Rücker, Matthias, Wirtschaftswerbung unter dem Nationalsozialismus. Rechtliche Ausgestaltung der Werbung und Tätigkeit des Werberats der deutschen Wirtschaft (= Rechtshistorische Reihe 229). Lang, Frankfurt am Main 2000. 399 S.

 

Es hätte nahe gelegen zu fragen, ob es stimmt, dass im Nationalsozialismus die Wirtschaftswerbung für Wahrheit und Klarheit stand - ganz im Gegensatz zur verführerischen Propaganda. Der Verfasser scheut den Überblick und beschränkt sich auf die Frage, inwieweit die Wirtschaftslenkung auch eine Steuerung von Reklame und Anzeigenmarkt umfasste. Das ist berechtigt im Rahmen einer Dissertation, wird aber erkauft durch überwiegend kritiklose Dokumentation normativer Akte.

 

Nicht die Besonderheiten nationalsozialistischer Steuerungsmechanismen mit ihrer unterschwelligen Wirksamkeit treten hervor, sondern die Kontinuität werbewirtschaftlicher Selbstbeschränkung. Nicht die sich wandelnden Motive für eine Förderung fairen Wettbewerbs werden betont, sondern die Regulierungsdichte selbst. Methodisch ist damit das Ergebnis der Arbeit vorweggenommen: Die Wirtschaftswerbung unter dem Nationalsozialismus stand geradezu bruchlos zwischen Weimarer Republik und Bundesrepublik. Die Anpassung an die politischen Verhältnisse gilt dem Verfasser als Effizienz. Der Eindruck wird noch verstärkt: In diesen zwölf Jahren habe die Branche für mehr Ehrlichkeit und Richtigkeit gesorgt als vorher und nachher. Vor allem die Einrichtung eines „Werberats der deutschen Wirtschaft“ ist dem Verfasser als Besonderheit der Jahre nach 1933 wichtig. Das faktische Werbeverhalten hingegen bleibt in der Darstellung ausgespart.

 

Dabei war die Entwicklung der Werbewirtschaft bis dahin von immer neuen Reklameformen geprägt. Die Vervielfältigung durch Lithographie und Siebdruck, die Errichtung von Litfasssäulen, Schaufensterwerbung und Leuchtreklame begleiteten den Weg technischer Innovation. Außenwerbung empfand man schon bald als Verschandelung, appellierende Anzeigen als Zumutung. Die psychologisch geschickte Anpreisung von Markenartikeln wurde zur Aufgabe einer eigenständigen Berufsgruppe, innerbetrieblicher Abteilungen und einer praxisorientierten Wirtschaftswissenschaft. Die Gesetzgebung reagierte auf diese Entwicklung zunächst mit der Ordnung des Wettbewerbs und schuf mit § 826 BGB - neben dem Verbot übler Nachrede, schwindelhafter Reklame und der Qualitätsverschleierung - eine generelle Sanktionierung unlauterer Konkurrenz. Hinzu traten öffentlich-rechtliche Normen wie das Luftverkehrsgesetz, das 1922 die sog. Rauchwerbung einschränkte. Ein weiterer Eingriff in die Werbewirtschaft drohte seit 1908 durch die Reichsregierung mit dem Versuch, eine Anzeigensteuer einzuführen. Als Reaktion darauf bildete sich der „Schutzverband der Großinserenten“. Seriosität war der Anspruch, mit dem sich Werbung zu legitimieren versuchte. „Mehr Wahrheit“ und eine „gehobene Geschäftsmoral“ sollten für Glaubwürdigkeit sorgen.

 

Programm war folglich eine gewisse Selbstläuterung mit dem Ziel der Abwehr staatlicher Eingriffe. Der Verfasser hätte deutlicher zeichnen können, wie sehr der nationalsozialistische Machthaber diesem liberalistischen Regulativ misstraute. Ihm galt nicht, den konkurrierenden Markt zu schützen, sondern Produktion und Qualität zu steigern. Nicht das Anpreisen von Waren stand im Vordergrund, sondern die Aufklärung über deren Qualität.

 

Deutlich beschreibt der Verfasser allerdings, wie sich die Wettbewerbsordnung nach 1933 veränderte. Das sog. Rabattgesetz stellte den Verkauf unter Selbstkosten unter Strafe. 1934 wurde ein Reichskommissar für Preisüberwachung bestellt. Über das gesamte öffentliche wie private Werbewesen wachte das Propagandaministerium. Die Aufsicht über die „Wirtschaftswerbung“ - der Begriff besetzte die Stelle der pejorativ verstandenen „Reklame“ - übernahm ein sog. Werberat, eine Polizeibehörde im juristischen Gewand einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Seine Aufgabe war die Beseitigung von Übertreibungen bei der Anpreisung von Waren, sein Ziel die Erhöhung des Absatzes insbesondere landwirtschaftlicher Produkte. Sein vornehmlicher Zweck aber bestand in der Propaganda für deutsche Waren. Adressat war die Werbeindustrie, die er über den optimalen Einsatz von Werbung wie über Maßnahmen zur Begrenzung importierter Waren belehrte. Der Werberat vertrat nicht vorrangig die Interessen des Handels, sondern diente gleichermaßen dem Schutz des Verbrauchers wie des Mittelstands. Zudem sollte er einen Beitrag zur nationalsozialistischen Arbeitsbeschaffungspolitik liefern. Sein Betätigungsfeld überschritt demnach bei weitem das der Selbstorganisation der Werbewirtschaft vor 1933. Er war nicht allein Kontrollorgan, sondern lenkte die Werbebranche umfassend. Wer werben wollte, benötigte dafür eine Genehmigung und musste eine „Gebühr“ entrichten. Auf Umwegen war damit die Anzeigensteuer eingeführt, gegen die sich der „Schutzverband der Großinserenten“ 1908 organisiert hatte. Als Instrument der Rechtsausübung diente dem Werberat die Anprangerung und Einschüchterung im eigenen Mitteilungsblatt. Verbote konnte er nicht aussprechen, da ihm dazu die Ermächtigung fehlte. Er konnte aber, was einem Berufsverbot gleichkam - und damit ein erhebliches Druckmittel darstellte -, die erteilte Genehmigung wieder zurücknehmen. Das scheint zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft häufiger geschehen zu sein. An zwei überragenden Idealen orientierte sich der Werberat bei seinen Beanstandungen: An der Wahrung kaufmännischer Grundsätze und an der „Achtung der Volksgemeinschaft“. Sie äußerte sich vordergründig in Sprachkritik. Wo immer deutsche Begriffe verwendet werden konnten, waren fremde fehl am Platz. Auch wachte der Werberat über das „Volksempfinden“. Dieses sah er z. B. verletzt durch die Anpreisung einer „Heldentorte“ oder durch die noch heute geläufige Bezeichnung „Autofriedhof“. Mit der kaufmännischen Ehrbarkeit unvereinbar hielt der Werberat die Geschäftsbezeichnung „entjudeter Betrieb“ oder „Arisch seit Gründung“. Dahinter stand die Vorstellung, dass persönliche Eigenschaften keinen Werbezwecken dienen sollten. Nicht vollständig untersagt, doch stark eingeschränkt wurde die Außenwerbung. Der Werberat erhob dabei - in Übereinstimmung mit Forderungen des Heimatschutzes - ästhetische Anforderungen. Wünschenswert erschien zunächst auch die Beseitigung von Rundfunkwerbung, um den Sprachprogrammen insgesamt mehr Gewicht beizulegen. Im Interesse der Wirtschaft verzichtete dann allerdings das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda auf ein Verbot und förderte sogar ab 1938 Aufführungen von Werbefilmen. Die Werbung in der Kriegswirtschaft bildet in der Darstellung lediglich ein Unterkapitel, gewissermaßen einen Annex. Tatsächlich war nach 1940 die Verbraucherlenkung durch Veränderung des gesamten Werbewesens unübersehbar. Lebensmittelersatzstoffe sollten nicht allein bekannt, sondern auch schmackhaft gemacht werden. Ferner trat die Erziehung neben ein der Mangelwirtschaft angepasstes Verhalten: Die Aufforderung zum Pellen der Kartoffeln nach dem Kochen, um Schälverluste zu vermeiden, flankierte die Sparsamkeitswerbung von Banken. Insgesamt attestiert der Verfasser der Werbung im Nationalsozialismus einen eigenen Stil. Comic Strips konnten sich nicht durchsetzen, künstlerische Gestaltungsmotive der 1920er Jahre verschwanden weitgehend. Das Frauenbild des Nationalismus prägte auch die Werbung. All dies sind Zeichen von Gleichschaltung. Diese war vom Werberat zu verantworten. Sein Übereifer, geradezu mit Rechtskraft das Verhalten der Werbenden festzulegen, untergrub allerdings recht bald seine Autorität. Es ist das Verdienst vorliegender Arbeit, gerade die juristischen Untiefen auszuloten, die der Werberat in seiner Stellung zwischen Staat und Wirtschaft überbrücken wollte. Bedauerlich bleibt allerdings, dass der Verfasser in seiner gründlichen Arbeit nicht den Mut aufbrachte, politische Schlüsse zu ziehen. So hätte er vermeiden können, unkritisch der Selbstrechtfertigung zu folgen, die die Träger der Werbewirtschaft in den 1950er Jahren über ihre eigene Vergangenheit veröffentlichten.

 

Frankfurt am Main/Osnabrück                                                            Karl H. L. Welker