die Erschließung. Insgesamt ist damit ein beachtlicher Baustein für die Geschichte des Herzstücks der Alpen im Mittelalter vorgelegt.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler